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Analyse der Krise von Bayer 04Vielfältiges Versagen bei Leverkusen

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Einer der schwächsten Leverkusener gegen Freiburg: Kapitän Charles Aránguiz (oben)

Leverkusen – Wenn sich eine Fußballmannschaft über einen längeren Zeitraum schwach präsentiert, viele Spiele und die Saisonziele aus den Augen verliert, beginnen in der Regel Diskussionen über den Trainer. Oft steht an deren Ende sein Rauswurf. Hin und wieder, wie aktuell bei Arminia Bielefeld, erscheint dieser Schnitt überstürzt. In anderen Situationen dafür überfällig – wie bei vielen Schalker Coaches der jüngeren Vergangenheit. Der Trainer-Rauswurf ist meist die leichteste und günstigste Methode für eine Klubleitung, um möglichst großen Einfluss auf eine wankende Mannschaft zu nehmen. Das wissen alle Fußballtrainer – denn so kommen die meisten an neue Jobs. Viel Spielraum für Emotionalität gibt es nicht. So auch bei Bayer 04 Leverkusen und Peter Bosz. Der Niederländer genießt in der anhaltenden sportlichen Talfahrt zwar noch die Rückendeckung der Vorgesetzten. Es ist jedoch ein fragiles Bündnis in Zeiten der Krise, Bosz bleibt das am leichtesten zu ersetzende Teil des Ganzen.

Aránguiz im Formtief

Dabei sind längst nicht alle Aspekte des Leverkusener Absturzes auf ein Versagen des Trainers zurückführen. Wie die eklatante Formschwäche von Charles Aránguiz. Seitdem der Chilene das Kapitänsamt bei Bayer 04 übernommen hat, ist beim Mittelfeldspieler Sand im Getriebe. Der 31-Jährige hatte wegen einer langwierigen Muskelverletzung nur einen kleinen Anteil an Leverkusens herausragender Hinserie. Und mit seinem Comeback startete der Absturz. Das 1:2 gegen den SC Freiburg vom Sonntag war der vorläufige Tiefpunkt von Aránguiz. Der in Normalform in jeder Hinsicht zuverlässige Mittelfeldmotor spielte insgesamt zehn Fehlpässe, viele davon unbedrängt und in der eigenen Hälfte. Zudem ließ der Kapitän Lucas Höler bei der Vorbereitung der Freiburger Führung (50.) einfach gewähren.

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Aránguiz sollte für Leverkusen ein Kapitän sein, der mit Leistung vorangeht, ein Wortführer auf dem Platz ist der Chilene nicht. Doch dafür fehlt ihm aktuell die Verfassung – weshalb Bayer 04 unter einem Führungsvakuum leidet. In Abwesenheit der verletzten Lukas Hradecky, Lars Bender, Sven Bender und Julian Baumgartlinger sowie des nach Monaco transferierten Kevin Volland fehlt eine echte Leitfigur. Profis mit Potenzial dazu, wie Jonathan Tah oder Nadiem Amiri, haben mit sich selbst zu kämpfen und können der Mannschaft keinen Halt geben. So herrschte eine teilweise beklemmende Stille in Leverkusens Reihen. Beispielhaft war die Phase am Sonntag nach dem 0:1 durch Ermedin Demirovic, als die Werkself plötzlich komplett kopflos verteidigte und folgerichtig das 0:2 durch Höler kassierte (61.). „Gefühlt verspielen wir gerade alles“, sagte Amiri.

Luxuriöse Ersatzbank

Trotz des gesammelten Verletzungspechs und einer bereits prominent besetzten Startelf saßen auf der Leverkusener Ersatzbank Profis mit einem Gesamt-Transferwert von knapp 100 Millionen Euro, ein Hinweis auf die Möglichkeiten und Ambitionen des Vereins mit dem drittteuersten Kader der Bundesliga. Doch konnte von der Luxus-Bank die Wende nicht mehr eingeleitet werden. Rekordtransfer Kerem Demirbay kann, so scheint es Trainer Bosz einzuschätzen, dem Team aktuell nicht weiterhelfen. Die Formkurve des 26,5-Millionen-Stürmers Patrik Schick zeigt ebenfalls seit Wochen nach unten. Sinnbildlich für die Leverkusener Gesamtsituation war ein Angriff in der 90. Minute, als Joker Karim Bellarabi den Abschluss suchte, aber nicht an der schmalen Brust von Florian Wirtz vorbeikam. Leverkusen steht sich selbst im Weg – daran änderte auch Leon Baileys 1:2 nichts (70.), der einzige erfolgreiche Torschuss von 21 Versuchen. Zumal der Jamaikaner nach einem Wutausbruch wegen einer vermeintlich falschen Einwurf-Entscheidung die Gelbe Karte sah und für das Spiel am Samstag in Mönchengladbach gesperrt ist.

Trainer Bosz gab sich bei der Beschreibung seiner größten Problemfelder wortkarg. Und sein Lösungsansatz klang deutlich leichter, als er in der Praxis umzusetzen sein dürfte: „Vorne die Dinger reinschießen und hinten aggressiver verteidigen, dann werden die Ergebnisse auch wiederkommen.“