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Emotionale RuckredeMerkel warnt vor weiteren Tausenden Corona-Toten

Lesezeit 3 Minuten
Merkel MPK

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)

  1. Von Erschöpfung keine Spur: Die Kanzlerin hält eine eindringliche Rede zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Eine Verschärfung der Lockdown-Regeln erscheint wahrscheinlich.
  2. Unionsfraktionschef Brinkhaus warnt vor dem „Gift der Wut“. Lesen Sie hier die Hintergründe.

Berlin – Manchmal wirkt Angela Merkel wie eine Maschine. Als hätte es diese jüngsten Turbulenzen, die Schlaf- und Rastlosigkeit und ihre denkwürdige Bitte um Verzeihung nicht gegeben, wirft die Kanzlerin am Donnerstag im Bundestag den Motor für eine emotionale Ruck-Rede an.

Für den Blick nach vorn, trotz allem. Sie benennt die Versäumnisse bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Aber sie macht auch ganz deutlich: Es wird einen neuen, schärferen Lockdown geben, wenn die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht ausreichen. Und das tun sie ganz offensichtlich nicht. Das Robert-Koch-Instituts meldet mehr als 22.000 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. Merkel mahnt: Deutschland ist in einem exponentiellem Wachstum.

Ihre Regierungserklärung ist eigentlich als Vorschau auf den digitalen EU-Gipfel am Donnerstag angesetzt, bei dem die Staats- und Regierungschefs Druck auf den britisch-schwedischen Pharmakonzern Astrazeneca und das EU-abtrünnige Großbritannien machen. Astrazeneca will den EU-Staaten bis zur Jahresmitte nur 100 Millionen statt bis zu 220 Millionen Dosen liefern. Und bislang sind nach EU-Angaben zwar mehr als zehn Millionen Dosen von der EU nach Großbritannien gegangen, aber von dort keine einzige Dose gekommen -die in der EU verteilten Astrazeneca-Dosen stammten aus Werken in der EU. In einem Entwurf für die Gipfelerklärung, der RND vorlag, hieß es, Pharmakonzerne müssten die Einhaltung der vertraglich festgelegten Liefertermine sicherstellen.

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Merkel kommt in ihrer Rede aber schnell wieder zur Lage im Inland. Wie geht es nun weiter, nachdem sie den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zum Oster-Lockdown am Mittwoch geradezu spektakulär als ihren persönlichen Fehler benannt und ihn einkassiert hat? Sie verweist auf die bestehenden Möglichkeiten zu Kontaktbeschränkungen, auch zu Ausgangssperren, mahnt Verbesserungen beim gesamten Corona-Krisenmanagement in Deutschland an. Sie sagt: „Keinem Oberbürgermeister oder Landrat ist verwehrt, das zu tun, was in Tübingen und Rostock getan wird.“ Dort wird vor allem viel getestet, die Inzidenzwerte sind niedrig.

Geballte Fäuste

So viel Schutt und Asche, wie sie am Vortag auch über sich ausgekübelt hat – an allem will sie nicht schuld sein. Für 40.000 Schulen und Tausende Kitas könne der Bund keine Testinfrastruktur vorhalten - die Länder hätten versichert, dass für März und April ausreichend Tests bestellt seien, sagt sie. Und es sei nicht in Ordnung, wenn Impftermine trotz vorhandenen Impfstoffs nicht vergeben würden. Gegen Ende ihrer Rede ballt sie die Fäuste und drückt ihre Handflächen gegeneinander wie zum Gebet: „Es lohnt sich, um jeden zu kämpfen, dass er die Infektion nicht bekommt.“ Das sei die gemeinsame Aufgabe. „Mit möglichst viel Freiheit für jeden, mit möglichst viel Normalität für jeden. Aber auch mit möglichst viel Rücksicht darauf, dass nicht Tausende von Menschen noch sterben müssen.“

Nicht nur die Opposition hält anschließend kritische Reden. Auch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus redet Tacheles. Die inneren Verwaltungsabläufe funktionierten in Deutschland nicht schnell genug. „Das liegt nicht an den Menschen, die in der Verwaltung arbeiten“, ruft er. Es liege an dem Rahmen, den die Politik ihnen setze. Dann schimpft er: „Auf diesem Staatswesen liegt der Staub von 200 Jahren.“ Es brauche nicht nur eine Reform, es brauche eine Revolution. Und dann kommt er zum „schleichenden Gift“ in Deutschland, in der Bevölkerung, in den Medien, in der Politik. „Das Gift der Wut.“ Dies könne langfristig schlimmere Auswirkungen haben als die Pandemie.