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Rhein-ErftDrei Katholiken erzählen, warum sie trotz Kritik Teil der Kirche bleiben

Lesezeit 4 Minuten

Nicht alle Katholiken sind mit der Haltung von Kardinal Woelki glücklich.

Brühl/Pulheim-Stommeln – Nicht zuletzt der Umgang mit den Missbrauchsskandalen und das Verhalten des Kölner Kardinals Rainer Maria Kardinal Woelki hat viele Menschen zum Kirchaustritt bewogen. Was hält die anderen noch in der katholischen Kirche? Der Glaube, klar. Aber auch Hoffnung und der Wille, die Kirche zu reformieren, sagen Mitglieder der Gemeinden in Brühl und Pulheim-Stommeln. „Die Frage, zu gehen oder zu bleiben, um an etwas zu arbeiten, stellt sich für mich immer wieder in vielen Bereichen des Lebens“, so die 37-jährige Elisabeth Menke.

Die Brühler Sopranistin und Mutter dreier Kinder fühlt sich im Glauben verwurzelt. Sie möchte in der Kirche bleiben, auch um sie von innen heraus zu verändern. „Die Kirche ist für mich ein Ort der Begegnung, der mir Kraft gibt und Gemeinschaft bedeutet. Ich bin mit meinen Geschwistern ökumenisch aufgewachsen. Den Glauben lebe ich auch jetzt mit meiner Familie weiter“, erzählt sie.

Reiner Besse

Für Reiner Besse aus Brühl ist „Kirche ein Stück Heimat. Ich bin hier getauft worden, zur Kommunion gegangen, habe hier meine Firmung, meine Heirat erlebt. Das verlässt man nicht ohne Weiteres“, so der 66-Jährige. Seit vielen Jahren engagiert er sich unter anderem bei Pax Christi und im Begegnungszentrum Margaretas. Für ihn ist das ein Ort, der für alle offen ist, eine Schnittstelle zwischen Welt und Gemeinde.

Kritische Haltung seitens der Katholiken in Rhein-Erft

„Ich bin seit 60 Jahren katholisch, habe mich in der katholischen Jugend – und Studentenarbeit engagiert, das hat mich geprägt“, berichtet Reinhard Gewers aus Stommeln. Die Frage des Austritts stellte sich der 61-Jährige in der Vergangenheit mehrmals, so bereits bei der Aufdeckung der sexuellen Missbrauchsfälle am Canisius-Kolleg in Berlin 2010. Er kritisiert „die sich entwickelten absolutistischen klerikerzentrierten Strukturen in der Kirche, die nicht mehr in unser Selbstverständnis, in unsere Zeit passen“. Darüber und auch über seine Austrittsgedanken redete er in der Gemeinde und im letzten Frühjahr auch bei einer Visitation in Stommeln mit dem zuständigen Weihbischof, ohne befriedigende Antworten zu bekommen. „Aber wenn ich gehe, ist meine Stimme in der Kirchengemeinde weg“, ging und geht es ihm heute wieder durch den Kopf. Glauben funktioniert für ihn nur mit Menschen.

Reinhard Gewers

Die Glaubensgemeinschaft ist ihm wichtig. Vor Ort will er etwas verändern. Im vergangenen Mai stieß er die Initiative an, an der bundesweiten Aktion „Liebe gewinnt. Liebe ist ein Segen“ dabei zu sein. Mit drei anderen Gläubigen organisierte er einen Gottesdienst in Stommeln, bei dem auch Paare, die in einer offenen Beziehung leben, und homosexuelle Paare gesegnet wurden. Am jüngsten Valentinstag wiederholten sie eine solche Gottesdienstfeier.

Unfassbare Wut macht sich unter den Gläubigen breit

Für Menke und Besse heißt Glauben ebenso, Kritik zu üben. Anlässe gibt es genug: „Der jüngste Missbrauchsskandal und seine Aufarbeitung haben gezeigt, dass vieles da passiert ist, was man so nicht für möglich gehalten hat“, erklärt Besse. „Das Vertuschen ruft eine unfassbare Wut hervor“, empfindet Menke.

Elisabeth Menke

Für sie gilt, „der Schutz der Betroffenen muss im Mittelpunkt stehen, die katholische Kirche darf sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen, sich selbst und andere täuschen und Täter schützen. Alles muss schonungslos aufgeklärt und alle Fakten müssen eindeutig benannt werden“. Sie vermisst eine Fehlerkultur. „Denn Menschen sind fehlbar. Verantwortliche Würdenträger müssen sich entschuldigen, ohne dass sie ein persönliches Versagen von sich weisen. So verliert die Kirche ihre eigenen Werte aus den Augen“, führt sie aus.

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Vertrauen könne nur wieder mit veränderten Strukturen entstehen, verbunden mit Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt, resümieren alle drei Katholiken. Dazu müssten alte Machtstrukturen aufgebrochen werden. Sie plädieren für die Aufhebung des Zölibats für katholische Priester und die Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern, treten dafür ein, den einzelnen Diözesen mehr Freiheiten und Eigenverantwortung zuzugestehen und wiederverheiratete Geschiedene und Homosexuelle nicht auszugrenzen. Dazu gehöre auch der Verzicht auf arbeitsrechtliche Sanktionen für queere Beschäftigte der Kirche, findet Besse.

Das Kirchenrecht dürfe kein Instrument sein, um eine kirchliche Sexual- und Beziehungsmoral durchzusetzen, die die Lebenswirklichkeit von Menschen außer Acht lasse. Er sieht für diese Entwicklungen „positive Anzeichen“ im Synodalen Weg.