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Turn-Ikone Hambüchen„Es kann keiner mal eben in meine Fußstapfen treten“

Lesezeit 5 Minuten
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Fabian Hambüchen

  1. Fabian Hambüchen ist das Gesicht des deutschen Turnens – obwohl er nicht mehr aktiv ist.
  2. Im Vorfeld der WM in Stuttgart dachte Hambüchen allerdings ernsthaft über ein Comeback nach.
  3. In Interview spricht der Bergisch Gladbacher über die Situation des deutschen Turnens und erklärt, warum er sich gegen ein Comeback entschieden hat.

KölnHerr Hambüchen, 2007 sind Sie in Stuttgart Reck-Weltmeister geworden, da nahm Ihre Karriere als Turner, die 2016 in Rio mit dem Olympiasieg am Reck endete, so richtig Fahrt auf. Jetzt findet wieder eine Turn-WM in Stuttgart statt. Und es heißt, Sie hätten mit einem Comeback geliebäugelt?

Ja, das stimmt. In Rio habe ich meine Karriere offiziell beendet. Nachdem meine Schulter operiert worden war, habe ich dann 2017 noch mal eine Saison in der Bundesliga mit geturnt. Da war ich noch mal richtig fit. Deshalb habe ich mich immer mal wieder gefragt: War das der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören? Eigentlich warst du doch noch gut drauf. Als wir dann vor ein paar Wochen die Medaillen für die WM in Stuttgart präsentiert haben, ging noch mal richtig was ab innerlich.

Zur Person

Fabian Hambüchen, geboren am 25. Oktober 1987 in Bergisch Gladbach, Ex-Turner, Sportstudent, Experte bei Eurosport, Vortragsredner. Erfolge: Reck-Olympiasieger 2016, Reck-Weltmeister 2007, Olympia-Zweiter 2012, Olympia-Dritter 2008, sechsmaliger Europameister. Sportler des Jahres 2007 und 2016. Hambüchen lebt in Wetzlar und schreibt gerade an seiner Bachelor-Arbeit. (sro)

Aber da war es zu spät.

Stuttgart wäre natürlich nicht mehr gegangen. Aber Tokio war plötzlich noch mal interessant. Also habe ich mich mit meinem Vater hingesetzt, und wir haben überlegt, ob ich das von den Qualifikationskriterien her überhaupt noch schaffen könnte. Da haben wir relativ schnell festgestellt: Ist nicht, keine Chance. Inzwischen bin ich ganz froh. Ich kann jetzt endlich einen Haken dran machen an das Thema, denn ich hätte mir ja eigentlich nur ins eigene Bein schießen können. Es sei denn, ich hätte gewonnen in Tokio. Alles andere wäre eine Klatsche geworden. So habe ich meine Karriere in Rio mit dem Olympiasieg beendet. Besser geht es nicht.

Trotzdem sind Sie in Sachen WM ein gefragter Gesprächspartner, weil seit Ihrem Rücktritt kein anderer Athlet ins Rampenlicht gerückt ist. Gut für Sie, schlecht für das deutsche Turnen – oder?

Das muss man differenziert sehen. Was ich mir da über 15 Jahre aufgebaut habe, kann keiner von heute auf morgen übernehmen. Es kann keiner mal eben in meine Fußstapfen treten. Marcel Nguyen, der auch schon lange dabei ist und große Medaillen gewonnen hat, ist leider verletzt, damit fehlt gerade das Gesicht der Mannschaft. Aber wir haben Andreas Toba, der relativ bekannt ist, seit er in Rio mit Kreuzbandriss weiter geturnt hat. Wir haben Lukas Dauser, der vor zwei Jahren Vize-Europameister am Barren geworden ist. Aber klar, ich bin Botschafter der WM, ich bin viel im Einsatz.

Stört sie das?

Nein. Man muss realistisch bleiben. Es gibt immer wieder Durststrecken. Vor mir war auch acht Jahre lang nicht viel los. Jetzt haben wir wieder so eine Phase. Viel wichtiger ist doch, dass wir wieder eine WM im eigenen Land haben. Die Ticketverkäufe laufen so gut, da kannst du dich als Sportler auf eine so geile WM freuen. Die Halle wird voll sein. Da tun mir die Leichtathleten in Doha grade leid, die da vor leeren Rängen ihren Sport machen. Das ist doch echt Mist. Stuttgart ist das Wimbledon des Turnens, da wird Stimmung aufkommen, die wird atemberaubend sein.

Sie hören sich gemäßigter an als zuletzt. Sie hatten den Deutschen Turner-Bund und die Nachwuchs-Turner sehr harsch kritisiert, schlechte Organisation der Vermarktung und mangelnder Biss lauteten Ihre Vorwürfe.

Ich habe Kritik geäußert, dazu stehe ich auch. Ich habe mir aber schon auch ein bisschen den Frust von der Seele geredet. Aber es war konstruktive Kritik. Und so, wie der DTB darauf reagiert hat, ist man bereit, die Sache gemeinsam anzugehen. Man muss halt überlegen, was man verbessern kann, damit es wieder eine Ära mit erfolgreichen deutschen Turnern geben wird. Es hat mich gefreut, wie der DTB reagiert hat, dass man sich einsichtig zeigt und ich offenbar weiter zum Team gehöre. Dass ich nicht nur der ehemalige Turner bin, der meint, sich kritisch äußern zu müssen. Das Gute ist ja auch, dass die Mädels momentan super drauf sind. Sie sind eher in der Position, nach den Medaillen zu greifen. Da könnte es auf der Frauenseite diesmal eher eine Euphoriewelle geben.

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Sie können sich also vorstellen, dem Turnen weiter beruflich verbunden zu bleiben?

Absolut. Wir haben schon mal überlegt, wie das aussehen kann. Aber im Moment bin ich durch meine Sponsoren und als Experte noch so eingespannt, dass wir uns noch nicht auf ein Arbeitsverhältnis geeinigt haben.

Was können Sie jungen Menschen sagen, warum lohnt es sich, sich für das Turnen zu begeistern und sich im Training zu quälen?

Wenn ich erst mal nur das allgemeine Turnen betrachte: Das ist das Beste, was jedes Kind machen kann, selbst wenn es Fußballer werden will. Turnen ist die beste Grundlage für alles. Du lernst deinen Körper kennen, du lernst das Thema Beweglichkeit kennen, Koordination, Konzentration. Die körperlichen Voraussetzungen, die man durch das Turnen erlangt, sind für jeden weiteren Sport Gold wert.

Und wenn es in Richtung Leistungssport geht?

Da muss man den Willen haben, denn das ist viel Arbeit und geht schon relativ früh los. Aber Turnen ist einfach so ein faszinierender Sport. Es ist so geil, was man irgendwann alles kann. Da schlackert ein normaler Mensch nur mit den Ohren. So eine Riesenfelge am Reck, Doppelsalto in der Luft mit Schrauben, dieses Gefühl, zu fliegen, immer zu wissen, wo du bist – das kannst du dann im Freibad vom Dreimeterbrett machen. Es ist Wahnsinn. Ich liebe diesen Sport. Ich würde das immer wieder machen.