Leverkusen – Am Morgen danach fühlte Thomas Eichin vor allem Enttäuschung über die verpasste Chance. „Im Moment der Niederlage war man mit Trösten beschäftigt“, erklärte der Chef der Leverkusener Fußball-Frauen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, „aber je später der Abend wurde, desto mehr habe ich mich geärgert, denn wir hätten dieses Spiel einfach gewinnen müssen.“ Zweimal hatte der Außenseiter im Halbfinale des DFB-Pokals der Frauen gegen Turbine Potsdam geführt. Einmal nach dem Elfmetertor von Dina Blagojevic (66.) in der regulären Spielzeit, ehe dann durch einen unglücklichen Handelfmeter der Ausgleich durch die Ex-Leverkusenerin Isabel Kerschowski (82.) fiel. Und einmal im Elfmeterschießen, ehe zwei Fehlschüsse das Ticket zum Pokal-Finale am 28. Mai in Köln gegen den VfL Wolfsburg kosteten.
In den Minuten der Niederlage war die Enttäuschung bei der Mannschaft von Trainer Achim Feifel riesengroß. Gegen den seit Wochen ungeschlagenen Bundesliga-Dritten Potsdam hatte Außenseiter Bayer 04 (Platz sieben in der Liga) die besseren Chancen und war in der Verlängerung sogar das dominierende Team. 2000 Zuschauer sahen im Ulrich-Haberland-Stadion, wie die junge Mannschaft im Begriff war, den letzten Schritt auf die große Bühne zu tun. Am Ende blieb nur das schmerzhafte Gefühl dafür, was möglich gewesen wäre.
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Auch Mittefeldspielerin Juliane Wirtz (20) war den Tränen nahe. Nach einem hervorragenden Spiel war sie in der 77. Minute beim Stand von 1:0 ausgewechselt worden und musste das Drama der von außen miterleben. Aber sie war nicht alleine mit dem Unglück, denn ihr Bruder Florian (18), der aktuell verletzte Nationalspieler, stand ihr zur Seite. „Es ist ein sehr schönes Gefühl, dass er da war“, sagte Juliane Wirtz, „das ist eine Geschwisterverbindung. Er nimmt mich in den Arm und hört mir zu. Er ist eine große Stütze. Trotzdem ist es einfach bitter. Es ist ein Schlag ins Gesicht und tut einfach weh. “
Für die Frauen beim finanziell gut ausgestatteten Werksklub war der Abend dennoch ein Schritt nach vorn. Nie zuvor hatte es am Fuß der Bay-Arena eine solche Stimmung und solch dramatische Momente gegeben. „Es war trotz allem ein toller Fußball-Abend“, sagt Thomas Eichin, „in der Mannschaft steckt viel Entwicklungspotenzial, wir werden diesen Weg weitergehen.“ Der ehemalige Fußball-Profi und Manager (u.a. Kölner Haie und SV Werder Bremen) will die besten Spielerinnen halten und das Team punktuell verstärken, wirbt allerdings für einen nachhaltigen Aufbau anstelle aggressiver Transferpolitik.
„Unser Ziel ist die Stärkung des Unterbaus, der U 17, der U 19 und der zweiten Mannschaft. Hier können wir Talente entwickeln, die unserer ersten Mannschaft zu Gute kommen“, erklärt Eichin, der auch ein konkretes langfristiges Ziel hat: „Wir wollen zu den Mannschaften gehören, die hinter Wolfsburg und Bayern, die ein gutes Stück entfernt sind, um den dritten Platz im deutschen Frauenfußball spielen.“ Und dieser Platz heißt: Teilnahme an der Champions League.
Dass die Konkurrenz größer wird, ist ihm bewusst. Der 1. FC Köln ist als Bundesliga-Achter bereits auf Augenhöhe mit Bayer 04, RB Leipzig nimmt Anlauf für den Sprung in die Eliteklasse, Großklubs wie Dortmund und Schalke können es sich auch nicht mehr leisten, den Frauen-Fußball zu ignorieren. „Das ist das, was wir wollen und das ist das, was die Frauen verdient haben, dass es die maximale Konkurrenz gibt und die Großvereine dabei sind“, meint Thomas Eichin, „aber der Aufbau ist eben nicht so ganz einfach. Und hier haben wir denen, die erst noch nach oben kommen wollen, schon einiges voraus.“