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Fernando Carro im Interview
Wirtz-Verbleib ohne Verlängerung? „Das wird schwierig“

Lesezeit 7 Minuten
Fernando Carro, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bayer 04 Leverkusen im Interview.

Fernando Carro, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bayer 04 Leverkusen im Interview.

Fernando Carro, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Bayer 04 Leverkusen, spricht im großen Jahresabschluss-Interview über die DFL, die Bayern, Florian Wirtz und Xabi Alonso.

Herr Carro, es gab reichlich Unkenrufe vor dem neuen TV-Deal der DFL. Jetzt ist eine Steigerung um zwei Prozent auf 1,121 Milliarden Euro pro Jahr gelungen. Hätten Sie das für möglich gehalten?

Fernando Carro Ich hatte immer die Erwartung, dass wir die Summe erhöhen werden. Ich wurde hierzu zwar gelegentlich als Träumer bezeichnet, aber ich hatte immer Vertrauen in die Qualität der Bundesliga und die handelnden Personen. Nicht vergessen darf man, dass Bayer Leverkusen ein Treiber für dieses Ergebnis war. Durch unsere Meisterschaft und das Ende der Bayern-Serie ist ein erheblicher Mehrwert für die Bundesliga entstanden. Am Ende haben Steffen Merkel und Marc Lenz und das gesamte Präsidium sehr gute Arbeit gemacht.

Richtig spannend wird es am 16. Januar bei der Sitzung zur Verteilung der TV-Gelder…

Ich frage mich: Warum müssen wir die Verteilung jedes Mal von Null an diskutieren? Da haben sich kluge Leute erst bei der letzten Verteilung den Kopf zerbrochen. Ich bin ein Freund von Kontinuität, wenn sich etwas als gut erweist. 50 Prozent Gleichverteilung sind beispielsweise sehr viel – wahrscheinlich mehr als ich zusagen würde, wenn ich es zu entscheiden hätte.

Es wird vor allem wieder um die vierte Säule gehen, den Topf, der nach Zuschauerinteresse verteilt wird.

Es ist vorhersehbar. Wir wissen doch, was jeder sagen wird. Dafür wurde das Präsidium gewählt. Dort sollte entschieden werden. Ich sehe keine Notwendigkeit, drei Stunden herumzureden. Ich bin da knallhart: HSV, Schalke - und wie sie alle heißen - waren in den vergangenen Jahren nicht in der Lage, ihren Verein gut zu managen. Und nun sollen die Versäumnisse der Vergangenheit durch eine andere Verteilung kompensiert werden? Das widerspricht komplett meinem Verständnis von fairer Verteilung. Vereine wie Heidenheim, Augsburg oder Mainz, um einige zu nennen, machen seit Jahren beständig gute Arbeit. Leistung sollte belohnt werden und nicht allein eine große Fangemeinschaft oder große Stadien.

Sind aber Fußballspiele mit vielen Zuschauern und großem TV-Interesse nicht besser für die Liga?

Es ist für diese Klubs ja nicht verboten, in die Bundesliga aufzusteigen. Es ist auch nicht verboten, gute Arbeit zu machen. Diese Vereine sollen sich nicht durch eine andere Geldverteilung konsolidieren, sie müssen durch gutes Management gerettet werden. Punkt aus.

Einer der Befürworter, diesen vierten Topf zu vergrößern, ist Michael Diederich, Finanzvorstand beim FC Bayern, der mit einer knappen Mehrheit ins DFL-Präsidium gewählt wurde. Was bedeutet es für die DFL, dass nun ein Bayern-Hardliner und eben nicht der als umsichtig agierende Jan-Christian Dresen im Präsidium sitzt?

Der FC Bayern vertritt immer zuerst FC Bayern-Interessen, unabhängig von der Person. Dass Jan Dresen in der Liga dennoch einen hohen Akzeptanzgrad hat, hat er durch gute Dialog- und Konsensbereitschaft bewiesen. Michael Diederich ist in der Liga noch ein unbeschriebenes Blatt. Er muss sich dieses Vertrauen erst erarbeiten, das hat auch das Votum verdeutlicht.

Fernando Carro mit Granit Xhaka nach dem gewonnenen Pokalfinale 2024 gegen den 1. FC Kaiserslautern.

Fernando Carro mit Granit Xhaka nach dem gewonnenen Pokalfinale 2024 gegen den 1. FC Kaiserslautern.

Warum haben Sie nicht kandidiert?

Ich bin von vielen Seiten dazu aufgefordert worden und habe lange überlegt, auch gemeinsam mit Werner Wenning (Vorsitzender des Gesellschafterausschusses von Bayer 04, Anm. d. Red.). Aber ich habe es am Ende nicht gemacht. Die Themen sind herausfordernd genug, wir brauchen nicht auch noch Personaldebatten.

Bayer liegt vier Punkte hinter den Bayern. Wird es bis zum Schluss spannend bleiben?

Also, letztes Jahr war es nicht spannend, wir waren ja sehr früh durch. Ich sehe in dieser Saison nicht, dass wir wieder mit 90 Punkten und 17 Punkten Abstand Meister werden (lacht). Mein Wunsch wäre ein Zweikampf zwischen den Bayern und uns.

Welche Teams haben Sie noch auf dem Schirm?

Frankfurt und Leipzig werden auf jeden Fall oben dabei sein. Dortmund hat bislang zwar nicht überzeugt, aber man darf auch sie nie abschreiben.

Wie würden Sie das Verhältnis zwischen dem FC Bayern und Bayer 04 beschreiben?

Das Verhältnis ist sehr gut. Beide Klubs haben großen Respekt voreinander. Die Bayern repräsentieren den deutschen Fußball international seit Jahrzehnten hervorragend. Wir haben häufig sehr ähnliche Interessen. Und der FC Bayern hat ja letztlich nichts dagegen, dass die Meisterschaft umkämpft ist. Sie wollen sie am Ende gewinnen, genauso wie wir. Aber sie profitieren auch davon, wenn die Liga spannender bleibt. Das macht sie wertvoller, wie man beim TV-Deal gesehen hat.

International besetzen beide Klubs Posten bei der ECA, einer Interessensvertretung europäischer Vereine. Sie sind Mitglied des ECA-Vorstands, haben bei der Reformierung der neuen europäischen Wettbewerbe mitgewirkt. Wie ist der Austausch zwischen den deutschen Klubvertretern?

Frankfurt, Leipzig, Dortmund, München und Leverkusen sind in der internationalen Sportpolitik sehr gut vertreten. Wir unterstützen uns und stimmen uns sehr gut ab, schauen, wer wo einen Beitrag leisten kann. Da gibt es in anderen Ländern mehr Kämpfe. Aki Watzke, Jan Dresen, Axel Hellmann, Oliver Mintzlaff und Fernando Carro - die Bundesliga ist gut vertreten durch alle Köpfe. Das ist zwar im täglichen Geschäft nicht so sichtbar, für den deutschen Fußball aber sehr wichtig.

Wie ist das Feedback zu den reformierten Wettbewerben?

Man sieht ja, wie spannend es in der Champions League an den letzten beiden Spieltagen wird. Manchester City, Real Madrid oder Paris SG müssen noch kämpfen, um sich zu qualifizieren. Oben sind dafür Lille und Brest dabei. Die Rückmeldungen in meine Richtung sind sehr positiv. Präsident Aleksander Ceferin wurde sehr gelobt in den vergangenen Sitzungen, weil die Uefa einen sehr guten Job gemacht hat.

Es gibt auch Kritik, besonders das Thema Überbelastung der Spieler nimmt immer mehr Fahrt auf. Wie sehr kann man noch an der Schraube drehen?

Das ist ein davon unabhängiges, aber tatsächlich sehr wichtiges Thema. Fifa, ECA und Uefa gehen gemeinsam in die Analyse. Alle Gremien nehmen das sehr ernst. Uns allen ist bewusst, dass man da nicht ins Unendliche gehen kann.

Wird da auch das Thema Klub-WM unter die Lupe genommen?

Was Belastungen angeht, liegt die Klub-WM sehr ungünstig. Wir als Bayer 04 wären zwar auch gerne dabei, aber ich weiß, dass es für die Saison danach nicht einfach wäre. Wenn man bis Mitte Juli spielt, haben die Spieler danach drei Wochen Urlaub und nur noch ein, zwei Wochen Vorbereitung. Zur Thematik des Kalenders und der Belastung müssen wir auf jeden Fall bis zur Klub-WM 2029 Lösungen finden.

2024 war ein besonderes Jahr für Bayer 04 – die erste Meisterschaft, das Double. An welchen Moment erinnern Sie sich besonders gern zurück?

Als ich nach dem Spiel gegen Bremen in der Bay-Arena vom Balkon in das Mikrofon gerufen habe und die Fans auf dem Rasen jubelten. Das war ein unbeschreibliches Gefühl, das werde ich nie vergessen. Mir war vorher nie eingeleuchtet, warum ein Balkon so wichtig sein soll. Ich habe immer gelacht, was das mit den Rufen nach einem Balkon soll. Da habe ich dann festgestellt, dass ein Balkon für eine Feier schon sehr wichtig ist (lacht).

Worauf sind Sie in diesem Jahr besonders stolz?

Die Stimmung im Stadion hat sich schon in den letzten Jahren verändert. Die Bay-Arena ist zeitweise ein Hexenkessel geworden. Wir sind stolz darauf, dass wir immer ausverkauft sind. Uns ist bewusst, dass wir das gute Zusammenspiel mit den Anhängern durch stetigen Dialog immer pflegen müssen. Mir tut es aktuell ein bisschen weh, dass wir so viele Menschen auf der Warteliste haben, aber so ist es eben. Das Wachstum des Vereins ist der Wahnsinn.

In der Champions League ist Bayer 04 sicher in der Zwischenrunde. Was bedeutet das für das Budget im Wintertransferfenster?

Das hat keinen Einfluss auf das Wintertransferfenster. Mein Kollege und Sportgeschäftsführer Simon Rolfes hat bereits gesagt, es müsste schon etwas Überraschendes kommen, um im Winter tätig zu werden. Zurzeit haben wir das nicht geplant.

Wie wichtig ist für die Zukunft von Bayer 04 der geplante Campus, auf dem die Profis und das NLZ vereint werden sollen?

Das ist für die Zukunft des Vereins eins der wichtigsten Projekte. Es wird die Wettbewerbsfähigkeit auf viele Jahre hinweg sicherstellen und Entwicklungsmöglichkeiten auf allen Ebenen verbessern. Deswegen arbeiten wir mit Hochdruck daran, eine Fläche zu bekommen, auf der wir bauen können. Es gibt übrigens gleichzeitig auch eine dringliche Notwendigkeit, da in sechs Jahren die Autobahn A1 neben der Bay-Arena ausgebaut wird. Das bringt immense Einschränkungen des Trainings- und Spielbetriebs mit sich. Wir sind demnach auch gezwungen, eine Lösung für die Zukunft zu finden, die gleichermaßen den Spielbetrieb der BayArena und des UHS dauerhaft ermöglicht sowie den stetig steigenden Anforderungen an den Trainingsbetrieb in allen Bereichen gerecht werden kann.“

Eine mögliche Fläche liegt zwischen Monheim und Langenfeld. Dort gibt es Streit um ein Wasserschutzgebiet. Wie kompliziert ist es, eine Fläche zu bekommen?

Milde ausgedrückt: In Deutschland bauen zu wollen, ist eine Herausforderung, die sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, die sehr viel Konsens- und Kompromissfähigkeit erfordert, die akribische Vorarbeit und gefühlt etliche Studien notwendig macht. Wir arbeiten seit beinahe zehn Jahren an diesem Thema. Wir prüfen auch alternative Flächen. Ich bin trotz aller Herausforderungen zuversichtlich, dass wir in naher Zukunft eine passende Fläche haben werden, auf der gebaut werden kann.

2025 könnte auch das Jahr werden, in dem Florian Wirtz Bayer 04 verlässt – trotz Vertrags bis 2027. Zuletzt gab es Berichte, er hätte seinen Vertrag bereits verlängert. Wie ist der Stand?

Ich hätte mich gefreut, wenn es wahr gewesen wäre. Der Stand ist, dass Florian bei uns einen Vertrag bis 2027 hat. Wir möchten, dass er mindestens bis zur WM 2026 in Leverkusen bleibt, was eine Verlängerung des Vertrages sinnvoll macht. Dazu sprechen wir sehr vertraulich mit ihm und seiner Familie.

Ist es auch denkbar, dass Florian Wirtz in der Saison 2025/2026 für Leverkusen spielt, ohne seinen Vertrag zu verlängern?

Das wird schwierig – so ehrlich muss man sein. Es ist nicht unmöglich, aber das ist nicht unsere Wunschvorstellung.

Mg Dublino 22/05/2024 - finale Europa League / Atalanta-Bayer Leverkusen / foto Matteo Gribaudi/Image nella foto: Xabi Alonso-Fernando Carro de Prada PUBLICATIONxNOTxINxITA

Xabi Alonso mit Fernando Carro.

Ein Wechsel von Wirtz zum FC Bayern würden Sie sich aber teurer bezahlen lassen als ins Ausland, oder?

Das ist auch eine Frage, welchen Wunsch Florian Wirtz hat, wenn er denn wechseln wollen würde. Wir erlauben uns aber auch zu sagen: Es gibt nicht mehr so viele Vereine, die besser sind als Bayer Leverkusen, um die Chance zu haben, Titel zu gewinnen.

Xabi Alonso hat sich in der vergangenen Saison trotz laufenden Vertrags noch einmal zu Bayer 04 bekannt, als Gerüchte um einen Wechsel des Trainers aufkamen. Wann soll denn diesmal Klarheit bestehen für die kommende Saison?

Wir gehen davon aus, dass er bleibt. Es gibt keine anderen Signale und keine anderen Anzeichen. Wir pflegen zu ihm, zu seiner Familie und seinem Berater ein sehr enges und vertrauensvolles Verhältnis. Sein Vertrag läuft darüber hinaus noch eineinhalb Jahre. Er ist wie üblich in alle Prozesse und Planungen, auch über die Saison hinaus, involviert.