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Ritterbach im Interview„Doch dann gibt es Menschen, die einen vom Hof jagen wollen“

Lesezeit 8 Minuten
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Markus Ritterbachs Amtszeit als Vizepräsident endet im Herbst.

  1. FC-Vizepräsident Markus Ritterbach galt als Königsmörder, weil er eine Sprachmitteilung öffentlich machte, in der er Werner Spinner dazu aufforderte, über die Entlassung des Trainers oder des Sportgeschäftsführers zu diskutieren.
  2. Es war der Anfang vom Ende seiner Zeit beim FC. In seiner Verzichtserklärung schrieb Ritterbach von Hass und einer Kampagne gegen das Präsidium. Wen er damit gemeint hat.

KölnHerr Ritterbach, Sie und Toni Schumacher haben vor drei Wochen in einem emotionalen Brief Ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur für das Präsidium des 1. FC Köln erklärt. Würden Sie das heute noch einmal so machen?

Absolut ja, die Entscheidung war richtig. Wichtig ist, dass der Verein schnell wieder zur Ruhe kommt. Ich glaube, durch unseren Schritt können wir dem Verein dabei helfen.

Schmerzt es Sie, das Amt zu verlieren?

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Es ist kein Geheimnis, dass ich mich sehr gern für den 1. FC Köln engagiert habe – und ich hätte es sehr gern weiter getan. Ich hatte sieben tolle Jahre, wenn auch schwierige Zeiten dabei waren. Für mich fühlt es sich jetzt an, als käme ich von einer langen Urlaubsreise nach Hause. Es waren wunderschöne Erlebnisse. Aber ich freue mich auch auf die Zeit danach. Ich bleibe ja FC-Fan, der Verein wird in meinem Herzen bleiben.

Haben Sie ernsthaft erwogen, noch einmal zu kandidieren?

Wir haben das ernsthaft erwogen, weil wir uns der breiten Unterstützung vieler Fans und Fanklubs sicher waren. Letztlich haben wir uns aber dagegen entschieden. Ein Grund dafür ist: Selbst wenn wir gewonnen hätten, wäre anschließend der Verein nicht geeint gewesen. Wir hätten weiter die „Vorstand raus“-Plakate der Ultras gehabt. Wir hätten mit einem Mitgliederrat arbeiten müssen, der uns erklärtermaßen nicht will.

Ist es vorstellbar, dass Sie sich weiter für den FC engagieren?

Dazu fehlt mir momentan die Fantasie, ohne bockig sein zu wollen. Wenn ich etwas dazu beitragen kann, dass der FC erfolgreich ist, kann man mich mit Sicherheit ansprechen.

Das bedeutet, dass Sie sich nicht weiter für die FC-Stiftung engagieren. Sie haben gerade erst mit den Tafeln Deutschland ein Projekt angestoßen, das Ihnen sehr am Herzen liegt.

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Toni Schumacher, Werner Spinner und Markus Ritterbach im Juni 2018

Ich finde es total gut, wenn Vereine wie der 1. FC Köln sich sozial engagieren. Das ist ein Gegengewicht zu der teils verrückten Fußballwelt. Für mich macht das soziale Engagement die Seele des Vereins mit aus.

Was sind Ihre liebsten Projekte?

Wir engagieren uns in 18 Projekten. Ganz besondere Freude hatte ich an der Arbeit mit den geistig behinderten Fußballern, die bei uns am Geißbockheim trainieren. Die Berührung zwischen diesen Jungs und unseren Profis haben mich sehr bewegt. Da weiß man am Ende gar nicht, wer mehr von wem lernt.

Sie haben in ihrer Verzichtserklärung von Hass und einer Kampagne gegen das Präsidium geschrieben. Wen haben Sie damit gemeint?

Diejenigen, die gemeint sind, wissen es. Und manches hat ja im Stadion jeder gesehen. Wenn man ständig Banner lesen muss mit der Botschaft „Vorstand raus“, ist das schmerzhaft. Wir haben alles gegeben für den FC, doch dann gibt es Menschen, die einen vom Hof jagen wollen.

Woher rührt diese Ablehnung?

Ich glaube, dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist: Wir haben leider die Kommunikation zu den Ultras verloren. Das lag nicht an uns, unsere Tür stand offen. Aber die Jungs wollten nicht mehr mit uns sprechen. Wir haben ein paar vereinspolitische Dinge beschlossen, etwa, Regress-Ansprüche durchzusetzen. Und wir haben verlangt, dass Verantwortung für Choreographien übernommen wird. Natürlich schmerzt das die Szene. Aber für mich sind das normale Dinge: Wenn ich etwas tue, muss ich die Verantwortung dafür tragen und notfalls auch dafür einstehen. Ich kann das nicht auf den Verein abwälzen.

Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeit viele Schritte auf die Ultras zugemacht, dafür sind Sie von Teilen der Öffentlichkeit hart kritisiert worden. Ist es da nicht beinahe tragisch, nun von den Ultras abgelehnt zu werden?

Gerade Werner Spinner hat da extrem viel geleistet und ist sehr enttäuscht worden. Irgendwann steht man ratlos da und fragt sich, wo denn überhaupt eine Lösung liegen könnte.

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Gibt es eine?

Wir haben immer wieder das Gespräch gesucht. Aber die Ultras haben irgendwann nur noch „Vorstand raus“ kommuniziert. Im September wird der Vorstand dann ja auch raus sein.

Hatten Sie zuletzt Kontakt zu Werner Spinner?

Nein, und das tut mir leid. Wir hatten tolle Jahre miteinander und haben viel bewegt, auch in schwierigen Zeiten. Ich werde sicher irgendwann auf ihn zugehen und würde mich freuen, wenn wir zu einer Normalität finden könnten.

Würden Sie denn sagen, dass das Tischtuch komplett zerschnitten ist?

Nein. Es gab Situationen, die sehr schwierig waren. Das Resultat war, dass er sein Amt niedergelegt hat. Aber ich sage trotz allem, dass er ein sehr guter Präsident war.

Der 1. FC Köln ist im ganzen Land um seinen Vorstand beneidet worden. Was ist da kaputtgegangen – und wann?

Ich fürchte, es war zeitweise zu schön. Das war ja eine Traumgeschichte. Wir hatten einen sehr beliebten Trainer, eine gute Geschäftsführung – wir hatten alles. Alle haben sich doch gewünscht, dass dieser Erfolg anhält. Und dann brach durch den sportlichen Misserfolg vieles zusammen. Der Abstieg hat uns das Genick gebrochen, selbst wenn die Fans mit durch die Zweite Liga gegangen sind, selbst wenn jeder weiß, dass wir den Verein seriös geführt haben und ihn finanziell gut aufgestellt hinterlassen.

Sie galten als Königsmörder, weil Sie eine Sprachmitteilung öffentlich gemacht haben, in der Werner Spinner Sie dazu aufforderte, über die Entlassung des Trainers oder des Sportgeschäftsführers zu diskutieren. Wird diese Darstellung Ihrer Rolle gerecht?

Nein. Es wäre schlimm, wenn es einen Königsmörder gäbe. Das ist in unserem Verein gar nicht möglich, weil es mehrere Gremien gibt. Werner Spinner hat dem Gemeinsamen Ausschuss seinen Rücktritt erklärt, da war das noch gar nicht öffentlich. Er hatte nicht nur im Gemeinsamen Ausschuss keinen Rückhalt mehr, es gab viele andere Punkte, die am Ende den Ausschlag gegeben haben. Niemand hatte ein gutes Gefühl dabei, weil Werner Spinner sehr viel für den Verein getan hat. Aber es ging nicht mehr anders.

Bereuen Sie den Schritt mittlerweile?

Das kann ich nicht beantworten, denn dafür müsste ich zu viele Hintergründe öffentlich machen, was ich nicht will.

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Im Trainingslager des FC im Sommer 2018

Wie fällt die persönliche Bilanz Ihrer Amtszeit aus?

Ich bin verdammt stolz darauf, was wir geleistet haben. Wir haben den Umsatz des FC von 57 Millionen auf bis zu 170 Millionen Euro gesteigert. Wir haben Schulden abgebaut und Eigenkapital aufgebaut. Auch in dem Bereich, für den ich im Vorstand konkret zuständig war, waren wir sehr erfolgreich. Wir sind in nahezu allen Bereichen ausverkauft und ausvermarktet, die Einnahmen aus dem Sponsoring haben sich von 19 Millionen auf bis zu 42 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Wir haben darüber hinaus ein bisschen die kölsche FC-Seele wachgeküsst. Wir gehen im Rosenmontagszug mit, sind im CSD vertreten. Wir sind bei den Menschen, auch mit der Stiftung. Auch indem wir Hennes in den Zoo geholt haben, wo die Kölner ihn sehen und berühren können. Wir wollen Teil der Stadt sein, das war mir sehr wichtig. Auch wegen dieser Ausrichtung haben wir die Zahl der Mitglieder von rund 50000 auf fast 110000 mehr als verdoppeln können. Es ist eine tolle Erfahrung, so viel Rückhalt der Fans zu spüren, und ich bin mir ganz sicher, dass ich den Fanklubs irgendwie erhalten bleiben werde.

Bis zur Wahl arbeiten Sie im Vorstand mit Stefan Müller-Römer zusammen. Wie funktioniert die Vorstandsarbeit?

Wir sind nicht die drei Musketiere. Daher haben wir die Arbeitsweise ein bisschen geändert. Das Tagesgeschäft läuft, und die großen Dinge entscheidet in unserem Verein ohnehin der Gemeinsame Ausschuss, nicht allein der Vorstand. Das operative Geschäft erledigen die Geschäftsführer, mit denen wir im ständigen Austausch sind. Aber es gibt wenige Themen, die wir noch gemeinsam angehen müssen. Es gibt zwar keine Zusammenarbeit, für die wir den Friedensnobelpreis erwarten dürfen. Aber es herrscht auch kein Krieg.

Stefan Müller-Römer hat zuletzt eine Vorstandssitzung abgehalten, obwohl Sie und Toni Schumacher verhindert waren. Wie beurteilen Sie das?

Dazu möchte ich nichts sagen.

Muss ein Präsidium nicht zu jeder Zeit im Sinne des Vereins handeln?

Natürlich, dafür sind wir ja gewählt. Man muss seine Emotionen zurückstellen und sich auf die Frage konzentrieren, warum man das macht. Der Verein ist nicht das Eigentum eines Vorstands. Man hat eine Aufgabe auf Zeit, die man so gut wie möglich im Sinne des Vereins erfüllen muss. Das gilt für alle Gremien.

Schmerzt es Sie, dass zuletzt viele Interna nach außen gedrungen sind?

Ja.

Sehen Sie auch bei sich Fehler?

Selbstverständlich, um Gottes Willen. Ich bin ja auch nur ein Mensch. Vielleicht war ich zu lange zu diplomatisch.

Hätte es eine Strategie gegeben, wie Sie Werner Spinners Amtszeit ehrenhaft hätten zu einem Ende führen können?

Das war geplant und das hätten wir uns so gewünscht.

Wie sehen Sie die Zukunft des Vereins?

Ich drücke dem vorgeschlagenen neuen Präsidium die Daumen. Ich wünsche mir, der Verein würde etwas ruhiger. Der 1. FC Köln hat die Kraft, die ganze Stadt glücklich zu machen. Aber auch leiden zu lassen. Und ich hoffe, dass die Stadt sehr viel Grund zum Glücklichsein haben wird.