Kaprun/Zell am See – Neben dem Spielfeld des Alois-Latini-Stadions in Zell am See haben die Leute von Bayer 04 Leverkusen ein riesengroßes Zelt aufgebaut, in dem man wunderbare Partys feiern könnte. Mit Freibier und Musik. Dazu ist dieses Zelt aber nicht da. Es ist die Gesundungsstation des Fußball-Bundesligisten, der seine verletzten und angeschlagenen Spieler hier inmitten des Trainingsbetriebs der Fitten betreuen kann, die nebenbei auch noch gepflegt werden und nach anstrengenden Einheiten oder Testspielen das Laktat auf Fahrradergometern aus ihren Beinen strampeln.
Inmitten dieses medizinisch-physiotherapeutischen Treibens fällt der schmächtige Florian Wirtz kaum auf. Nur manchmal, wenn er sich einen Basketball schnappt, um auf die zur Zerstreuung aufgestellten Körbe zu werfen, bemerkt man den 19-Jährigen, der sich von einem Kreuzbandriss im linken Knie erholt. Denn er wirft sie wie selbstverständlich fast alle durch den Ring. Flupp, flupp, flupp. Einen nach dem andern, denn ein Ball ist ein Ball, und alles, was mit einem Ball zu tun hat, kann Florian Wirtz besonders gut.
Das könnte Sie auch interessieren:
Meistens stehen dann seine Eltern am Spielfeldrand und freuen sich, dass es so zügig vorwärtsgeht mit der Wiederherstellung des Knieapparates nach dem kapitalen Bänderschaden im Derby gegen den 1. FC Köln am 13. März. „Bisher lief alles ziemlich gut“, sagt Vater und Berater Hans-Joachim Wirtz, „dass manchmal eine Belastungsreaktion kommt, das ist normal. Dann sagt das Knie: »Jetzt warst du aber nicht sehr nett zu mir.« Aber das ist ja das Prinzip der Reha, eine gezielte leichte Überlastung. Wir sind mit dem Verlauf bisher sehr zufrieden.“
Was das im Hinblick auf den Tag des Comebacks bedeutet, weiß allerdings heute noch keiner. Selbst so ein Quantensprung wie das erste ganz leichte Balltraining, bei dem Wirtz am vergangenen Freitag beobachtet wurde, lässt konkrete Schlüsse nicht zu, denn es ist nach Kreuzbandrissen normal, dass Fortschritte von Rückschritten begleitet werden.
Der Nationalspieler selbst aber berichtet davon, dass das sehr selten passiert sei im Verlauf der letzten vier Monate. „Mir geht es gut, die Reha verläuft gut, das Knie macht keine Beschwerden mehr“, sagt Wirtz am Montag in Kaprun. Die Zeit in der Nähe der Kollegen genießt der Nationalspieler. „Es gefällt mir sehr, dass ich nah bei der Mannschaft bin, dass die Jungs neben mir hier trainieren, dass ich einfach wieder mitbekomme, worum es in einem Training geht.“
Die Wochen im Frühjahr waren viel schlimmer. „Es ist nicht so einfach, jeden Tag in einem abgeschlossenen Raum dieselben Übungen zu machen“, erklärt Wirtz, „aber ich weiß, wohin ich will. Es zählt nur, dass mein Knie wieder gesund wird. Und da bin ich auch darauf eingestellt, dass mir nicht langweilig wird.“
Wirtz erzählt, dass er zu keinem Zeitpunkt in ein emotionales Loch von Leere und Verzweiflung gefallen sei. „Ich wurde von Anfang an gut aufgefangen von allen. Von meiner Familie, vom Verein, von den Jungs aus meiner Mannschaft, von meinen Freunden. Alle waren an meiner Seite. Auch der Arzt, der mich operiert hat. (Dr. Christian Fink in Innsbruck, d. Red.) Er hat mir gesagt, dass mein Knie wieder richtig gut werden kann und ich mir keine Sorgen machen muss. Deshalb war die Motivation bei mir direkt da.“
Das Thema Weltmeisterschaft in Katar, die am 21. November beginnt, war von Beginn an präsent. Dafür sorgte schon der Bundestrainer selbst. Hansi Flick war nach den Worten von Florian Wirtz „einer der Ersten“, die ihn nach der Verletzung angerufen haben. „Er hat mich auch zum Länderspiel nach Mönchengladbach eingeladen. Ich war dann nah bei der Mannschaft. Ich habe ein gutes Verhältnis zum Bundestrainer. Wir stehen immer in Kontakt.“ Wirtz selbst will das Thema WM-Teilnahme emotional aber nicht überfrachten. „Ich bin jung und habe viele Jahre vor mir. Ich denke nicht permanent daran.“
Vertragsverlängerung als Zeichen an den Klub
Die Reha hat Florian Wirtz auch dazu genutzt, seinen Vertrag bei Bayer 04 ohne Ausstiegsklausel bis 2027 zu verlängern. Er sieht da den größeren Zusammenhang. „Das war ein Zeichen an den Verein und an unsere Mannschaft. Patrik Schick hat auch bis 2027 verlängert und Adam Hlozek hat bis 2027 unterschrieben. Es ist Fakt, dass wir hier etwas aufbauen wollen, dass wir eine gute Mannschaft haben. Ich fühle mich hier sehr wohl im Verein. Ich glaube, dass ich hier in den richtigen Händen bin.“
Obwohl äußerlich nur noch eine etwa fünf Zentimeter lange Narbe auf seinem linken Knie an die Verletzung erinnert, ist Florian Wirtz noch Monate vom echten Comeback entfernt. Prognosen will er nicht treffen. „Es geht erst einmal darum, dass die Übungen auf dem Platz wieder schwerer und anstrengender werden. Ich will einfach alles perfekt vorbereiten für das erste Mannschaftstraining.“ Und wann wird das sein? Dazu Florian Wirtz: „Das wird mein Knie entscheiden. Aber sobald ich fit genug bin, werde ich auch darauf drängen, wieder dabei zu sein, weil ich den Fußball sehr vermisse.“