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„Feindliche Übernahme”Kardinal Woelki entmachtet Rektor – was steckt dahinter?

Lesezeit 4 Minuten
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Kardinal Woelki auf dem Weg zum Kölner Dom

  1. Über die Absetzung von Peter Ramers als Chef der kirchlichen Hochschule in St. Augustin waren weder Ramers noch die Gremien der Hochschule informiert.
  2. Der Nachfolger soll Kardinal Woelkis Positionen durchsetzen. Ramers spricht von einem Paradigmenwechsel.
  3. In diesem Konflikt geht es nicht zuletzt um die Freiheit der theologischen Forschung.
  4. Die Hintergründe.

Einen letzten kleinen Triumph gönnte Peter Ramers sich noch. Seine Absetzung als Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Steyler Missionare in Sankt Augustin machte der Geistliche selbst öffentlich, kurz bevor das Erzbistum Köln als treibende Kraft sie bekanntgeben konnte.

Ramers hatte erst am 2.  Oktober durch ein Schreiben aus Rom davon erfahren, dass seine Amtszeit bereits einen Tag zuvor beendet war und er von Stund an „keinerlei Funktionen im Rahmen der Hochschulverwaltung mehr ausüben“ darf.

Auf Betreiben von Kardinal Rainer Woelki setzte die Bildungskongregation des Vatikans den Kölner Priester Christoph Ohly, derzeit Professor für Kirchenrecht in Trier und Leiter eines „Schülerkreises“ des früheren Papstes Benedikt XVI., als Interimsrektor ein.

„Wer’s an der Uni nicht schafft, macht rüber“

Ramers spricht von einem „Paradigmenwechsel“, ein Kenner der Materie von einem „Handstreich“ und einer „feindlichen Übernahme“ durch das Erzbistum, das Anfang des Jahres mit einer Geldspritze von 150.000 Euro das Überleben der wirtschaftlich angeschlagenen Ausbildungsstätte in Sankt Augustin gesichert und im Juni die Errichtung einer Stiftung zur weiteren Finanzierung durch das Erzbistum angekündigt hatte.

Von Zahlungen des neuen Trägers in Höhe von jährlich 1,2 Millionen Euro für sechs Jahre war damals die Rede. Zur Begründung für dieses Engagement sagte Woelki, er wolle „die Vielfalt des Theologiestudiums im Erzbistum Köln erhalten und fördern“.

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Traditionell wird die immer kleiner werdende Gruppe von Priesteramtskandidaten des Erzbistums Köln an der Universität Bonn ausgebildet. Für einige von ihnen war auch schon bisher Sankt Augustin der Ort der zweiten Wahl. „Wer’s an der Uni nicht schafft, macht rüber“, lautet ein in Theologenkreisen verbreiteter süffisanter Spruch.

Kirchen- und wissenschaftspolitisch brisanter ist, dass sich Woelki durch eine eigene ausgebaute kirchliche Fakultät mit Promotionsrecht die Möglichkeit sichert, Theologen nach seinem Gusto ausbilden zu lassen, bis hin zur Verleihung des Doktortitels.

Letztlich macht sich der Erzbischof damit von der Theologie an der staatlichen Universität in Bonn unabhängig – ein nicht unerhebliches Druckmittel auf die dortigen Wissenschaftler der Katholisch-Theologischen Fakultät, wie Kritiker argumentieren.

Würde das Erzbistum seine Priesteramtskandidaten sämtlich von Bonn abziehen und künftig nach Sankt Augustin schicken, würde die Fakultät in Bonn ihre in Verträgen zwischen Staat und Kirche verbriefte Bestandsgarantie verlieren.

Über den Führungswechsel an der Hochschule in Sankt Augustin, den die Bildungskongregation „im Einvernehmen“ mit Woelki veranlasste, waren augenscheinlich weder die bisherige Leitung noch die Gremien der Hochschule informiert. Diese müssen den neuen Statuten zustimmen, die das Erzbistum im Juli an die Hochschulleitung gesandt hatte.

„Es sieht alles danach aus, dass Woelki das Rektorat und im nächsten Schritt auch die grundsätzlich eigenständigen Hochschulgremien so besetzt wissen will, dass sie dem Statutenwechsel nichts entgegensetzen“, urteilte ein Insider. Dafür sei Ohly aus Sicht des Erzbischofs genau der Richtige.

Was indes von den Lorbeerkränzen zu halten ist, die der Kardinal seinem neuen starken Mann als „einem der renommierten Theologen Deutschlands“ und „profilierter Persönlichkeit“ windet, geht unfreiwillig und mit einer gewissen Komik aus dem Schreiben zu Ohlys Ernennung aus Rom hervor: Seinen Namen kannte offenbar nicht einmal die ernennende Behörde so genau. Jedenfalls schreibt sie konsequent vom „hochwürdigen Herrn Ühly“.

Der vollmundige Verlautbarungsstil des Erzbistums passt zur Art, wie Köln im Juni die Übernahme von Sankt Augustin angekündigt hatte: Es sei dies eine „herausragende Chance, mit einer eigenen Hochschule verstärkt in einen akademischen Dialog mit der Zivilgesellschaft eintreten zu können“.

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Angesichts der Tatsache, dass eben diese Zivilgesellschaft nur wenige Kilometer entfernt in Bonn eine Exzellenz-Universität unterhält und dort sogar eine katholische Fakultät finanziert, klingt die Vorstellung von Sankt Augustin als künftigem Hotspot des akademischen Diskurses zwischen Kirche und säkularer Welt nicht nur in den Ohren Bonner Wissenschaftler wie Hohn.

Fachleute für kirchliche Vermögensverwaltung beschäftigt unterdessen noch eine ganz andere Frage: Wie passt eine teure Parallelstruktur für die Theologenausbildung, die sich das Erzbistum Köln künftig mit Sankt Augustin leisten will, zur kirchenrechtlichen Verpflichtung auf sparsamen, sorgsamen Umgang mit dem Geld der Gläubigen?

Und wie muss wohl eine kirchliche Stiftung ausgestattet sein, um mit deren Erträgen auf Dauer einen millionenschweren Hochschulbetrieb unterhalten zu können?