Die Mannschaft des 1. FC Köln ist nach dem Abstieg im Urlaub, doch im Geißbockheim läuft die Planung für die neue Saison
Kolumne DauerkarteDie spannendste Sommerpause der FC-Geschichte
Ein Kollege sagte eben in der Konferenz zu mir, dass ja nun die Zeit für uns Sportreporter anbreche, in der alles ein wenig ruhiger werde. Das ist natürlich einerseits wahr, denn wenn die Mannschaft des 1. FC Köln im Urlaub ist und es keine Spiele, Pressekonferenzen oder Trainingseinheiten zu besuchen gibt, haben wir insgesamt weniger Bewegungsaufwand. Doch andererseits ist die Lage beim 1. FC Köln in diesem Sommer selbstverständlich eine äußerst dynamische.
Es fehlt ein vollständiger Trainerstab, derzeit ist nicht einmal klar, wer in der kommenden Saison der Torwarttrainer sein wird. Wie ja ebenfalls offen ist, wer im Kölner Tor stehen soll. Ist es Marvin Schwäbe, der 29-Jährige mit dem überragenden Stellungsspiel am Fünfmeterraum, der allerdings auch in der zurückliegenden Saison eine der schlechtesten Quoten der Liga hatte, wenn es um das Abfangen von Flanken ging? Klingt ein wenig wie „Herzblatt“.
Oder ist es Jonas Urbig, den Jörg Jakobs beim 1. FC Köln einst als „Kronprinz“ bezeichnete und der nach anderthalb erfolgreichen Spielzeiten in der Zweiten Liga schon im Alter von 20 Jahren mehr als 50 Profi-Einsätze hat? Der als Kind der Region die große Kölner Torhüter-Tradition fortsetzen könnte? In drei WM-Endspielen nacheinander hüteten Kölner Keeper das Tor, Timo Horn vertrat den FC zudem im olympischen Finale von Rio 2016. In diesen Flugbahnen könnte Jonas Urbig bald unterwegs sein.
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Wegen der Transfersperre wird dieser Sommer ohne Gerüchte über Zugänge beim FC auskommen. Mir persönlich fehlt da nichts, schließlich ist das „FC will Spieler XY“-Geschäft ein problematisches. Jeder Fan träumt zwar davon, dass sein Verein urplötzlich einen bislang völlig unbekannten Brasilianer (oder Letten, Ivorer, Paraguayer) aus dem Hut zaubert, der aus dem Nichts zum Superstar wird. Wie damals, als Flemming Povlsen von der zweiten Mannschaft Real Madrids nach Köln wechselte und auf Anhieb nicht nur ein fantastischer Offensivmann wurde, sondern auch mein persönlicher Lieblingsspieler.
Dennoch ist das noch junge Genre des Transferjournalismus ein etwas zwielichtiges Geschäft. Denn beteiligt sind vor allem Spieler-Agenten, die ihre Leute nur zu gern ins Gespräch bringen, um die Preise zu treiben und das Personalkarussell am Laufen zu halten.
Klubmanager mögen die Auswüchse dieser Berichterstattung am wenigsten. Wie oft haben mich FC-Sportchefs angepampt, weil ein Spieler nach einer Berichterstattung von uns um diesen oder jenen Betrag teurer geworden sei. „Ihr Artikel hat mich 500.000 Euro gekostet!“, hieß es dann. Denn die Interessen sind sehr unterschiedlich: Ein Vereinsvertreter sagt zwar nach jeder Verpflichtung, „halb Europa“ sei hinter seinem neuesten Fund her gewesen. Vor der Unterschrift dagegen tut man lieber so, als habe man überhaupt kein Interesse und sei ohnehin auf allen Positionen längst überragend besetzt.
Beim 1. FC Köln haben sie im vergangenen Sommer nicht nur erzählt, sie seien gerade in der Offensive großartig besetzt. Sie haben es offenbar auch geglaubt, was eines von vielen Problemen war, die in Summe zum sowohl sang- als auch klanglosen Abstieg geführt haben. Die Transfersperre verschärft die Probleme nun grundsätzlich, denn zahlreiche Spieler werden in den nächsten Tagen noch mitteilen, dass sie den Verein verlassen.
Allerdings wird es auch gute Nachrichten geben. Mark Uth hat bereits vor dem letzten Spieltag erklärt, dem 1. FC Köln auch in der Zweiten Liga erhalten zu bleiben. Es wird Profis geben, die seinem Beispiel folgen – trotz des drastisch zusammengekürzten Budgets in der Zweiten Liga. Denn das muss man Christian Keller lassen: Die Verträge beim 1. FC Köln sind so gestaltet, dass zwar viele Spieler für eher kleine Beträge gehen dürfen. Doch gleichzeitig ändert sich für den Fall des Verbleibs das Salär. Das war beim letzten Abstieg anders, als sich der 1. FC Köln mit seiner „Durch et Füer“-Kampagne brutal schädigte und nach dem Wiederaufstieg mit seinem Investitionsprogramm in einer Weise anfällig machte, dass die Folgen der Pandemie besonders stark durchschlugen.
Wobei es zu bedenken gilt: Die Zweite Liga wird den 1. FC Köln nun auf Anhieb allein mindestens 25 Millionen Euro Fernsehgeld kosten. Im Jahr 2019 landete der FC den womöglich teuersten Aufstieg der Bundesliga-Geschichte. Doch war der womöglich unterm Strich günstiger als zum Beispiel die mittlerweile sechs Jahre Zweite Liga, die sich der Hamburger SV derzeit leistet.
Stand der Dinge ist: Der 1. FC Köln wird die kommende Hinrunde mit einem Kader angehen müssen, der aus einem Gerüst der aktuellen Profimannschaft besteht, das um die besten Nachwuchsspieler einer der erfolgreichsten deutschen Jugendabteilungen ergänzt wird. Im Winter sind dann wieder Transfers möglich, die bereits jetzt vorbereitet werden und für deren Umsetzung sogar finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden. Es gehört nicht allzu viel Verblendung dazu, den 1. FC Köln als einen Verein im Aufbruch zu sehen. Wenngleich angesichts des Exodus‘ der vergangenen Tage in Trainerstab und Mannschaft auch eine andere Sichtweise möglich ist.
Christian Keller ist trotz aller Diskussionen längst bei der Arbeit
Klar ist, dass diese Wochen nach dem letzten Saisonspiel ungewöhnlich arbeitsreich sind. Vor allem für Christian Keller. Der FC-Geschäftsführer hat vom Vorstand das Mandat erhalten, den Klub auch in der kompliziertesten Situation seiner Geschichte führen zu dürfen. Eine Situation, an der Keller großen Anteil gehabt hat. Im US-Sport geht es oft um die Frage, ob der Mensch, der das Problem hervorgerufen hat, gleichzeitig Teil der Lösung sein kann. Das wird sich nun zeigen, denn während die Fans noch darüber diskutieren, ob der Vorstand sich nicht womöglich doch vom Sportchef trennen müsste, ist der längst bei der Arbeit.
Ich bin gespannt auf die Entwicklungen der kommenden Wochen. Am 10. Juni wird Oppositionsführer Dieter Prestin Team und Konzept vorstellen. Am 12. Juni findet der Mitgliederstammtisch statt, auf dem FC-Vorstand und -Geschäftsführung gerade in den problematischen Themenfeldern bessere Antworten haben müssen als beim Stammtisch im Januar. Und eine Europameisterschaft haben wir ja auch noch, unter anderem in Köln.
Uns wird also auch in dieser Sommerpause nicht langweilig. Und das ist doch auch eine gute Nachricht.