Köln – Im vergangenen Sommer formulierte Elvis Rexhbecaj zwar das klare Ziel, nach einem torlosen ersten Halbjahr beim 1. FC Köln nun auch mal zu treffen, allerdings mit einer Einschränkung: „Tore wären mal schön, aber erst mit Fans. Das hebe ich mir auf, bis die Kurve wieder voll ist“, sagte Rexhbecaj, als es noch schien, als werde die Bundesliga schon bald wieder vor Zuschauern spielen. Doch es kam anders.
Kölner Top-Scorer
Am Samstagabend schloss sich für den 1. FC Köln ein Kreis: Zweimal hat der FC nun im leeren Stadion bei Borussia Mönchengladbach gespielt, die Partie im März des vergangenen Jahres war das erste Geisterspiel der Bundesliga-Geschichte. Die Tribünen sind also noch immer leer, dennoch hat Rexhbecaj mittlerweile die Torproduktion aufgenommen: Seine Treffer im Borussia-Park entschieden nicht nur das Derby, Rexhbecaj wurde beim Kölner 2:1-Sieg auch der erst zweite FC-Profi seit Miso Brecko im Jahr 2009, dem in diesem Jahrtausend im Derby zwei Treffer gelangen.
Gisdol: „Elvis kann man nur lieb haben“
Die historische Dimension seiner Leistung schien dem 23-Jährigen allerdings eher unangenehm, Rexhbecaj ist ein auffallend bescheidener Mensch. Dass er als überwiegend im defensiven Mittelfeld eingesetzter Spieler mit nun fünf Treffern und zwei Vorlagen der in dieser Saison bislang beste Kölner Scorer ist, wollte er nur ungern zum Thema machen. „Ich bin kein Freund von Statistiken. Das Wichtigste sind die drei Punkte heute“, sagte er in Mönchengladbach. Sein Trainer hat ihn längst ins Herz geschlossen. „Elvis ist einer der Jungs, die du nur lieb haben kannst“, sagt Markus Gisdol über den vom VfL Wolfsburg ausgeliehenen Spieler.
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Rexhbecaj wurde im Kosovo geboren. Als er zwei Jahre alt war, floh er mit seinen Eltern und den drei Geschwistern vor dem dortigen Krieg nach Deutschland. Er hat keine Erinnerung an die Flucht, nur ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit. „Meine Eltern wollten ein besseres Leben für uns, sie haben mir und meinen Geschwistern alles ermöglicht. Dafür bin ich ihnen endlos dankbar“, sagt er. Die Familie kam nach Brandenburg an der Havel. Der Vater arbeitete in einer Großbäckerei in Berlin, musste schon nachts los. „Meine Mutter war dann mit vier Kindern auf sich allein gestellt, ohne Sprachkenntnisse. Ich weiß eigentlich gar nicht, wie sie das geschafft hat“, sagt er.
Seine Tage verbrachte Elvis Rexhbecaj mit seinem Bruder auf dem „Roten Gummi“, so hieß der Fußballplatz in Brandenburg, auf dem eine Karriere begann, die bis in die Bundesliga führte. Die Frage, wie er seine Kindheit empfunden habe, beantwortet Rexhbecaj mit einem Wort: „Super“. Er sei glücklich großgeworden. „Wir waren immer draußen. Ich habe gar nicht gemerkt, in welch bescheidenen Verhältnissen wir aufgewachsen sind. Heute kann ich einschätzen, wo ich herkomme. Aber als Kind hatte ich nie den Eindruck, dass uns was gefehlt hat. Obwohl wir nicht viel hatten. Eigentlich hatten wir gar nichts.“
Über Brandenburg zum VfL Wolfsburg
Ziele hatte er schon als Kind, schon bald fragte er seinen Vater, wann es denn endlich losgehe mit der Karriere. „Guckt hier überhaupt mal jemand zu?“, fragte der damals zehnjährige Elvis, als er das Gefühl hatte, dass sich wieder kein Scout nach Brandenburg verirrt hatte. Der Vater mahnte zur Geduld, irgendwann werde schon jemand anrufen. Und tatsächlich konnte sich die Familie bald den Profiklub aussuchen. Man entschied sich für den VfL Wolfsburg, wo Elvis Rexhbecaj fortan in der D-Jugend spielte und sein Vater eine Anstellung als Platzwart erhielt. Dass die Familie ihn begleiten konnte, gab den Ausschlag für Wolfsburg. 2010 war das, Elvis Rexhbecaj war zwölf Jahre alt.
Im August 2017 erhielt er seinen ersten Profivertrag beim VfL, zwei Jahre später verlängerte er vorzeitig bis 2023. Weil er aber kaum Aussichten auf Spielpraxis hatte, wechselte er im Januar 2020 für zunächst anderthalb Spielzeiten nach Köln. Sein Bruder begleitete ihn, die Mutter kommt ab und an zu Besuch, „damit ich was Vernünftiges zu essen bekomme“, sagt er und lacht. „Schön“ lebe er in der Kölner Innenstadt, ihm gefällt die Atmosphäre, besonders im Sommer, wenn alle draußen sind. Die Ferien verbringt er im Kosovo, doch weil er im vergangenen Jahr wegen der Corona-Einschränkungen nicht dorthin reisen konnte, blieb er in Köln. „Wenn ich nicht in die Heimat fahren kann, bleibe ich zu Hause. Ich will lieber meine Familie und meine Freunde sehen, bevor ich irgendwo Urlaub mache.“
Hohe Ablöse
Im Sommer endet Rexhbecajs Leihe. Nach einem Bericht des „Kicker“ könnten die Kölner ihn dann für eine Ablöse von sieben Millionen Euro fest verpflichten, was viel Geld wäre nach einer Saison im Pandemie-Betrieb, trotz Rexhbecajs Quoten. Zudem haben sich die Wolfsburger offenbar ein Vetorecht eingeräumt, mit dem sie einen Wechsel nach Köln selbst bei Zahlung der Ablöse verhindern könnten. Allerdings verlängerte Yannick Gerhardt seinen Vertrag beim Konzernklub unlängst bis ins Jahr 2025, der Wolfsburger Bedarf im defensiven Mittelfeld ist also geringer geworden. Vielleicht eine Chance für die Kölner.
Es ist also nicht ausgeschlossen, dass Elvis Rexhbecaj in Köln bleibt, was gut wäre, denn er wird bis zum Sommer kaum fertig werden mit dem FC. Denn den Traum vom Tor vor vollem Haus in Müngersdorf, den kann er sich wohl erst in der nächsten Saison erfüllen.