Teils scharfe Kritik an der Position von Troisdorfs Bürgermeister Alexander Biber kommt aus dem Bundestag. Auch aus der eigenen Partei.
Bundesweite DebatteNRW-Landesregierung unterstützt Ausbau der Rüstungsproduktion in Troisdorf
„Dass sich hier das Schicksal der Ukraine entscheidet“, moderierte Tagesthemen-Sprecher Ingo Zamperoni den Beitrag über den Rüstungsstandort Troisdorf an – um im nächsten Satz auch schon wieder einzuschränken: „Das ist wohl ein wenig zu hochgegriffen.“
Dennoch widmeten die Tagesthemen der Diskussion um die Zukunft des alten Standorts von Dynamit Nobel und die dort ansässigen Firmen, die Sprengmittel und Zünder herstellen, mehrere Minuten Sendezeit. „Denn zumindest zeigt sich im nordrhein-westfälischen Troisdorf, wie sich Deutschlands globales Engagement und die regionalen Interessen von Kommunen manchmal entgegenstehen“, sagte Zamperoni weiter.
Norbert Roettgen hält Erweiterung von Rüstungsunternehmen für selbstverständlich
Wie berichtet, möchte die Mutterfirma Diehl Defence den Standort der Tochterfirma Dynitec in Troisdorf ausbauen. Gegen den Verkauf durch Dynamit Nobel hatte sich von Beginn an Bürgermeister Alexander Biber (CDU) ausgesprochen. Am Ende der Stadtratssitzung in der vergangenen Woche stand eine Mehrheit für das Ansinnen Bibers, den entsprechenden Bebauungsplan um die aktuell zum Verkauf stehende Fläche zu erweitern. Nur die SPD-Fraktion und die FDP stimmten dagegen. Außerdem beschloss die Ratsmehrheit auch eine Vorkaufsrechtssatzung für dieses Gelände.
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Am Dienstag äußerten sich nun auch erstmals Bundestagsabgeordnete aus dem Rhein-Sieg-Kreis auf Anfrage. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Produktionskapazität in der Rüstungsindustrie den Erfordernissen angepasst wird – und zwar schnell. Klar ist, dass dafür auch Unternehmensstandorte erweitert werden müssen“, sagte Norbert Roettgen (CDU). Ihm sei bewusst, dass dies zu schwierigen Abwägungen gerade auch in den Kommunen führe und Prioritäten neu justiert werden müssten, räumte der Abgeordnete aus Königswinter ein.
„Zu der Situation in Troisdorf habe ich Gespräche geführt. Ich bin in die Entscheidung jedoch nicht involviert und habe davon auch erst erfahren, als die politische Meinungsbildung bereits abgeschlossen war.“
Klarer positioniert sich Roettgens Parteifreundin Elisabeth Winkelmeier-Becker. „In der aktuellen Situation wäre es aus übergeordneten Gründen klug, die Herstellung von benötigter Munition zu ermöglichen. Die Interessen der Stadt müssen dabei angemessen berücksichtigt werden“, sagt die Siegburger CDU-Bundestagsabgeordnete auf Anfrage der Redaktion. „Ich hoffe, dass hier schnell eine gute und klare Lösung gefunden werden kann.“
SPD-Bundestagsabgeordneter Hartmann fordert von Troisdorfer Politik Umdenken
Für den SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Hartmann, der auch Vorsitzender der SPD im Rhein-Sieg-Kreis ist, geht es bei der Diskussion auch um die Frage der nationalen Souveränität. „Wir dürfen uns beim Thema Rüstung und Verteidigung nicht von den Entscheidungen anderer abhängig machen“, sagt er. Das habe die Diskussion über die von Deutschland gewünschte Lieferung von Munition für den Panzer „Gepard“aus der Schweiz an die Ukraine gezeigt. Die Troisdorfer Politik müsse sich deshalb bewusst sein, dass sie eine Frage von nationaler oder gar globaler Bedeutung behandele.
Für Hartmann hat das Thema auch eine industriepolitische Komponente. Es sei völlig klar, dass es für die Produkte von Dynitec eine Nachfrage gebe. „Die können wir durch eine Produktion in Troisdorf befriedigen, wo die Beschäftigten zu guten Bedingungen arbeiteten, fair bezahlt, mit Tarifvertrag. Das geht aber auch irgendwo anders in der Welt, zu Bedingungen, auf die wir dann keinen Einfluss haben.“ Im Übrigen gebe es für Dynitec-Produkte Einsatzmöglichkeiten weit über die Rüstungsbranche hinaus.
Strack-Zimmermann hält die Debatte in Troisdorf für „bizarr“
Verwundert zeigte sich der SPD-Kreisvorsitzende darüber, dass bei der Diskussion über die Erweiterung von Dynitec jetzt das Thema Wohnungsbau ins Spiel gebracht werde. Bislang habe er den Troisdorfer Bürgermeister und dessen CDU nicht als Vorkämpfer für den Wohnungsbau erlebt. Es erstaune deshalb, dass in einer verteidigungs- und industriepolitischen Debatte jetzt mit dem Thema Wohnungsbau argumentiert werde.
In der vergangenen Woche war die Debatte bereits zum Thema im Bundestag geworden. Von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wollte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, wissen, ob ihm die Situation in Troisdorf bekannt sei. Dort „verhindere“ der CDU-Bürgermeister „seit Wochen“ den Ausbau der Kapazitäten für die Herstellung von Munition, kritisierte die Politikerin, die in den Tagesthemen am Montagabend, aus Washington zugeschaltet, nachlegte. Es sei „bizarr“, dass die deutsche Munitionsbeschaffung „an einer Kommune scheitert“, schimpfte die FDP-Politikerin.
NRW-Staatskanzlei unterstützt Ausbau der Rüstungsproduktion in Troisdorf
„Die Landesregierung äußert sich grundsätzlich unter Beachtung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht zu dem Abstimmungsverhalten einer Kommunalvertretung“, hieß es auf Anfrage aus der Düsseldorfer Staatskanzlei. Die Landesregierung unterstütze aber den Ausbau der Rüstungsproduktion in Troisdorf und sei dazu „im Austausch mit den zuständigen Stellen im Bund wie auch auf kommunaler Ebene“.
Wie bereits in der Stadtratssitzung schloss Bürgermeister Alexander Biber eine mögliche Verpachtung des Geländes an das Rüstungsunternehmen auch im Interview mit den ARD-Tagesthemen nicht aus: „Ich könnte mir ganz gut vorstellen, dass wir uns mit der Firma Diehl Defence darauf einigen können, dass die Stadt Troisdorf Eigentümer dieser Flächen wird. Dass wir aber langfristige Mietverträge, wie dies bisher auch Praxis war, weiterführen“, sagte Biber.
Gespräche mit Diehl Defence soll es bald geben. Ergebnis: offen.