Sieben Spieler und drei Staff-Mitglieder von Rot-Weiss Köln verhalfen Deutschland zum Titel in Indien. Und der Bundestrainer ist ein Ex-Kölner.
Kölner Hockey-Profi„Ich bin emotional total durch. Wir sind Weltmeister!“
Um kurz vor Mitternacht Ortszeit saß Timur Oruz in Bhubaneswar auf seinem Hotelzimmer und wusste nach den ersten Jubelfeierlichkeiten nicht, wohin mit seinen Gefühlen. „Es ist totaler Wahnsinn, wir sind Weltmeister. Ich bin emotional total durch. Aber was das bedeutet, Weltmeister zu sein, das kann ich noch nicht verstehen, das muss später kommen“, sagte der Routinier von Rot-Weiss Köln im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Der Krimi des Penaltyschießens gegen Belgien steckte ihm noch in den Knochen. Zwei andere Kölner waren hier zu Helden geworden. Torhüter Jean-Paul Danneberg, der nur für diese Entscheidung aufs Feld gekommen war und schließlich den entscheidenden Versuch abgewehrt hatte. Und Thies Prinz, der, weil eine Runde Penaltyschießen nicht gereicht hatte, gleich zwei Versuche verwandelte und so entscheidend dazu beigetrug, dass Deutschland dieses Endspiel mit offiziell 5:4 (3:3, 1:2) Toren über den Titelverteidiger gewann und zum dritten Mal in seiner Geschichte Hockey-Weltmeister wurde.
Auch Co-Trainer, Athletic-Coach und Arzt kommen aus Köln
Wie viel Köln in diesem historischen Titel steckt, macht die Aufzählung der Beteiligten deutlich. Außer Oruz, Danneberg und Prinz gehörten zum siegreichen deutschen Team die Rot-Weiss-Spieler Mats Grambusch (Kapitän), Tom Grambusch, Christopher Rühr und Moritz Trompertz. Aber damit nicht genug.
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Der aktuelle Kölner Trainer Pasha Gademann fungierte bei der Nationalmannschaft als Assistent von Bundestrainer Andre Henning, der vor seiner Berufung in dieses Amt selbst sechs Jahre Trainer bei Rot-Weiss war. Falk Schade (Athletik-Coach) und Philip Ibe (Mannschaftsarzt) gehörten ebenfalls zum Staff. Zehn Kölner und ein halber für die Weltmeisterschaft. Das gibt es nur im Hockey.
Alle gönnten sich alles. Und alle waren sich einig darin, dass der Superstar des deutschen Hockeys aus Krefeld kommt. Torjäger Niklas Wellen hatte mit sieben WM-Toren und zwei verwandelten Penaltys im Finale einen großen Anteil am Triumph eines Teams, das allenfalls als Mitfavorit ins Turnier gegangen war. Sozusagen nebenbei war Wellen während der WM in Ostindien Vater geworden.
„Die letzten drei Wochen waren die großartigsten meines Lebens. Dass wir heute gewinnen, ist Wahnsinn, ich bin sprachlos“, sagte der 28-Jährige, den der Weltverband selbstverständlich auch zum besten Spieler des Turniers bestimmte. „Der Junge ist ein absolutes Phänomen. Er ist für mich derzeit der beste Hockeyspieler der Welt. Er hat uns durch das Turnier getragen“, sagte der Kölner Moritz Trompertz. Bundestrainer Andre Henning war einfach nur „unglaublich glücklich für diese wahnsinnige Mannschaft. Jetzt sind wir an der Spitze.“
Timur Oruz versuchte, zu verstehen, welch lange Geschichte dieses dritte WM-Gold nach 2002 und 2006 hatte. Er erinnerte sich an 2013, als ein Großteil dieser Mannschaft unter dem aktuellen Bundestrainer Andre Henning U-18-Weltmeister geworden war. Auch in Indien.
„Es war eine unglaubliche Reise für uns“, sagte der 29-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung, „der Zusammenhalt in unserem Team ist bedingungslos. Wir kennen uns alle so lange und vertrauen uns blind. Sonst hätten wir in den K.o.-Spielen gegen die besten Mannschaften der Welt nicht dreimal einen 0:2-Rückstand aufholen können.“
Und für wenige Momente durfte die Sportart Hockey, die Deutschland vor allem bei Olympischen Spielen Medaillen liefern soll, ihr Nischendasein verlassen. Irgendwo im Büro des Bundeskanzlers war wohl ein Licht angegangen, und so ließ Olaf Scholz noch am Sonntagabend die Botschaft überbringen: „Das war eine beeindruckende Leistung! Gratulation an die Herren-Hockeynationalmannschaft zum Gewinn der Weltmeisterschaft“.
Abgesehen von den Übertragungen des Streamingdienstes DAZN hatte das Ereignis medial aber vorwiegend im Verborgenen stattgefunden. Die Öffentlich-Rechtlichen hatten auch das Finale nicht übertragen.
Timur Oruz findet fehlende TV-Präsenz skandalös
Timur Oruz, der auch mit dem von ihm initiierten „Verbund Kölner Athleten“ für mehr Sichtbarkeit erfolgreicher olympischer Sportler in der Öffentlichkeit kämpft, war ziemlich sauer: „Für mich ist es ein Skandal, dass wir von den Öffentlich-Rechtlichen ignoriert wurden. Die haben einen Bildungsauftrag. Ein WM-Finale im Hockey hätte dazugehört. Aber es ist leider so, wie es ist. Ich erwarte da auch keine Wunder durch diese WM.“
Immerhin findet im Sommer dieses Jahres die Hockey-Europameisterschaft in Mönchengladbach statt (18. - 27. August). Wie Bundestrainer Andre Henning hofft Oruz auf Rückenwind für dieses Event im eigenen Land: „Ich denke schon, dass der WM-Titel uns dafür einen Schub geben wird und vielleicht auch mehr Beachtung, als es sonst der Fall gewesen wäre.“
An der aktuellen Euphorie konnten diese grundlegenden Gedanken allerdings nichts ändern. Die Hockey-Spieler haben den Pokal nach Deutschland und zu einem guten Teil auch nach Köln geholt. Sie sind das einzige deutsche Team in einer Olympischen Ballsportart, das sich aktuell Weltmeister nennen darf. Kapitän Mats Grambusch fehlten dafür auch lange danach noch die Worte. Sein Kommentar lautete einfach: „Unglaublicher Scheiß.“