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KommentarCorona-Infektionen in Schlachthöfen sind kein Zufall

Lesezeit 3 Minuten
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Die geschlossene Einfahrt zu einem Schlachthof. (Symbolbild)

  1. Deutsche Schlachthöfe entwickeln sich zunehmend zu Corona-Brennpunkten.
  2. Vor allem die Unterkünfte der osteuropäischen Leiharbeiter stehen in der Kritik. Die Behörden wollen sie jetzt genauer unter die Lupe nehmen.
  3. Könnte sich dabei nun eine ganze Branche verändern? Ein Kommentar.

Wer der Corona-Pandemie Optimistisches abgewinnen will, redet gern über die Zukunft der Arbeit, über Homeoffice und Digitalisierung. Die Visionen berichten von einer Welt, in der sich Arbeit der Lebenssituation anpasst – man arbeitet, wann und wo es am besten möglich ist. Die Bilder zeigen gern Digitalarbeiter im lichtdurchfluteten Heim. So stellen wir uns „New Work“ vor – die Neue Arbeit.

Die Bilder aus der Gegenwart zeigen fensterlose Hallen oder Schlichtbauten hinter Maschendraht. In den Hallen wird Fleisch verarbeitet, in den Wohnblocks leben die Menschen, die ins Land gekommen sind, um diese sehr alte Arbeit zu tun. „Old Work“ – gestern, heute und wahrscheinlich auch morgen. Auf zynische Art sind auch hier Arbeit und Leben symbiotisch verbunden.

Mindestabstand in der Fleischproduktion problematisch

Es hat sich durchaus etwas getan in der Fleischwirtschaft, Gesetze sind erlassen worden, Problembewusstsein ist gewachsen. Doch wie wenig das unter dem Strich bedeutet, zeigt die Infektionsstatistik. Zu Hunderten sind gerade Fleischarbeiter mit dem Corona-Virus infiziert. Auch wenn nicht geklärt ist, ob es nun an den Arbeits- oder an den Wohnbedingungen liegt: Als Zufall lässt sich diese Häufung nicht abtun. Zumal in der amerikanischen Fleischbranche das gleiche Phänomen zu beobachten ist.

Ein Teil des Problems liegt buchstäblich in der Natur der Sache. Die Fleischproduktion lässt sich nicht herauf- und herunterfahren wie ein Industriebetrieb – der Nachschub wächst unaufhaltsam heran. Und die Abläufe in den Hallen lassen sich nicht mal eben auf Mindestabstände umbauen.

Sammelbusse und Gemeinschaftsunterkünfte

Hinzu kommen dann oft Arbeitsbedingungen aus einem anderen Zeitalter: Gemeinschaftsunterkünfte für faktische Wanderarbeiter, die in Sammelbussen zu wechselnden Betrieben gefahren werden. Selbst wenn ein problembewusster Betriebsleiter Verhaltensregeln ausgibt, sind sie so viel wert wie der vergilbte Zettel mit der Hausordnung. Während sich die Öffentlichkeit über dumme Videos aus komfortablen Fußballer-Kabinen erregt, infizieren sich still Hunderte am anderen Ende der Wohlstandsskala.

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In den USA hat der Präsident auf seine Art zur Lösung beigetragen: Er ordnete das Weiterlaufen der Fleischfabriken an – unter Einhaltung der Vorschriften. Weil sie das nicht können, hatten sie geschlossen. Darüber kann man sich leicht mokieren, aber so viel besser machen wir es auch nicht. Auch hier ist die Produktion durchgetaktet, sollen die Regale jederzeit gefüllt sein und die Preise stimmen – das Ganze aber mit glücklichen Schweinen und sozial gesicherten Mitarbeitern. Es braucht die Corona-Welle in den Fleischbetrieben, um uns wieder einmal daran zu erinnern, dass alles zusammen nicht geht.

Regeln werden nicht überwacht

Es wäre schon etwas gewonnen, wenn wenigstens bestehende Regeln in der Branche wirksam überwacht würden. Aber dafür fehlt das Personal – die Kommunen sind klamm und Fachkräfte knapp. Gleichzeitig ist das System auf Effizienz und maximale Auslastung ausgelegt – die Ware muss unters Volk.

Allerorten wird jetzt vorausgesagt, wie diese Pandemie die Welt bleibend verändern wird. Natürlich kann man sich auch eine andere Fleischwirtschaft ausmalen. Wenn jetzt einige Betriebe stillstehen und in den anderen die Regeln konsequent durchgesetzt werden, wird das nicht ohne Folgen für den Markt und die Betriebe bleiben.

Veränderungen in der Branche, höherer Preis für Fleisch?

Aber allzu große Hoffnungen auf strukturelle Veränderung sollte man sich nicht machen – im Gegenteil. Fleischproduktion mit besseren Bedingungen für Mensch und Tier kostet mehr Geld. Und in einer Rezession, wie sie gerade heraufzieht, ist die Bereitschaft noch geringer als sonst, für den kleinen Luxus, der Fleisch eigentlich sein sollte, einen höheren Preis zu zahlen. Mit dem bewussten Konsumenten wird in nächster Zeit wohl noch weniger Staat zu machen sein als bisher.

Auch auf die Veränderungskraft der Branche ist nicht zu bauen, denn die aktuelle Infektionswelle grassiert nicht bei irgendwelchen schwarzen Schafen, sondern bei etablierten Branchengrößen. So bleiben wohl doch nur härtere Regeln und strengere Kontrollen – und Politiker, die den Wählerfrust über teureres Grillfleisch aushalten. (RND)