- Zahlreiche Spieler des FC-Kaders haben die dramatische Abstiegssaison 2017/18 noch immer nicht überwunden.
- Präsident Werner Wolf, selbst Psychologe, sieht dringenden Bedarf, die FC-Profis zu unterstützen.
- Armin Veh gab an, nicht die Kapazitäten zu haben, dem FC einen Teampsychologen zu verschaffen.
Köln – Als der 1. FC Köln im September in der Münchner Allianz-Arena vor 75 000 Zuschauern 0:4 unterging, betonte Achim Beierlorzer anschließend, seine Mannschaft sei zeitweise „schon auch richtig gut im Spiel“ gewesen. Der Auftritt mache Mut, und so schlecht hatten die Kölner sich tatsächlich nicht verkauft. Nach der Partie folgte die Mannschaft ihrem Plan – und begab sich auf das Oktoberfest, wo in einem Bierzelt Tische reserviert waren. Ihr Trainer befand, der Ausflug biete seinen Spielern die Gelegenheit, „das Spiel etwas freier aufzuarbeiten. Das ist vielleicht eine ganz gute Sache.“
Gestärkt gingen die Kölner aus diesem Wochenende allerdings nicht hervor. Am folgenden Sonntag kassierten sie die nächste Pleite, ein niederschmetterndes 0:4 vor eigenem Publikum gegen Hertha BSC. Man hatte die heilende Wirkung von ein paar Maß Bier offenbar überschätzt.
Der Psychologe wundert sich
Für einen ausgebildeten Psychologen ist das keine Überraschung. Gleich nach der Partie in München hatte FC-Präsident Werner Wolf bei Armin Veh nachgehört, wer denn nun mit der Mannschaft arbeite. Denn so eine Klatsche, die stecke man ja nicht einfach weg, zumal nicht mit der Geschichte großer Niederlagen, wie sie der 1. FC Köln in den vergangenen zweieinhalb Jahren geschrieben hat. Doch beim 1. FC Köln gibt es niemanden, der sich mit der Psyche der Profis befasst. Für Wolf, den promovierten Psychologen, ein unverständliches Vorgehen. „Wenn ich mir überlege, was die Spieler da manchmal aushalten müssen, brauchen sie Unterstützung. Jeder, der so unter Druck steht, kann das gebrauchen“, sagt Wolf im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Problematischer Kader
Der Kölner Kader ist keine Ansammlung von Profis, die ihren Beruf nicht ernstnehmen oder sich Hierarchien verweigern. Doch ist der Kader ein „Trainerfresser“, wie es der „Express“ in der vergangenen Woche beschrieb. Nach Markus Anfang ist nun Achim Beierlorzer in Köln gescheitert; Anfang musste trotz sportlichen Erfolgs gehen, weil seine Mannschaft immer wieder in rätselhafte Leistungslöcher stürze. Bei Beierlorzer, dem freundlichen Franken, kam in der Bundesliga noch hinzu, dass die Höhen zwischen den Tälern eher flach ausfielen und Resultate ausblieben. Hört man Werner Wolf zu, scheint der Ursprung all dessen in der Abstiegssaison 2017/18 zu liegen.
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Damals spielten die Kölner in der Europa League, erstmals seit 25 Jahren. Und fielen vom emotionalen Gipfel ins Bodenlose: Schlecht vorbereitet ging der Verein in eine Saison voller Englischer Wochen, an die weder die Spieler gewöhnt waren – noch die Vereinsführung, die im Stakkato der Spiele nicht den richtigen Zeitpunkt fand, sich von Geschäftsführer und Trainer zu trennen. Und obwohl sie in der Rückserie noch einmal in Reichweite des Relegationsplatzes kamen, war da niemand, der das Zeichen zum Angriff gab. So trieben die Kölner dem Abstieg entgegen. Und zahlreiche Spieler, die noch heute den Kern des Kaders stellen, haben sich bis heute nicht davon erholt.
„Unverantwortlich“
Ein wenig Urlaub, ein paar Tage Abstand – nicht genug für das, was die Kölner erlebten. „Es ist unverantwortlich, Spieler damit allein zu lassen“, sagt Wolf, der sich mit dem neuen Trainer rasch auf die Suche nach einem Teampsychologen begeben wird. Er halte das für „unabdingbar, das muss Standard sein. Im Jugendbereich haben wir das, mit dem Konzept bewirbt sich der Verein um den Preis der Robert-Enke-Stiftung. Das ist wissenschaftlich fundiert, da ist an alles gedacht – das ist einfach gut. Warum wir es im Profibereich nicht haben, kann ich mir nicht erklären. Aber wir werden das jetzt ändern.“
Das Trauma des Abstiegs
Grundsätzlich sind Profis darauf vorbereitet, vor gewaltigen Kulissen aufzutreten. Doch in der Rückrunde der Saison 2017/18 sah man in den Bundesligastadien Kölner Spieler tränenüberströmt vom Platz marschieren. Wenn ein Profi Sieg und Niederlage so nah an sein Innerstes lässt, ist er in Gefahr. Dann braucht er Unterstützung. Von einem „nicht verarbeiteten Trauma“ ist am Geißbockheim die Rede. Dafür gibt es Hilfe; auch Polizisten oder Feuerwehrleute erleben im Beruf Dinge, die sie allein nicht überwinden könnten. Doch statt zu helfen, ließ man beim FC nacheinander zwei Trainer mit der Mannschaft allein, und es ist davon auszugehen, dass sich die Kölner das verlorene Zweitligajahr hätten sparen können, hätten sie mehr Achtsamkeit an den Tag gelegt. Daher ist Teil des aktuellen Anforderungsprofils, einen Sportchef zu holen, der den Profifußball auch auf der psychologischen Seite versteht, statt auf Erfahrung und charmanten Umgang zu vertrauen.
Keine Tests in Köln
Im US-Profisport ist es üblich, Spieler Persönlichkeits- und Intelligenztests zu unterziehen, die TSG Hoffenheim etwa schickt ihre Profis durch eine Reihe von psychologischen Untersuchungen. Beim 1. FC Köln dagegen weiß man kaum, mit wem man es zu tun hat: Was die Spieler motiviert, was sie davon abhält, ihre Leistung im Wettkampf zu zeigen – und wie sie mit Rückschlägen umgehen. Und so geht beim FC weiterhin bei jeder Niederlage die Welt unter, und daher ist dauerhafter Erfolg so schwierig zu haben. Denn bei jeder Pleite kommt das Trauma zurück.
Vehs Abschied als Chance zur Erneuerung
Das wäre auch eine Erklärung dafür, warum der Kölner Kader so große Schwierigkeiten hat, zueinander zu finden. Seit dem Abstieg sind viele neue Spieler hinzugekommen, doch gerade die tun sich schwer, eine Verbindung zu denen herzustellen, die schon beim Abstieg dabei waren. Armin Veh hat während seiner Kölner Phase durchblicken lassen, ihm fehle es an Kapazitäten, um nach Spezialisten zu fahnden. Der doppelte Personalwechsel beim FC soll nun die Gelegenheit bieten, eine Struktur zu schaffen, um auch die Spielerseele intensiver betreuen zu können.