Mit seiner Aussage will er einer Sicherungsverwahrung entgehen, sagte der Krankenpfleger am 26. Verhandlungstag am Kölner Landgericht.
Thallium-GiftmordeAussagen des Hürthers für Angehörige der Opfer „verstörend und schmerzhaft“
Das Entsetzen bleibt. Auch zwei Tage nach der ausufernden Erklärung des Hürther Krankenpflegers, keinesfalls ein zweifacher Mörder, sondern ein unschuldig Verfolgter zu sein, untermauert der Angeklagte am 26. Verhandlungstag vor dem Kölner Landgericht seine Aussagen von zuvor. Mit stoisch vorgetragenen Antworten wiederholt er sowohl die Suizid-Behauptung über den Tod verstorbenen Ehefrau als auch den „Giftunfall“ der Ex-Partnerin und deren Großmutter, die ebenfalls an den Folgen einer Thallium-Vergiftung starb.
Warum er nach acht Monaten Gerichtsverhandlung erst am Schluss sein Schweigen gebrochen hat, erklärt er mit der zunehmenden Gewissheit, möglicherweise in einer Sicherungsverwahrung für immer hinter Schloss und Riegel zu landen. Noch bei der Verlesung der Anklage im September 2022 habe er gedacht: „Mir war klar, dass ich die Taten nicht begangen habe und ich mich deshalb nicht greifbar gemacht habe.“
Martin B. bleibt bei der Version eines unfreiwilligen Giftunfalls
Sicher, eine lebenslange Haftstrafe, die in der Regel nach 15 Jahren Gefängnis zur Bewährung ausgesetzt wird: „damit hätte ich leben können, Britta zuliebe“. Schließlich habe er ursprünglich ja vorgehabt, „Brittas Geheimnis des freiwilligen Suizids mit ins Grab zu nehmen.“ Doch dann, als die Sicherungsverwahrung drohte, dämmerte es ihm und er schlussfolgerte für sich: „Das kann nicht in Brittas Sinn sein.“ Deshalb habe er sich entschlossen zu reden. Zumal ein Gespräch mit dem Gefängnisseelsorger ihn darin bestärkt habe.
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Auch im Fall von Theres, der damals schwangeren Ex-Partnerin, bleibt Martin B. (42, alle Namen geändert) bei der Version eines unfreiwilligen Giftunfalls. Dass die Freundin mit nahezu identischen Symptomen wie Britta ein Jahr zuvor in die Klinik kam und nur deshalb gerettet wurde, weil die Ärzte an keinen Zufall glaubten, da die verstorbene Ehefrau im selben Krankenhaus mit denselben mysteriösen Symptomen behandelt worden war, mit demselben Mann an der Seite, und deshalb die Ärzte Alarm geschlagen hatten, kann der Angeklagte nicht nachvollziehen.
Die Beschwerden der schwangeren Theres seien „ganz anders“ gewesen, zu keinem Zeitpunkt habe er an eine Thalliumvergiftung gedacht. Vielmehr habe er die Schmerzen von Theres „mit der Schwangerschaft in Verbindung gebracht“. Und überhaupt: „Theres hatte Marmorierungen an den Knien, Britta hatte Atemnot.“ Nein, für ihn habe es da keinerlei Verdachtsmomente gegeben.
Warum dann die Suchanfragen im Netz auf seinem Computer, zum Thema „Schwangerschaft und Thallium, Gefährlichkeit“, will der Staatsanwalt wissen und erhält eine Antwort, die beim Ankläger für ungläubiges Kopfschütteln sorgt. „Irgendwann kam mir zwar die Idee, aber dann habe ich das für Paranoia gehalten, dass es da einen Zusammenhang gibt.“
Schließlich wird auch sein immer wieder erwähnter „unerfüllter Kinderwunsch“ hinterfragt. „Warum denn die Vasektomie?“ - So früh habe er noch keine Kinder gewollt, kommt als Antwort, obwohl er in seiner Einlassung bereits während seiner Zeit als Zivildienstleister in einem Krankenhaus sich bei einer Entbindung im Kreißsaal geschworen haben will, unbedingt bei der Geburt des eigenen Kindes dabei zu sein.
Erst in der Ehe mit Britta hatte er die Sterilisierung rückgängig gemacht. Und sich dann trotz Partnerschaft (sowohl in der Ehe als auch danach mit der Lebensgefährtin) im Internet auf Kinderwunsch-Seiten mit Aliasnamen als Samenspender angeboten. Angeblich sogar auf Initiative der Ehefrau: „Sie dachte, aufgrund ihrer Histaminallergie könne sie keine Kinder bekommen, davon war sie überzeugt.“
Und sie habe seinen innigen Wunsch, „mit einem Kind etwas von mir in der Welt zu hinterlassen, auch wenn ich das Kind dann niemals kennenlernen würde“, respektiert und verstanden, deshalb ihr Einverständnis zu der Samenspende gegeben.
Auf die Frage nach dem Warum kommt keine Antwort
Als seine Lebensgefährtin zum dritten Mal schwanger wurde (die ersten beiden Schwangerschaften waren Fehlgeburten) hatte er zeitgleich eine weitere Frau geschwängert und dieser zugesichert, für das gemeinsame Kind da zu sein. Ohne, dass Theres davon etwas ahnte. Auf die Frage nach dem Warum kommt keine Antwort.
„Es ist ein Schlag ins Gesicht“, kommentiert die Vertreterin der Nebenklage für die hinterbliebenen Angehörigen das Gehörte. Auf ihre Mandanten habe die Einlassung des Angeklagten „zutiefst verstörend und überaus schmerzhaft“ gewirkt und „zusätzliche emotionale Schäden verursacht“. Das Gericht jedenfalls hat keine weiteren Fragen mehr, hält die Beweisaufnahme für abgeschlossen. Eigentlich könnte plädiert werden. Doch die nächsten Beweisanträge der Verteidiger sind bereits in der Mache.