Das FC-Team kollabierte gegen Darmstadt fußballerisch und emotional. Sogar die Fans auf der Südtribüne verweigerten die Gefolgschaft.
1. FC Köln in der AnalyseKölner Empörung nach niveaulosem FC-Auftritt – Südtribüne fordert „Keller raus“
Das Wichtigste zuerst
Der 1. FC Köln hat gegen den SV Darmstadt 98 die womöglich entscheidende Niederlage im Kampf gegen den Abstieg kassiert. Vor ausverkauftem Haus unterlag die Mannschaft von Trainer Timo Schultz dem zuvor in 22 Spielen sieglosen Tabellen-Letzten verdient mit 0:2 Toren. Es war eine Leistung, die das schon grundsätzlich schwache Niveau der Kölner in diesem Jahr noch einmal unterbot – und das gegen eine Darmstädter Mannschaft, die am Samstag bei ungünstigem Verlauf bereits als Absteiger hätte feststehen können. Doch mir der Situation hatten die Kölner größere Schwierigkeiten als ihr Gegner, der seinen mitgereisten Fans einen Sieg bescherten, der gut war für die Seele des nach wie vor beinahe sicheren Absteigers.
Das Kölner Publikum dagegen war beim Schlusspfiff empört, erstmals in diesem Jahr wagten sich auch die Fans der Südtribüne auf den Zaun und gaben vorerst ihre Haltung auf, das Kölner Team bedingungslos zu unterstützen. Denn offenbar ist die Loyalität durchaus an Bedingungen gebunden – zumindest an die eine, sich wenigstens mit Mut und Kampfbereitschaft dem Gegner zu stellen. Nichts davon zeigte der FC am Samstag. Qualität im fußballerischen Vortrag erwartet ohnehin niemand mehr. Doch nach der kämpferischen Nicht-Leistung vom Samstag blickt Köln tiefer in den Abgrund als je zuvor in dieser Saison.
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Die Stimmung kippte auch gegen Christian Keller, Teile der Fans haben den Sportchef offenbar als Schuldigen an der Lage ausgemacht. Keller äußerte Verständnis. „Es war ein bitterer Auftritt gegen einen überschaubar guten Gegner. Der Kopf hat eine Riesenrolle gespielt. Ich hätte erhofft und erwartet, dass wir deutlich überzeugter spielen. Aber die Angst vorm Verlieren war zu groß.“
Wehren mochte er sich nicht gegen die Vorwürfe. „Wir haben eine sehr, sehr schlechte Leistung abgerufen in einem Spiel, in dem es um sehr viel ging. Ich verstehe den Ärger der Zuschauer. Ich bin hauptverantwortlich, dann ist das nachvollziehbar.“ Erstmals gewannen die Darmstädter in dieser Saison ein Spiel, ohne einen Gegentreffer zu kassieren.
Die Tore
In der 57. Minute schlug Kempe eine Ecke von rechts in den Kölner Strafraum. Der Ball fiel am Fünfmeterraum zu Boden, was nie gut ist. Noch schlechter war, dass Christoph Klarer in zentraler Position an den Ball kam und durch Hübers‘ und auch Schwäbes Beine flach zur Führung traf.
In der Schlussminute lief der eingewechselte Holtmann bis in den Kölner Strafraum. Seinen Schuss aufs lange Eck konnte Schwäbe nur nach vorn abwehren, wo Vilhelmsson abstaubte. Wenig später hätte Holtmann beinahe noch zum 3:0 getroffen, was wohl etwas viel, jedoch nicht unverdient gewesen wäre.
Das war gut
Zynisch könnte man sagen, dass zumindest auf der Südtribüne Spuren von Leistungsdenken zu spüren waren. Die Anhänger, die sich bislang dafür feierten, über jede auch noch so desolate Leistung ihrer Mannschaft hinwegzusehen, beklagten sich beim Schlusspfiff ungewohnt deutlich über Einstellung und Vortrag der Kölner.
Timo Schultz schien hinterher beinahe erleichtert, als er auf einen Impuls hoffte und darauf, dass seine Mannschaft nun eine „Scheißegal-Haltung“ entwickeln könnte. Die Ambitionslosigkeit, die den Verein zuletzt gelähmt hatte, scheint zumindest an der Basis umstritten zu sein. Man scheint neuerdings wieder bereit, von einer Bundesligamannschaft die Grundtugenden einzufordern.
Das war schlecht
Die Kölner spielten von der ersten Minute an Verstecken – und das in einem Heimspiel gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten. Die Leistung am Samstag in Müngersdorf fügt sich in das Bild der Saison: Die Kölner ziehen nur selten Energie aus ihrem Heimvorteil, ihre Bilanz im eigenen Stadion ist verheerend. Der erhoffte Vorteil im Abstiegskampf ist mehr und mehr zum Nachteil geworden.
Mann des Spiels
Jeff Chabot, der nicht nur die letzte Kölner Chance der Partie hatte. Sondern insgesamt Kölns einziger Spieler auf dem Platz war, der tatsächlichen Siegeswillen ausstrahlte – und den Willen, sich gegen die Niederlage zu stemmen. Und der beim Schlusspfiff noch in der Lage war, sich überhaupt aktiv zu ärgern, während seine Kollegen überwiegend nur betroffen die Blicke senkten.
Moment des Spiels
Am bedeutsamsten war am Samstag wohl, als die Südtribüne in die zunächst nur vereinzelten „Keller raus“-Rufe einstimmte. Dass Keller verantwortlich ist, steht in seiner Jobbeschreibung als Sportchef. Doch in ihrem Zorn forderten viele Menschen im Stadion die sofortige Abberufung des Managers, der für sie sinnbildlich steht für den Niedergang der Kölner in den vergangenen anderthalb Jahren. Aus Verantwortung wurde am Samstag in den Augen der Öffentlichkeit Schuld – jedenfalls im Ärger des Augenblicks.
Das sagen die Trainer:
Torsten Lieberknecht (Darmstadt 98): „Wir sind erleichtert und freuen uns über den Dreier. Mein Highlight war, vor dem Spiel Wolfgang Niedecken die Hand geben zu dürfen. Da habe ich direkt daran gedacht, dass es verdammt lang her war, dass wir zuletzt einen Sieg eingefahren haben. Mir war es wichtig, die Situation des Gegners zu respektieren und nicht ausufernd zu feiern. Wir können den Moment genießen, aber um zu feiern, sehe ich in unserer Situation auch keinen Anlass. Heute sind wir dennoch einfach nur froh.“
Timo Schultz (1. FC Köln): „Wir sind maßlos enttäuscht über die Art und Weise, wie wir uns über Teile des Spiels präsentiert haben. Wir haben es nicht geschafft, an unsere Leistungsgrenze zu gehen, den Druck beiseitezuschieben und befreit draufloszuspielen. Wir stehen zwar bei 18 Torschüssen, aber richtig gefährlich war kaum einer davon. Deshalb dürfen wir uns nicht beklagen, dass wir heute verloren haben. Es ist sehr bitter für uns, aber es sind noch vier Spiele zu gehen, es ist noch alles möglich. Wir können und müssen besser spielen. Wenn wir das hinbekommen, haben wir auch eine Chance, in Mainz zu gewinnen. Dann ist rechnerisch noch alles möglich.“
„Es fehlte vom Start an die Überzeugung, man hat in allen Aktionen die Angst gesehen. Wir kriegen Energie, aber wir haben es nicht auf den Platz gekriegt. Die Mannschaft wollte, aber die Mittel waren nicht gut genug. Für die Fans habe ich totales Verständnis. Sie haben uns fantastisch unterstützt und womöglich noch auf einen weiteren Bochum-Moment gehofft. Aber das geht nicht jede Woche.“
Das sagen wir
Eine Bundesligamannschaft definiert ihre Qualität nicht allein über ihr fußballerisches Vermögen. Es geht darum, im entscheidenden Moment in der Lage zu sein, Leistung zu bringen. Dass die Kölner nach dem 30. Spieltag mit 22 Punkten auf dem vorletzten Platz stehen, ist ein klares Zeichen dafür, dass da nicht viel fußballerische Qualität ist. Dass die Mannschaft im vorentscheidenden Spiel gegen Darmstadt überdies nicht nur nicht über sich hinauswuchs, sondern fußballerisch und emotional derart kollabierte, dass sogar die Fans auf der Südtribüne die Gefolgschaft verweigerten, ist ein klares Zeichen: Der 1. FC Köln ist nicht gut genug für die Bundesliga. Und es braucht eine Menge Fantasie, um sich eine sensationelle Schubumkehr im letzten Moment auszumalen.