Niederkassel – Menschen türkischer Herkunft entdecken die politischen Parteien für sich – auch in Niederkassel. Bei der CDU tritt ein gebürtiger Türke als Kandidat für den Stadtrat an, die SPD präsentiert drei Bewerber mit türkischen Wurzeln.
Ein prominenter Vertreter der türkischstämmigen Bevölkerung ist Adem Çakır. Der Bauunternehmer engagiert sich schon seit Jahren für den Niederkasseler Norden, sein Spende hat wesentlich zum Bau des Bürgerparks in Ranzel beigetragen.
Der 51-Jährige stammt gebürtig aus Samsun, einer Millionenstadt am türkischen Teil des Schwarzmeeres. Im Alter von 22 Jahren kam er für sein Bauingenieur-Studium nach Bremen. Çakır ist heute unternehmerisch in der Türkei und in Deutschland aktiv. Seine deutsche Niederlassung „Çakırlar“ gibt es seit acht Jahren. Seit vier Jahren ist er CDU-Mitglied.
Warum wählt er als Muslim ausgerechnet die Partei mit dem „C“ im Namen als politische Heimat? „Die Zeiten haben sich geändert“, sagt Çakır und winkt lachend ab. „Inzwischen gibt es einige Muslime in der CDU.“ In der konservativen Partei habe man Verständnis dafür, dass Unternehmer „sehr viel fleißiger sein müssen als viele andere“. Çakır ist Mitglied im Bundesvorstand der türkisch-deutschen Industrie- und Handelskammer. Stolz erzählt er, dass ihm die Bundeskanzlerin bei einem Treffen in Berlin die Hand geschüttelt hat. „Unsere Angie“ mache das schon richtig in Europa, findet er. In Niederkassel will Çakır dafür sorgen, dass Menschen aller Einkommensklassen vor Ort Einkaufsmöglichkeiten finden. „Die Gierslinger Straße in Ranzel mit den vielen preisgünstigen Geschäften ist für mich die Champs-Elysées von Niederkassel.“
Auch schon ein bekanntes Gesicht ist Hilmi Elmas. Denn dem 42-Jährigen gelang es bei den letzten Wahlen zum Niederkasseler Integrationsbeirat, viele Stimmen auf sich zu vereinigen. Jetzt will er es auch im Stadtrat wissen und kandidiert in Wahlkreis 25. „Wir Türken sind Teil der Stadt, besonders des industriell geprägten Nordens“, sagt Elmas, der bei der Evonik im Schichtdienst als Industriemeister Chemie arbeitet.
„Die erste Einwanderer-Generation – mein Vater, meine Mutter – würde sich zu politischen Fragen nie äußern. Aber ich will, dass unsere Stimme gehört wird.“ Der verheiratete Vater dreier Söhne ist auch im Moscheeverein aktiv. Dort setzt er sich dafür ein, „die jungen Leute von der Straße zu holen“, zum Beispiel durch Info-Abende zur Berufsbildung. „Es ist wichtig, dass die Jungs bessere Schulabschlüsse machen, damit sie schnell eine Lehrstelle finden.“
Der Jüngste im SPD-Dreierbund ist Aziz Eren Çöçelli. Der 19-jährige Lülsdorfer ist im Rheinland geboren und studiert an der Uni Köln auf Lehramt. Seit einem Besuch im Berliner Willy-Brandt-Haus schlägt Çöçellis Herz für die Sozialdemokratie. Großes Vorbild ist der Reichstagsabgeordnete Otto Wels, der sich gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz stemmte. „Beeindruckend, wenn jemand bedingungslos für gute Ziele eintritt, auch wenn er vielleicht mit dem Leben dafür bezahlen muss.“ So dramatisch geht’s im Klein-Klein der Kommunalpolitik dann doch nicht zu – hier warten andere Herausforderungen.
Die SPD-Kandidatur für Wahlkreis 40 hat der Tekin Aslan inne. Der Vater von drei Kindern arbeitet am Flughafen Köln/Bonn als Auditor bei der Firma UPS. „Dabei geht es um die Kontrolle von Frachtgut“, verrät Aslan. Für Niederkassel wünscht sich der gelernte Gas- und Wasserinstallateur mehr Familienfreundlichkeit. Das fange schon bei fehlenden Spielplätzen an. „Als meine Tochter zwei Jahre alt war, wollte ich sie in der Kita anmelden“, erinnert er sich, „aber sie bekam erst mal keinen Platz in einer städtischen Tagesstätte.“ Ähnlich sei es gelaufen bei der Anmeldung für die Offene Ganztagsschule: „Es gab eine lange Warteliste.“ Aslan will dafür sorgen, dass es künftig anderen Eltern besser geht.
Der 36-Jährige hat 2001 mit Freunden den Fußballverein Vatanspor Lülsdorf gegründet. Anfangs habe es Reibereien gegeben mit dem etablierten Verein im Norden, der Spielvereinigung Lülsdorf-Ranzel. Es gab Kämpfe um knappe Trainingszeiten auf dem Sportplatz. Aber auch Vorurteile.
Empörende Sprüche
So habe es von der Lü-Ra geheißen: „Ich sprecht doch nur Türkisch in eurem Verein, das ist nicht gut für die Integration“. Solche Sprüche findet Aslan empörend. „Wir haben Jugendliche der zweiten oder dritten Einwanderergeneration bei uns – da wird fast immer Deutsch geredet!“ Außerdem wünscht er sich Anerkennung dafür, dass Vatanspor aus dem Stand sechs Jugendteams und eine Herrenmannschaft gründen konnte. „Das waren alles Jungs, die in keinen deutschen Verein gegangen wären. Die hätten auf der Straße gestanden!“ Von den Parteien habe nur die SPD Rückhalt gegeben.
Aslan ist bis heute Vorsitzender von Vatanspor. Und von dort kennt er auch Adem Çakır. Der CDU-Mann finanziert den Verein seit einem Jahr, deshalb wurde der Verein auch umbenannt zu „Vatanspor Çakırlar“. Beim Fußball scheinen Parteigrenzen zu verschwinden: „Er ist’n guter Junge“, sagt Çakır über Aslan. Und der findet den Sponsor „voll in Ordnung“.