Ein Land kann schwer zusammenhalten, wenn die eigene Regierung keine Ahnung davon hat, kommentiert Kristina Dunz.
Kommentar zur GeneraldebattePlötzlich kann Kanzler Scholz kämpfen
Die SPD hat Kampfeslust beim Kanzler bestellt und sie in der Generalaussprache über den Bundeshaushalt tatsächlich bekommen. Kein gewohnt tonloses nüchternes Ablesen des Manuskripts mit Tunnelblick, sondern plötzlich eine freie, emotionale Rede mit Attacke gegen Oppositionsführer Friedrich Merz. Selten hat Olaf Scholz derart leidenschaftlich Klartext gesprochen.
Doch das ist zunächst nicht mehr als eine Momentaufnahme. Wenn es nach der Zeitenwende so etwas wie eine Kanzlerwende geben soll, braucht Scholz nicht bloß den Rückhalt seiner Partei, sondern den der ganzen Ampel. Und das wird mehr bedürfen als einer guten Rede im Bundestag. Das Bündnis kommt nur aus seinem mit Streit und Chaos selbst geschaufelten Abgrund wieder empor, wenn zwei Dinge von nun an gelingen: dem anderen etwas gönnen können und bürgernah regieren.
Ampel-Regierung: Viel Misstrauen
Zu letzterem gehört auch, Entscheidungen zu erklären und die Menschen auf Veränderungen einzustimmen. Nicht wie nach dem Haushaltsurteil erst keine Einigung zustande kriegen und dann ohne Vorwarnung hart bei den Bauern kürzen. Und auch nicht wie beim Heizungsgesetz: Den Grünen gehen die Pferde durch und statt sie schnell wieder einzufangen, schütteln FDP wie SPD den Kopf darüber, wie einem die Zügel so aus der Hand gleiten können. Am Ende glaubten betroffene Bürgerinnen und Bürger allen drei Parteien nicht mehr, die Lage noch im Griff zu haben.
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Den Haushalt 2024 hat die Ampel nach dem Urteil aus Karlsruhe jetzt mit Hängen und Würgen aufgestellt. Der nächste große Test wird die Unterstützung für Kiew und die Frage, ob die Schuldenbremse ausgesetzt werden muss, um so viel Hilfe zu leisten, dass die Freiheit gegen Russland in der Ukraine, aber auch in Europa und Deutschland verteidigt werden kann.
Scholz irrt, wenn er glaubt, die großen Knoten der Ampel seien nach zwei Jahren durchschlagen. Auch wenn der Haushalt steht, die Atomkraftwerke abgeschaltet sind, die Energiewende an Fahrt aufnimmt und Bürgergeld und Mindestlohn erhöht sind - dieser Regierung misstrauen, zumindest derzeit, nicht nur viele Menschen im Land, sondern auch Mitglieder der Koalition.
Und es geht mit dem Schlagabtausch doch schon weiter. Klimageld, Kinderfreibetrag, Taurus-Marschflugkörper. Die Ampel müsste sich langsam ins gemeinsame Gelingen verlieben anstatt den eigenen Vorteil im Nachteil des anderen zu suchen. Wie soll denn ein Land in diesen Krisen und dieser Bedrohungslage für die Demokratie durch Rechtsextremisten zusammenhalten, wenn die eigene Regierung von Zusammenhalt selbst keine Ahnung hat?
Generalaussprache: Merz begeht Fehler
Zu Friedrich Merz: Die Generalaussprache über den Bundeshaushalt ist die Königsdisziplin des Parlaments. Wer hier austeilt, muss gut vorbereitet sein, um kein Eigentor zu kassieren. Merz macht Punkte mit seinen gut vorgetragenen, wenn auch nicht neuen Ideen, wie er das Land regieren würde: mehr Härte gegen Bürgergeldempfänger, weniger Sozialpolitik, mehr Industriepolitik, stärkere Förderung der Leistungsbereitschaft, enge Abstimmung mit Frankreich, schärfere Migrationspolitik.
Und dann unterläuft ihm der Fehler, ein angebliches Versagen der Regierung zu kritisieren und etwas zu fordern, was gerade beschlossen wurde: die Bezahlkarte für Asylbewerber. Merz hatte die Einigung, an der CDU-Ministerpräsidenten beteiligt sind, nicht mitbekommen. So schwächt man als Oppositionsführer seine Position.
Eines aber ist sowohl Merz als auch Scholz eindrucksvoll gelungen. Sie haben von der berührenden Gedenkstunde für die Millionen Opfer des Nationalsozialismus einfühlsam übergeleitet zur Auseinandersetzung über die aktuelle Politik. Beide haben in ihren Reden mehr Raum als sonst gelassen, die AfD scharf ins Visier zu nehmen und sie direkt als Demokratiefeinde anzusprechen. Endlich.