Düsseldorf – Im seit Wochen währenden Streit um bessere Arbeitsbedingungen an den sechs Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen haben die Arbeitgeber einen ersten Vorschlag auf den Verhandlungstisch gelegt. Während die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und rund 1500 Klinik-Beschäftigte am Freitag bei einer landesweiten Demonstration in Düsseldorf ihre Forderungen untermauerten, gingen die Kliniken mit ihrem Angebot an die Öffentlichkeit. Der Vorschlag stößt bei Verdi auf wenig Gegenliebe.
„Die Universitätskliniken in NRW setzen sich im Rahmen der laufenden Gespräche mit der Gewerkschaft Verdi über einen Tarifvertrag Entlastung für einen weiteren Personalaufbau in der Pflege ein und wollen den erheblichen Personalaufbau der vergangenen Jahre damit fortsetzen”, hieß es in einer Mitteilung der sechs Unikliniken.
Im Kern heißt es in dem Vorschlag: „Danach würden ausnahmslos alle Kolleginnen und Kollegen, die in der Pflege am Patienten arbeiten, Entlastungstage bekommen. Diese können als freie Tage genommen werden.” Gleichzeitig wollen die Kliniken das Personal in mehrere Stufen aufstocken. So sollen den Pflegekräften im Schichtdienst in der ersten Entlastungsstufe fünf zusätzliche freie Tage ermöglicht werden. Wenn der geplante Personalaufbau und damit auch die Entlastung in der täglichen Arbeit der Beschäftigten gelingt, soll die Anzahl der freien Tage stufenweise wieder reduziert werden.
Verdi-Landesfachbereichsleiterin für Gesundheit und soziale Dienste, Kathrina Wesenick, zeigte sich enttäuscht. „Das ist eine Mogelpackung”, sagte Wesenick der dpa am Freitag. „Der Vorschlag spaltet die Belegschaften und ist gegebenenfalls weiter patientengefährdend.” Das Konzept berücksichtige nur Teile der in der Pflege Beschäftigten und sehe für sie eine pauschale Regelung von fünf zusätzlichen freien Tage vor. Damit sei ein Funktionieren der wichtigen Versorgungsketten in den Kliniken weiter nicht gewährleistet.
Der Verdi-Bundesvorsitzende Frank Werneke kündigte auf der Kundgebung in Düsseldorf an: „Wir machen so lange weiter mit dem Streik, bis es ein akzeptables Tarifergebnis gibt.” Und in einer Verdi-Mittelung am Nachmittag hieß es: „Das Angebot der Klinikvorstände bedeutet keine Entlastung für die Beschäftigten.” Die Gewerkschaft schlägt stattdessen ein Verfahren vor, „das direkt an der Gefahrenquelle ansetzt”. Dies bedeute: „Im Tarifvertrag Entlastung werden schichtgenaue Mindestbesetzungen für alle Bereiche im Krankenhaus vereinbart. Werden diese unterlaufen, entsteht in jedem Einzelfall ein Anspruch auf freie Tage.”
Die Klinken finden dagegen, sie gingen in Vorleistung: „Wir bauen über diesen innovativen Weg Personal auf - wie gefordert und auch von uns gewollt. Wenn wir das nicht im gemeinsam festgelegten Umfang schaffen, bleiben den Beschäftigten die Entlastungstage erhalten. Unsere Pflege kann also nicht verlieren: Entweder freie Tage oder mehr Personal, das entlastet” sagte Alexander Pröbstl, Pflegedirektor der Uniklinik Bonn. Der Weg sei „so einfach gestaltet, dass man nicht um einzelne Belastungssituationen streiten und auch keine zusätzliche Bürokratie schaffen muss, um komplizierte Regeln nachzuhalten”, ergänzte Peter Asché, Kaufmännischer Direktor des Universitätsklinikums Aachen. „Und das Wichtigste: Die Entlastung wirkt sofort.”
Politische Unterstützung bekamen die Pflegekräfte von der SPD-Landtagsfaktion. „Bisher bleiben ihre Forderungen offenbar ungehört. Dabei herrscht große Einigkeit darüber, dass die Pflegekräfte dringend Entlastung brauchen”, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Lisa-Kristin Kapteinat. Sie kritisierte die „Lippenbekenntnisse” der Landesregierung. Diese könne sich nach sechswöchigen Streikmaßnahmen noch immer nicht dazu durchringen, die Beschäftigten im Kampf um einen Entlastungstarifvertrag „auch wirklich zu unterstützen”.
Schwarz-Gelb trage für die Dauer des Streiks eine Mitverantwortung, betonte Kapteinat. „Es kann nicht sein, dass der Arbeitskampf wegen des zögerlichen Handelns der Landesregierung weitergehen muss.” Ein weiteres Hinauszögern des Konflikts sei „unwürdig” für alle Beteiligten. Die SPD-Fraktion will für das kommende Plenum einen Antrag stellen, in dem sie die NRW-Regierung auffordert, die Refinanzierung des derzeit verhandelten Tarifvertrags Entlastung unverzüglich zuzusichern.
Derweil zeigte sich NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in der „Rheinischen Post” (Freitag) besorgt. Die Streiks führten „auch zu Einschränkungen der Versorgung von Patientinnen und Patienten”, so Laumann. Dazu gehörten auch Verschiebungen planbarer Maßnahmen, „darunter operativer Eingriffe, soweit dies medizinisch vertretbar ist”. Die Streiks dürften nicht dazu führen, dass Notfälle oder schwer kranke Patienten nicht mehr behandelt werden könnten oder ihre Operationen so lange hinausgeschoben werden müssen, dass sich ihre Erkrankung deutlich verschlechtere und der Behandlungserfolg ausbleibe. Verdi und die Klinik-Kräfte verweisen stets auf die mit vereinbarten Notdienstvereinbarungen. Alles Notwendige sei geregelt und werde auch erledigt.
Die Gewerkschaft fordert die Einhaltung des Wahlversprechens der NRW-Landesregierung, einen Entlastungstarifvertrag zu finanzieren. Die Streiks an den Unikliniken gehen mittlerweile in die siebte Woche. Ein Streitpunkt in den derzeit laufenden Verhandlungen mit den Arbeitgebern ist laut Verdi die Entlastung im nicht-pflegerischen Bereich. Den Arbeitgebern wird eine Hinhaltetaktik vorgeworfen.
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