Leverkusen – Es sollte Leverkusens Highlight des Jahres 2022 im Elite-Wettbewerb des europäischen Klubfußballs werden: Atlético Madrid, großer Favorit der Champions-League-Gruppe B, gastiert am Dienstag (21 Uhr/Dazn) in der Bay-Arena. Doch die Vorfreude über das erste Königsklassen-Heimspiel seit fast drei Jahren wird vom sportlichen Absturz der vergangenen Wochen deutlich eingetrübt. Nach nur einem Sieg aus acht Pflichtspielen manifestiert sich die Krise von Bayer 04.
Die Mannschaft schleppt sich von Spiel zu Spiel, stellt einige Fehler ab, präsentiert dafür neue. Trainer Gerardo Seoane analysiert die Misserfolge mit seinen Assistenten bis in die letzten Details, konnte der Werkself die Erkenntnisse trotz seiner Sechssprachigkeit bislang aber offenbar nicht so vermitteln, dass Kopf und Beine der Profis den Wünschen des Trainers entsprechend funktionieren. „Es ist klar, dass bei dieser Anhäufung von Resultaten der Druck auf die Verantwortlichen immer mehr steigt. Der Trainer hat die Gesamtverantwortung für eine Entwicklung“, sagte Seoane am Montag. Dem Schweizer helfen nur Siege.
Öffentlicher Widerspruch von Paulinho
Das Spiel gegen die defensiv-vernarrten und regelmäßig kratzbürstigen Spanier birgt einerseits die Gefahr, dass die fragilen Leverkusener an Atlético und dem System von Trainer Diego Simeone zerschellen. Ein Sieg und die dafür vermutlich notwendige Saisonbestleistung käme hingegen einem Befreiungsschlag gleich. „Du musst mit der Einstellung reingehen: Wir haben nichts zu verlieren. In schwierigen Situationen kannst du in diesen Spielen was holen“, sagte Leverkusens Kapitän Lukas Hradecky.
Zur Unzeit bringt allerdings ein Spieler Unruhe in die Mannschaft. Paulinho, der sich trotz mangelnder Perspektive und diverser Angebote im Sommer gegen einen Wechsel entschieden hatte, widersprach am Wochenende öffentlich dem Trainer zu den Hintergründen seiner Nichtberücksichtigung für das Bundesliga-Spiel bei Hertha BSC (2:2). „Es war eine sportliche Entscheidung, ich habe mich für andere Spieler entschieden“, hatte Seoane verlauten lassen.
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Via Twitter teilte Paulinho seine Sicht der Dinge mit: Es sei eine politische Entscheidung gewesen, den Brasilianer nicht für den Spieltagskader zu nominieren. Weiter hieß es in der offenbar von einem Übersetzungsprogramm erstellten Mitteilung: „Bayer 04 hatte die Wahl, mich gegen wirtschaftliche Rechte einzutauschen, und sie entschieden sich dafür, mich hier zu behalten und mein Gehalt zu zahlen. Ich werde wie immer meine Teamkollegen vorbereiten und unterstützen.“ Paulinho, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, hatte auf einen ablösefreien Wechsel gedrängt, Bayer 04 war nicht auf diese Forderung eingegangen. Nun drohen dem 22-Jährigen viele Monate auf der Tribüne. Trainer Seoane wollte die Äußerungen des Stürmers am Montag nicht näher kommentieren.
Leverkusens Verteidiger Piero Hincapie beteuerte: „Wir sind extrem motiviert und stehen als Mannschaft zusammen.“ Dabei werde es durchaus lauter: „Wir sprechen offen alle Punkte an. Wir kritisieren uns, um uns zu verbessern. Die Stimmung in der Umkleide ist aber nicht schlecht.“
Antoine Griezmann, der 30-Minuten-Mann
Auch bei Atlético macht eine Personalie Schlagzeilen, nur in noch deutlich größerem Umfang. Antoine Griezmann, französischer Superstar, wurde nach seinem glücklosen 120-Millionen-Euro-Transfer zum FC Barcelona (2019) im Sommer 2021 auf Leihbasis wieder zu Atlético transferiert. Doch offenbar bietet das Vertragswerk bei einer dort verankerten Kaufpflicht Spielraum zur Interpretation. Madrid muss Griezmann für 40 Millionen Euro fest verpflichten, wenn der 31-Jährige in 50 Prozent der Spiele mindestens 45 Minuten zum Einsatz kommt. Doch können oder wollen sich die Rojiblancos das nicht leisten.
FC Barcelona droht mit Klage
Wohl aus diesem Grund wechselt Trainer Simeone seinen Superstar in jedem Spiel nur für die letzte halbe Stunde ein – wie beim Champions-League-Auftakt, als Griezmann in der Nachspielzeit das 2:1 gegen den FC Porto erzielte. Auf Nachfragen reagiert Simeone ausweichend.
Allerdings sieht der FC Barcelona die Bedingungen für die Kaufpflicht bereits als erfüllt an. Die Katalanen beziehen sich auf das erste Jahr der Leihe, als Griezmann 39-mal zum Einsatz kam, meist über 45 Minuten. Atlético besteht jedoch darauf, dass sich die Klausel auf beide Leihsaisons bezieht, weshalb der Superstar nur noch den Edeljoker geben darf. Der FC Barcelona droht laut spanischen Medienberichten nun mit einer Klage.