Köln – Der 2:1-Derbysieg in Mönchengladbach hat dem 1. FC Köln nach einer chaotischen Woche mit dem Pokal-Aus in Regensburg und der Blamage um die Einstellung eines neuen Mediendirektors auffallend gut getan. Der Prestigeerfolg war Balsam auf die Seele der Mannschaft, der Verantwortlichen und natürlich der Fans.
Etwas untergegangen ist dabei, dass der FC in der Bundesliga einen unerwarteten Aufschwung erlebt. Drei Siege aus den vergangenen vier Spielen sowie zehn Punkte aus fünf Spielen sind für einen Abstiegskandidaten eine mehr als beachtliche Ausbeute.
Die Mannschaft wirkt wieder deutlich homogener und stabiler. Und sie hat sich so an den vergangenen Spieltagen einen Vorsprung auf die direkten Abstiegsplätze erkämpft. Acht Punkte auf Mainz, sogar 13 auf Schalke: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol doch noch auf einen der beiden letzten Plätze zurückfällt, ist deutlich geringer geworden.
Erst recht, wenn der FC so auftritt wie im Derby. Die Relegation schwebt natürlich noch immer wie ein Damoklesschwert über dem Traditionsklub, allerdings müssen Hertha BSC und Arminia Bielefeld (mit einem Nachholspiel in petto) vier Punkte Rückstand erst einmal aufholen.
Doch die Gewissheit, in welcher Klasse der FC in der kommenden Saison antritt, wird der Klub ohnehin erst in einigen Wochen haben. Aber nicht nur das macht es für Sportchef Horst Heldt so schwierig, den zukünftigen Kader zu planen.
Corona-Pandemie schlägt voll durch
Die Corona-Pandemie schlägt am Geißbockheim voll durch. Geschäftsführer Alexander Wehrle rechnet mit einem Umsatzverlust in der vergangenen und aktuellen Saison von mindestens 40 Millionen Euro. „Wir haben ausreichend Liquidität und ein positives Eigenkapital“, sagt Wehrle, eine existenzielle Gefährdung des Vereins gebe es derzeit nicht. Doch Wehrle weiß auch: Geht das mit den Umsatzeinbußen so weiter, dann wird das einstmals mehr als 38 Millionen Euro betragende Eigenkapital irgendwann aufgebraucht sein.
Leihen als Geschäftsmodell
Große Sprünge sind für den FC auch mittelfristig nicht drin – auf dem Transfermarkt schon mal gar nicht. 29 Profis zählen derzeit zum Kader. Zudem hat der FC gleich zehn Spieler (Modeste, Verstraete, Schaub, Sobiech, Schindler, Hauptmann, Koziello, Risse, Ostrak, Bissek) an andere Klubs ausgeliehen, von denen zumindest laut Vertrag neun (Bisseck ist bis 2022 ausgeliehen) zum Trainingsauftakt in der kommenden Saison wieder am Geißbockheim auf der Matte stehen. Dazu wird es allerdings nicht kommen, denn die meisten dieser Akteure spielen in den Planungen des Klubs keine Rolle mehr. Sportchef Heldt wird nach Lösungen suchen müssen, die natürlich auch Kompensationszahlungen beinhalten werden. Beispiel Modeste: Der Stürmer war in der vergangenen Woche der vorläufig letzte Spieler, der (nach Saint Étienne) ausgeliehen wurde. Entweder der Franzose startet im Sommer seinen zweiten Neuanfang in Köln – oder es könnte für den FC teuer werden, da Modeste einen Kontrakt als Spieler bis 2023 und einen fünfjährigen Anschlussvertrag als Offensivtrainer besitzt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Von den sechs selbst ausgeliehenen Spielern würde der FC sicherlich die meisten gerne weiterbeschäftigen, doch auch das dürfte schwierig werden. Für den jüngst vom FC Brügge verpflichteten Stürmer Emmanuel Dennis besitzen die Kölner keine Kaufoption. Dann ist nicht davon auszugehen, dass der VfL Wolfsburg auf den immer stärker werdenden Elvis Rexhbecaj einfach verzichtet. Ron-Robert Zieler strebt sicherlich an, in der kommenden Saison bei einem Profiklub wieder dauerhaft im Tor zu stehen. Die Ausleihe von Tolu Arokodare sieht der FC ohnehin als Experiment an, das nach der Saison voraussichtlich wieder beendet wird.
Chancen gibt es für die Kölner vielleicht bei Marius Wolf, der zwar noch bis 2023 bei Borussia Dortmund unter Vertrag steht, aber beim BVB wohl keine Zukunft hat. Aber auch der emsige Rechtsfuß würde wahrlich nicht zum Nulltarif zu haben sein. Max Meyer ist – Stand jetzt – im Sommer vertragslos, ob der vierfache Nationalspieler auch eine Zukunft in Köln, das wird sich noch zeigen. Nicht ausgeliehen, aber ebenfalls nur noch bis zum 30. Juni unter Vertrag stehen zudem Salih Özcan (23) und das außergewöhnliche Offensiv-Talent Marvin Obuz (19), mit denen der FC verlängern will, aber noch keinen Abschluss vermelden kann. Für beide Spieler gibt es auch andere Optionen.
Hannovers Hübers beim FC gehandelt
Horst Heldt wird zudem nicht umhinkommen, den Kader auf einigen Positionen noch gezielt zu verstärken. Gehandelt wird aktuell neben dem offensiven Mittelfeldspieler Genki Haraguchi (29) noch ein weiterer Profi von Hannover 96: Abwehr-Hüne Timo Hübers. Heldt kennt den 24-Jährigen ebenfalls noch aus gemeinsamen Zeiten bei den Niedersachsen. Und Hübers ist auch am Geißbockheim kein Unbekannter, schließlich lief er in der Saison 2015/16 für das Regionalliga-Team des FC auf. Nach Saisonende ist er ablösefrei, allerdings sollen auch PSV Eindhoven, Werder Bremen und der HSV Interesse am Innenverteidiger haben.
Relevante Ablösesummen kann der FC allerdings ohnehin nur zahlen, wenn der Klub selbst Transfereinnahmen generiert. Spieler wie Kingsley Ehizibue, Dimitris Limnios und nach den jüngsten Vorfällen vielleicht auch Dominick Drexler, von denen sich die Kölner trennen würden, würden nicht so viel Geld in die Kasse spülen. Sollte Jorge Meré seine Form konservieren, könnte ein möglicher Verkauf des Spaniers doch wieder lukrativ werden. Die Spieler mit dem höchsten Marktwert sind Verteidiger Sebastiaan Bornauw (21), Mittelfeld-Motor Ellyes Skhiri (25) und der schnelle Außen Ismail Jakobs(21). Doch sie sind sportliche Stützen, ihr Weggang wäre nicht so einfach zu kompensieren.
All diese Beispiele zeigen: Heldt und der 1. FC Köln wandeln auf einem schmalen Grat, die Kaderplanung ist alles andere als einfach. Wieder einmal.