Windeck – „Eine solche Gastfreundschaft gibt es bei uns nicht.“ Inge Jung ist nach 50 Jahren noch immer beeindruckt und begeistert. Im Sommer 1972 gehörte sie zu jener Gruppe junger Windecker, die mit ihrer Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) nach Israel fuhren. Jetzt trafen sie sich in Altwindeck wieder. Wie schon einmal vor 25 Jahren wurden Fotos betrachtet, Erinnerungen ausgetauscht. Ganz besondere Aufmerksamkeit galt einem Tagebuch mit Fotos, das Evi Schmitt seinerzeit aufgezeichnet hatte.
„Wir sind ja hier nie raus gekommen,“ versucht Inge Jung die Bedeutung der Reise damals zu umreißen. Zusammen mit „PePa“, Pastor Peter-Paul Mane, machten sich die jungen Leute Mitte Juli 1972 auf den Weg. Mit dem Zug ging’s über München nach Griechenland und per Schiff weiter ins Heilige Land.
„Zum ersten Mal französische Küche“, erinnert sich Ferdi Patt an die Überfahrt, „ein Gruß aus der Küche, kleine Häppchen und eine Flasche Wasser auf dem Tisch – wir hatten eine steile Lernkurve“. Neben vielen anderen Begegnungen hat den damals fast 21-jährigen Patt ein Treffen mit Holocaustüberlebenden tief geprägt. Sein Wissen über die da gerade knapp 30 Jahre vergangenen deutschen Gräueltaten hatte er sich aus Zeitungen und Gesprächen mit Opa und Vater zusammengetragen. „In der Schule haben wir das nie besprochen.“
Der Austausch mit den Gastgebern, jungen katholischen Palästinensern, hat Gabriele Bredenbrock tief beeindruckt. Mit ihnen war sie im streng bewachten Ostjerusalem. „Irgendwo wurde eine Hochzeit gefeiert, wir haben an einer Tür geklopft und wurden spontan zum Mitfeiern eingeladen.“ Der Zusammenhalt in den Kleingruppen sei toll gewesen. Spontan hätten die CAJ-ler in einem SOS-Kinderdorf eine Patenschaft übernommen und das auch 25 Jahre lang durchgehalten.
An schwer bewaffnete israelische Wachleute und an eine „sehr bedrückende Stimmung“ in der Altstadt Jerusalems erinnert sich Ellen Becker. Wochen später sei sie sehr froh gewesen, dass die palästinensischen Gäste ihren Gegenbesuch in Windeck Anfang September 1972 schon wieder beendet hatten, als Terroristen israelische Sportler im Olympischen Dorf überfielen.
Für Peter Demmer war der Besuch in Israel 1972 damals nicht sein erster. Schon 1966 war er über Jordanien eingereist, hatte 1970 in einem Kibbuz gearbeitet. Auch später war er mit anderen Gruppen wieder im Land. „Über den Kirchturm hinaus zu blicken, war mir immer wichtig.“ Bis heute erinnert er sich an den „Flair der Jerusalemer Altstadt“ und an eine Messe, die PePa am See Genezareth spontan las. „Da denken auch viele andere noch dran.“
Die Heimfahrt gestaltete sich für Demmer dann nicht ganz so einfach. An der jugoslawischen Grenze stellte sich heraus, dass die mitfahrenden katholischen Palästinenser und CAJ-Gäste kein Transitvisum besaßen. Folglich ging es zurück nach Griechenland und mit dem Flieger nach München. Später hätten die Windecker ihren Gästen noch eine Besichtigungstour zusammengestellt, berichtet er.
Dass die CAJ-Gruppe im heimischen Dattenfeld seinerzeit nicht nur durch ihren Israelbesuch auffiel, weiß Ferdi Patt zu berichten. „Wir haben Jazz in der Kirche gespielt, da meinten ein paar Alte, der Dom müsste neu geweiht werden.“ Ein anderes Mal habe die katholische Jugend für den Bau des evangelischen Kirchturms gesammelt. „Sie glauben ja nicht, was da abging“, berichtet Patt. Bis heute hat er sich einen Grundsatz bewahrt: „Die Jugend muss gestalten.“ Fridays for Future sei schließlich „die Antwort darauf, dass wir sie nicht gehört haben.“