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Neuer FC-Geschäftsführer„Wenn ich kämpfen muss, werde ich das tun“

Lesezeit 8 Minuten
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Philipp Türoff ist auf Alexander Wehrle gefolgt.

Köln – Seit dem 1. Januar 2022 ist Philipp Türoff kaufmännischer Geschäftsführer beim FC. Nach einer Phase der Einarbeitung mit Vorgänger Alexander Wehrle wird der 45-Jährige nun die Geschäfte am Geißbockheim führen. Zunächst allein, vom 1. April an mit dem neuen Sportchef Christian Keller.

Herr Türoff, die Übergabe mit Alexander Wehrle ist soweit abgeschlossen. Sie sind ein erfahrener Manager, aber neu im Profifußball. Fühlen Sie sich gut vorbereitet?

Ja, sehr gut. Die meisten Entscheidungen, die es beim FC zu treffen gibt, finden sich auch in anderen unternehmerischen Bereichen. Es gibt Besonderheiten. Aber ich greife hier auf eine Organisation zurück, mit der Alex Wehrle viele Jahre sehr gut gearbeitet hat. Da werden Entscheidungen gut vorbereitet.

Am Ende ist es also einfach Management – ob in der Bundesliga oder anderswo?

Es gibt Muster in Entscheidungsprozessen. Verhandlungen sind Verhandlungen. Wenn klar definiert ist, was das Interesse des 1. FC Köln ist, bin ich in der Lage, von Tag eins an meine Rolle in solchen Verhandlungen auszuüben. Ich würde sagen, ich bin jetzt bei 90 Prozent der Entscheidungen fest im Sattel. Die fehlenden zehn Prozent sind das, worüber man sich in jedem neuen Job freut. Es soll ja auch ein bisschen Lernkurve dabei sein. Ich fühle mich nicht überfordert.

Wie war die Einarbeitung mit Alex Wehrle?

Wir haben gemeinsame Entscheidungen getroffen und immer wieder unter vier Augen den Hintergrund beleuchtet, wo er mir Vorgänge auch aus seiner Historie erklärt hat, die ich mir nicht selbst hätte erklären können. Der Klick war der Moment, in dem mir klar war, dass wir am gleichen Strang ziehen, um die Sache für ihn zu einem guten Ende und für mich zu einem guten Start zu bringen. Wir haben wirklich ein vertrauensvolles Verhältnis gefunden.

Der 1. FC Köln ist ein sehr emotionales Gebilde, und Alexander Wehrle hat den Job zu einer sehr persönlichen Angelegenheit gemacht. Wie haben Sie Alexander Wehrle in seinen letzten Wochen beim FC erlebt?

Wir sind vorrangig in der Sache unterwegs gewesen. Alexander Wehrle hat sich hier oft in den Wind stellen müssen. Mir ist das in den ersten Wochen in der Schärfe, in der er das durchgemacht hat, noch nicht begegnet. Ich werde nicht versuchen, mich von Beginn an mit derselben Profiltiefe zu präsentieren wie er. Wenn es notwendig ist, an einem Sachverhalt Kampfbereitschaft zu zeigen, werde ich das tun. Aber ich werde das nicht mit dem Ziel tun, der Öffentlichkeit einen Ersatz für Alex Wehrle anzubieten. Es geht um den FC, und das mache ich mit meiner eigenen Lautstärke.

Welche Rolle spielt für Sie die Aussicht auf Öffentlichkeit?

Die öffentliche Wahrnehmung ist ein Aspekt der neuen Rolle und auch einer, den ich ernst nehme. Man muss deutlich bedachter agieren, auch gegenüber den Gremien. Ich werde die Dinge behutsam angehen, mich vortasten. Aber wenn die Geschäftsführung des 1.FC Köln gefragt ist, sich zu Sachverhalten zu äußern, werde ich das nicht anderen überlassen.

Was bedeutet es, wenn die Kunden Fans sind.

Es gibt Dinge, die man vom Umgang mit Marken und Kunden auf den FC und seine Fans übertragen kann. Da gibt es Instrumente, wissenschaftliche Erkenntnisse, die man anwenden kann. Aber der 1. FC Köln ist nicht einfach eine Marke – und der Fan ist nicht nur Kunde. Es gibt Empfindlichkeiten, die sogar im Widerspruch zu den Interessen des 1. FC Köln stehen können. Etwa in Fragen der Kommerzialisierung: Wenn ich eine nachhaltig erfolgreiche Mannschaft auf den Platz stellen will in einem hoch intensiven Wettbewerb, kostet das viel Geld. Dieses Geld muss ich verdienen. Wenn ich es verdienen will, muss ich kommerzielle Entscheidungen treffen. Da muss ich Wege finden mit allen Gremien, mit allen Interessengruppen. Da kann ich die Fans einbeziehen. Aber irgendwann müssen Entscheidungen getroffen werden. Es werden Momente kommen, in denen ich Position beziehen und Kante zeigen muss.

Der Vorstand hat den Matchplan vorgestellt, in dem verankert ist, dass der 1. FC Köln keine Anteile verkaufen möchte. Was halten Sie davon?

Der Verein ist Mitglieder-geführt, daher ist es wichtig, dass die Mitglieder die Möglichkeit haben, sich auf eine Richtung zu einigen. Diesen Prozess hat der Verein erkannt und moderiert. Aber man muss sich im Klaren sein, dass man es sich nicht erlauben kann, langsamer zu sein als andere. Das ist auch die Herausforderung an die Gremien: Sich so zu organisieren, dass wir genau so klar und handlungsfähig sind wie die Wettbewerber. Denn die wollen wir ja hinter uns lassen, und zwar nicht nur auf dem Spielfeld.

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Philipp Türoff mit Präsident Werner Wolf

Neu dürfte für Sie die Abhängigkeit von den sportlichen Resultaten der Mannschaft sein.

Im Fußball, wenn man wirklich von Spieltag zu Spieltag guckt, gibt es da natürlich viel Auf und Ab. Aber davon muss ich mich freimachen, denn meine Aufgabe ist es ja, nachhaltig zu denken. Wir haben eine schwierige wirtschaftliche Situation durch Corona und müssen jetzt das Tempo definieren, wie wir das in den nächsten Jahren wieder herauswachsen lassen und Substanz zurückgewinnen können. Das kann man modellieren. Hoffen ist erlaubt, aber Pläne auf Glück zu bauen, ist etwas, was oft nur für sehr kurze Zeiträume funktioniert.

Auf zehn Jahre gesehen: Wie oft wird der FC absteigen, wie oft geht es nach Europa?

Das kann ich nicht vorhersagen, das wird dem Fußball nicht gerecht und meiner Kompetenz schon gar nicht. Aber ich kann Orientierung geben, wie wir aufgestellt sein müssen, statistisch in zehn Jahren 2,5-mal Europa zu spielen und nicht nur einmal. Das hat aber nichts damit zu tun, was am Wochenende passiert. Das wäre Zauberei, und als Zauberer bin ich hier nicht angestellt worden. Dennoch kann ich anhand von Statistiken darüber reden, für wie wahrscheinlich wir es halten, innerhalb der nächsten zehn Jahre noch einmal abzusteigen. Welche Kräfte auf diese Wahrscheinlichkeiten wirken – und was wir tun können, um diese Kräfte zu verschieben.

Haben Sie sich der Themen Stadion und Geißbockheim schon annehmen können?

Diese Themen sind so bedeutend für das Geschäftsmodell des 1. FC Köln, dass sie von Tag eins an präsent waren. Wenn wir das Geschäftsmodell des 1. FC Köln in die nächsten Jahre führen wollen, ist doch ganz klar: Unser Potential sind unsere Fans, unsere Zuschauer, die womöglich auch mehr Ränge im Stadion füllen könnten. Das lag natürlich jetzt während Corona auf Eis und ist auch finanziell keine einfache Aufgabe. Das heißt aber nicht, dass wir das aus den Augen verlieren. Anders ist es rund um den Sportpark. Da geht es um die Trainingsbedingungen, um die Infrastruktur, die wir brauchen, um unseren Ansprüchen als Erstligist gerecht zu werden. Die sind in einigen wesentlichen Aspekten nicht verhandelbar. Es gibt aber ja auch wieder Bewegung in der Politik. Da müssen auch von FC-Seite Kompromisse neu ausgelotet werden. Wenn wir da keine Fortschritte machen, wird alles, was wir uns erträumen, eine Lachnummer.

Sind Sie da schon so tief drin, um über Details sprechen können?

Ich habe mir Bocklemünd noch nicht persönlich angesehen, daher kann ich noch nicht sagen, dass jetzt genau das die Lösung ist. Ich erkenne aber, dass die Beteiligten jetzt wieder Energie einfließen lassen. Das ist konstruktiv, das ist etwas, womit ich arbeiten kann. Ich bin jetzt ein Teil des 1. FC Köln und werde alle anderen motivieren, konstruktiv die Möglichkeiten auszuloten und nicht in Scheingefechte zu gehen, sondern Lösungsorientierung walten zu lassen. Ich sehe zurzeit eine gute Energie, auf diesen Zug springe ich gern auf.

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Sie haben eine Vergangenheit im Red-Bull-Konzern. Wie haben Sie das Verhalten wahrgenommen, als Leipzig nun gegen Lokomotive Moskau gezogen wurde?

Wenn man sieht, wie emotional Oliver Mintzlaff reagiert hat, spürt man einen Schmerz. Es ist ein Dilemma: Wie sehr muss ich meine Organisation schützen? Und wann kommt der Punkt, an dem man einfach sagen muss: Das ist zu viel, wir treten da nicht an. Man hätte es anders machen können, und im Rückblick würde ich unterstellen, hätten sie es auch anders gemacht. Ich würde aber weder Boshaftigkeit noch Ignoranz unterstellen. Es ist eine Frage des Timings. Aus meiner Sicht musste man die russischen Mannschaften vom Wettbewerb ausschließen. Trotzdem muss Führung auf allen Ebenen auch darüber nachdenken, wie man einem Land dabei helfen kann, eines Tages wieder in die richtige Richtung zu kippen.

Und einen Weg zurück aufzeigen?

Die Ächtung einer politischen Führung darf nicht die Ächtung eines gesamten Volkes zur Folge haben. Was in der Ukraine geschieht, ist ein Verbrechen, und das kann man auch nicht mit Abstrichen irgendwie anders nennen. Aber der Sport, auch der Fußball, kann vielleicht eines Tages dazu beitragen, dass Menschen sich wieder begegnen und erfahren, dass es eben nicht nur Regierungschefs gibt. Sondern vor allem Menschen.