Köln – Der SC Fortuna feierte kürzlich sein 70-jähriges Bestehen. Was bedeutet der Verein für Köln und speziell die Südstadt?Fortuna Köln ist ein fester Bestandteil der Südstadt-Kultur. Das habe ich hautnah in meinen 20 Jahren im Klub miterlebt. Ich war bestimmt 1000 Mal mit Jean Löring im Schmitze Lang (ein Brauhaus, d. Red.) und bin die Severinstraße runtergegangen. Da kam man mit ihm zusammen kaum durch (lacht).
Was bedeutet die Fortuna für Sie persönlich?Meine Zeit waren die Jahre unter Löring, ganz klar. Dass ein Spieler zehn Jahre Profi bei einem Verein ist und dann noch dreimal als Trainer wiederkommt – ich weiß nicht, ob es das sonst schon irgendwo mal gab oder irgendwo noch einmal geben wird. Ich habe aktiv gespielt bis 1984 und war quasi am nächsten Tag Cheftrainer. Dann musste ich zu meinen Kameraden gehen, mit denen ich teilweise acht Jahre gespielt hatte, und plötzlich Anweisungen geben: „Du spielst Samstag nicht.“ Dann kam die Antwort: „Aber wieso nicht? Wir sind doch Freunde.“ Da gab es schon einige kuriose Szenen. Das erste Jahr war schwierig, das zweite Jahr dann deutlich besser. 1986 haben wir es in die Aufstiegsrelegation gegen Borussia Dortmund geschafft.
Wo die Fortuna das Hinspiel 2:0 gewann, das Rückspiel 1:3 verlor und im Wiederholungsspiel 0:8 unterging.Das war diskussionslos bitter. Die Aufstiegsfeier war hier auf der Severinstraße schon geplant, es war alles vorbereitet. Und wir führen nach anderthalb Spielen 3:0 und packen es doch nicht, wegen einem Tor in letzter Minute im Rückspiel. Elfmeterschießen gab es damals ja noch nicht. Fast noch bitterer war es aber 1989. Da waren wir drei Spieltage vor Schluss Erster, hatten noch zwei Heimspiele und ein Auswärtsspiel. Wir hätten nur noch theoretisch Vierter werden können – was wir dann auch geschafft haben. Unbegreiflich. Es hat einfach nie mit dem Aufstieg geklappt.
Eines der Highlights für Sie als Spieler war sicher das Pokalfinale 1983, dass die Fortuna unglücklich 0:1 gegen den 1. FC Köln verlor.Das eigentlich Großartige war der Weg ins Endspiel. Lospech im Achtelfinale, wir müssen zu Eintracht Braunschweig. Starker Erstligist damals, der zu Hause nie verloren hat. Eigentlich warst du mit dem Los ausgeschieden. Aber wir gewinnen 2:1. Dann Viertelfinale, wieder Lospech: In Mönchengladbach, damals mit Trainer Jupp Heynckes. Wir liegen zur Halbzeit 0:2 hinten, spielen dann aber noch 2:2. Und raten Sie mal, wer mein direkter Gegenspieler im Mittelfeld war…
Lothar Matthäus?Genau! Und an dem Tag war ich besser als Lothar, das glaubt mir meine Frau bis heute nicht (lacht). Mittlerweile gibt’s ja nach der Verlängerung Elfmeterschießen, damals gab es ein Wiederholungsspiel. Das war im Südstadion, das erste Mal ausverkauft. Wir waren besser und gewinnen 2:1. Das Halbfinale war dann ein grandioses Ereignis für Fortuna, gegen Dortmund. Und wir schlagen die Spitzenmannschaft der Bundesliga 5:0. Aber ich habe das Kunststück fertiggebracht, an diesem Tag schlecht zu spielen. Andere haben da das Spiel ihrer Karriere gemacht, ich war unser schlechtester Mann. Das kann ich bis heute nicht verstehen, wie ich das geschafft habe (lacht).
Und das Finale gegen den 1. FC Köln?Wir waren in der ersten Halbzeit das bessere Team, hätten 1:0 oder 2:0 führen können, vergeben aber die Chancen. Dann verlieren wir das Spiel durch ein dummes Gegentor 0:1. Aber es war trotzdem schön.
Ex-Fortuna-Torwart Jacek Jarecki hat einmal erzählt, wie er sein Gehalt in einem Tennis-Fußball-Match gegen den legendären Mäzen Jean Löring in dessen Eifel-Schloss ausspielte – und verlor. Was für Erinnerungen haben Sie an „De Schäng“?Da habe ich etwas Ähnliches, meine erste Prämienverhandlung im Trainingslager in Österreich. Wolfgang Fahrian war Kapitän, Peter Boers, Noel Campbell und ich waren im Mannschaftsrat. Morgens sagte einer, dass Jean Löring krank sei, die Verhandlung aber hinter sich bringen möchte. Dann standen wir vier im Hotelzimmer im Kreis um sein Bett. Das war 1974, die Saison nach Fortunas einzigem Bundesliga-Jahr. Wolfgang Fahrian hat erklärt, dass wir direkt wieder aufsteigen möchten. 400 Mark Prämie pro Punkt hat er vorgeschlagen. Das würde uns noch einmal zusätzlich motivieren.
Wie hat Löring reagiert?Da hat er einen schweren Hustenanfall bekommen und sich im Bett gewälzt. „Was ihr für Forderungen stellt. Ich bin krank! Ihr wollt mich ruinieren!“, hat er gesagt. Ich war ganz neu, ich kannte so etwas nicht, ich war völlig verblüfft. Unter schwersten Hustenanfällen hat er uns dann so unter Druck gesetzt, dass wir nachher für die Hälfte zugestimmt haben, 200 Mark pro Punkt. Als wir rausgegangen sind, habe ich zu Noel Campbell gesagt: „Mensch, hätten wir das überhaupt machen dürfen? Der ist doch so krank und wir belasten ihn so.“ Da sagt Noel: „Bist du eigentlich besoffen? Der ist Schauspieler, der hat gar nichts, der will nur nicht bezahlen!“
Zu Person und Spiel
Johannes „Hannes“ Linßen, geboren am 28. September 1949 in Wachtendonk, spielte für den MSV Duisburg (123 Einsätze von 1968 – 1974) und Fortuna Köln (321, 1974 – 1984). Als Trainer drei Mal bei Fortuna (1984 – 1986/1987 – 1989/1993 – 1995) und von 1996 – 1998 beim FC Gütersloh, von 1998 – 2002 Sportdirektor des 1. FC Köln.
Drittligist Fortuna Köln spielt am Samstag (14 Uhr) beim Tabellenschlusslicht Rot-Weiß Erfurt. Der Südstadt-Klub braucht einen Sieg, um den Anschluss im Aufstiegsrennen nicht zu verlieren. (ckr)
Also ist Löring zu der Zeit noch bewusst mit seinem Geld umgegangen.Wo ich bei Fortuna war: ja. Und klar ist, dass es die Fortuna ohne ihn nicht gegeben hätte. Wir hätten nicht einmal Bälle gehabt. Am Ende hat sich das geändert, zu der Zeit, als ich Manager beim 1. FC Köln war (1998 – 2002, d. Red). Natürlich kannte ich aber auch die Fortuna-Verträge. Und in der Saison 1999/2000, als der FC und Fortuna beide in der 2. Bundesliga gespielt haben, da standen Kölns drei bestverdienende Fußballer bei Fortuna unter Vertrag. Am Ende ist der FC auf- und die Fortuna abgestiegen. Warum Löring da so ein Risiko eingegangen ist, habe ich nie verstanden. Aber danach war mir klar, dass es in einer Insolvenz enden wird.
Wie war in dieser Zeit Ihr Kontakt zu Löring?In meinen drei Amtszeiten von Fortuna bin ich nur in der letzten entlassen worden, sonst bin ich immer zurückgetreten. Und das hätte er, ist jedenfalls meine Meinung, besser machen können. Darum habe ich wenig mit ihm gesprochen. Aber ich wusste auch nicht, dass er so schwer krank war. Heute tut es mir sehr leid, denn nach den vielen Jahren hatte er eine schlechte Entlassung auf jeden Fall gut. Ich hätte ihm gerne noch einmal gesagt, dass ich immer gerne bei der Fortuna war. Den Zeitpunkt habe ich leider verpasst.
Nach Löring (†2005) war Klaus Ulonska (†2015) die nächste prägende Figur bei Fortuna, mittlerweile funktioniert es ohne so eine allgegenwertiges Persönlichkeit. Wie sehen Sie die Entwicklung?Ich bin nur noch ab und zu im Südstadion, aber der aktuelle Erfolg gibt den Verantwortlichen Recht. Fortuna hat nicht die größten Möglichkeiten, darum müssen Hanns-Jörg Westendorf, Michael W. Schwetje und Uwe Koschinat einen tollen Job machen. Ich bin beeindruckt, vielleicht klappt es ja mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga.