Neunkirchen-Seelscheid – Das rebellisch-anarchistische Momentum gehört für ihn zum Karneval dazu, nur liebenswert muss es sein. Wer Burkard Sondermeiers „Camarata Carnaval“ kennt, glaubt ihm das sofort, erst recht bei seinem neuen Programm „Karneval einmal rebellisch“. Jetzt haut der 74-Jährige noch einmal so richtig einen raus. Karneval wegen Corona abzusagen geht für den Künstler aus dem Kunsthaus Seelscheid so gar nicht, deshalb hat er einen aufsehenerregenden Rettungsplan für den Kölner Rosenmontagszug geschmiedet.
Denn den schickt er nicht als kompletten närrischen Lindwurm über den Zugweg durch die Domstadt. Stattdessen platziert er die Fest- und Mottowagen auf die Gleise der Deutzer Brücke. Die Jecken können von Deutz auf die andere Rheinseite und umgekehrt daran vorbei laufen, natürlich mit corona-korrektem Abstand. Masken sind ja eh Pflicht in der fünften Jahreszeit. Und: „Das kann natürlich nur die Deutzer Brücke sein“, sagt Sondermeier. „Sie ist flach, hat keine Pylone, die die Sicht versperren könnten und sie verbindet zwei Ufer, die architektonisch interessant sind.“
Die komplette Aufstellung lässt sich aber nicht auf einmal realisieren, ist der Schlag zur schäl Sick doch gerade mal 500 Meter lang, der Zug selbst aber was um die sechs Kilometer. Natürlich hat der Rebell das berücksichtigt. Die Präsentation läuft „von Wieverfastelovend an bis Fastnacht is am eng“, so hat er es in einem eigenen Liedchen formuliert. Während dieser Zeit könnten die Wagen regelmäßig ausgetauscht werden – eine Wanderausstellung unter freiem Himmel sozusagen.
Für die Fußgruppen gäbe es genug zu tun. „Die blauen und roten Funken, Prinzen- und Ehrengarde, Bürgerwehren und Reiterkorps könnten als Wachpersonal arbeiten. Desinfizieren, Masken- und Zugangskontrolle, gute Stimmung machen, das können die ja.“ Die Besucher müssten sich für einen Brückentag nach ihrer Wahl anmelden.
Die Idee, den Zug 2021 abzusagen und dann an den Start zu gehen mit „2022, das wird ein Zug, den werdet ihr nie vergessen“, hält Sondermeier für den falschen Ansatz. „Diese Zäsur schenkt uns die Möglichkeit, anders herauszukommen aus dem Hamsterrad.“
Bleibt die Frage nach dem Dreigestirn. „Die können ja nicht sechs Tage am Stück Strüßjer un Kamelle schmieße.“ So kommt die Tollitäten-Ersatzbank ins jecke Spiel. Wer Lust hat, könnte, vielleicht mal Prinz, Bauer oder Jungfrau für eine Stunde sein, natürlich mit Voranmeldung. Sondermeier wäre dabei: „Ich biete freiwillig an, die Schicht am Karnevalsfreitag von 16 bis 17 Uhr zu übernehmen.“ Aber er nimmt, was gerade noch frei ist. Und sieht das Projekt auch emanzipatorisch, Frauen könnten endlich ins höchste Narrenamt Einzug halten.
Sondermeiers spektakuläre Idee hat Wilhelm Schlote jetzt in ein wunderbares Plakat umgesetzt. Die Fische schauen aus dem Rhein zu, eine Flussjungfrau greift nach den Kamellen, im Hintergrund stehen Dom und Hohenzollernbrücke und ganz oben schlägt ein gerade noch so erkennbarer Sondermeier dat Trömmelche. „Zum Zug könnten ja Schiffe vor Anker gehen wie bei Rhein in Flammen und der Rheinboulevard wäre eine prima Tribüne“, spinnt der 74-Jährige weiter. Was der Kölner Festkomiteepräsident Christoph Kuckelkorn von dem Projekt hält?
„Er hat mich noch nicht angerufen, das Kunsthaus steht im Telefonbuch.“ Die Frage nach dem Berg und dem Propheten will Sondermeier jetzt noch mal überdenken. Vielleicht meldet sich Kuckelkorn ja. Aber erst mal will der Rebell allen unliebsamen Krippenfiguren, also Schwarzen und People of Color, Asyl im Kunsthaus gewähren, ab dem 1. Advent bis zum 6. Januar.
Das Plakat im Format 70 X 100 Zentimeter gibt es als Kunstdruck auf 300 Gramm-Papier bei Wilhelm Schlote, Luxemburger Straße 264, 50937 Köln.