Frau Doktor Auer, die WHO bezeichnet den Klimawandel als „größte Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts“. Welche Folgen sind für die kindliche Gesundheit besonders gefährlich?Der Körper eines Kindes überhitzt und trocknet auch schneller aus. Die Temperaturregulation funktioniert noch nicht perfekt. Deshalb leiden Kinder beispielsweise mehr unter dem Temperaturanstieg in Folge der Klimakrise als gesunde Erwachsene. Babys sollten an heißen Tagen häufiger gestillt werden oder zusätzliche Flüssigkeit angeboten bekommen, ab sechs Monaten am besten Wasser.
Gilt das auch für Babys, die noch gar nicht auf der Welt sind?
Die Gefahr beginnt schon im Mutterleib. Wenn die Schwangere großer Hitze ausgesetzt ist, hat das Baby ein erhöhtes Risiko zu früh zur Welt zu kommen. Eine Frühgeburt wiederum birgt andere Gesundheitsrisiken, zum Beispiel Entwicklungsstörungen oder spätere Lungenkrankheiten. Auch Totgeburten sind während Hitzewellen wahrscheinlicher.
Andere Extremwetterereignisse wie starke Regenfälle sind für Kinder ebenfalls gefährlicher, weil sie immer davon abhängig sind, dass Erwachsene ihre Gesundheit und ihr Leben schützen.
Studien zeigen, dass auch Waldbrände eine erhebliche Gesundheitsgefahr sind.
Intakte Wälder gehören zu unseren wichtigsten Lebensgrundlagen. Brennt ein Wald, geht ein ganzes Ökosystem in Flammen auf. Außerdem gelangen Feinstaub und andere giftige Stoffe in die Luft. Diese können zu Asthma und anderen Lungenerkrankungen führen. Aus der Forschung wissen wir, dass Straßenverkehr ähnliche Folgen hat. Kinder, die nur 50 Meter von einer stark befahrenen Straße entfernt wohnen, haben ein bis zu 50 Prozent höheres Risiko asthmatische Bronchitis, Heuschnupfen und Ekzeme zu bekommen. Das Risiko, später im Leben Lungenkrebs oder einen Herzinfarkt zu entwickeln, ist ebenfalls höher.
Was macht den Feinstaub so gefährlich?
Desto kleiner der Feinstaub ist, desto tiefer dringt er in die Atemwege ein. Treffen Pollen und Feinstaub aufeinander, wird das Bronchialsystem zusätzlich gereizt und die Immunreaktion verstärkt. Manchen Kindern macht das gar nichts. Andere sind durch eine genetische Veranlagung vorbelastet. Es gibt auch einen Zusammenhang von Feinstaubbelastung zu Diabetes und anderen Stoffwechselerkrankungen. Durch die Giftstoffe wird die Insulinresistenz erhöht und Glukose kann nicht so gut umgewandelt werden.
Leiden Babys auch hier schon im Mutterleib?
Feinstaub ist wie Hitze ein Faktor, der Frühgeburten befördert. Die Feinstaub-Aufnahme der Mutter bestimmt darüber hinaus das spätere Krankheitsrisiko des Kindes. Es ist grausam, wie stark die Umweltfaktoren die Geburtsbedingungen, aber auch die spätere Entwicklung und Gesundheit des Kindes beeinflussen. Häufig wohnen Frauen mit niedrigerem sozio-ökonomischem Status in der Nähe vielbefahrener Straßen und können sich schlechter vor den Umweltbedingungen schützen.
Viele Menschen klagen, dass ihre Allergien in den letzten Sommern schlimmer wurden.
Durch die veränderten Umweltbedingungen geht die Allergie-Saison früher los und dauert länger. Auch der Zusammenhang mit der Feinstaubbelastung trägt wie eben erwähnt dazu bei. Es sind außerdem aggressive, neue Pollen dazu gekommen, wie die der invasiven Ambrosia. Sie verdrängt andere heimische Pflanzen und macht sich breit. Gerade das Immunsystem der Kinder entwickelt sich noch und ist empfindlicher. Eltern dürfen daraus aber nicht ableiten, dass man die Kinder von Pollen und Schmutz fernhalten sollte. Das Immunsystem braucht auch Training.
Das veränderte Klima macht Deutschland auch für Mücken zu einem attraktiveren Lebensraum.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich hier künftig Mücken ansiedeln, die neue Krankheiten übertragen. Zum Beispiel ist die asiatische Tigermücke, die Dengue-Fieber oder das Zikavirus übertragen kann, bereits in einigen Gegenden Baden-Württembergs heimisch und es gab auch schon Einzelfälle von Dengue-Virus-Übertragungen in Europa. Damit die Mücke Krankheiten im großen Stil von Mensch zu Mensch überträgt, müssen einige Faktoren zusammenkommen, zum Beispiel muss es mehrere Wochen lang kontinuierlich sehr warm sein.
Gibt es noch andere gefährliche Überträger, die bei uns heimisch werden könnten?
Auch Zecken, die FSME und Borreliose übertragen, finden durch den Temperaturanstieg immer bessere Lebensbedingungen in unseren Breitengraden vor. Lange gab es sie vor allem in Süddeutschland, nun wandern sie nach Norden. Außerdem halten Zecken keinen Winterschlaf mehr, sondern sind fast das ganze Jahr aktiv. So steigt natürlich das Risiko der Übertragung.
So können Sie helfen
„wir helfen: damit alle Kinder bei uns eine Zukunft haben“
Mit unser neuen Aktion „wir helfen: damit alle Kinder bei uns eine Zukunft haben“ bitten wir um Spenden für Projekte in Köln und Umgebung, die Kindern und Jugendlichen eine gute körperliche und geistige Entwicklung ermöglichen. Die gesamte Spendensumme wird weitergegeben, die Verwaltungskosten trägt der Verlag M. DuMont Schauberg.
Die Spendenkonten lauten:„wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.“Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 3705 0299 0000 1621 55Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 3705 0198 0022 2522 25
Kinder halten sich auch viel eher als Erwachsene dort auf, wo die Zecken sind: im Wald, im Garten, auf der Wiese. Für FSME ist es wichtig, sich beim Kinderarzt zu informieren, ob eine FSME-Impfung für den eigenen Wohnort oder eine Urlaubsreise empfohlen wird.
Welche psychischen Folgen hat die Klimakrise für Kinder und Jugendliche?
Bei vielen Kindern, die von der Flut im vergangenen Sommer betroffen waren, wurde das Zuhause, die Kita oder die Schule zerstört. Nach solchen Erlebnissen können sie eine posttraumatische Belastungsstörung oder eine Depression entwickeln. Aber auch abseits von solchen sich häufenden Starkwetterereignissen kann die Klimakrise Angst, Sorge, Wut und Hoffnungslosigkeit auslösen. „Fridays for Future“ ist entstanden, weil Kinder und Jugendliche diese „Klima-Gefühle“ haben.
Der Begriff Solastalgie beschreibt zum Beispiel das Gefühl, das man hat, wenn man einen abgestorbenen Wald sieht. Es ist eine Art Trauer, um eine zerstörte Umwelt, die einem vertraut war. Aus diesen Gefühlen können Jugendliche aber auch bestenfalls Energie und Motivation generieren – wie bei den „Fridays for Future“-Aktivisten.
Sehen Sie sich selbst auch als Klima-Aktivistin – obwohl sie eigentlich Ärztin und Wissenschaftlerin sind?
Ich finde, Wissenschaftler und Ärzte müssen zu Aktivisten werden. Es reicht nicht mehr, Studien vorzulegen, die die Klimakrise belegen. Das machen wir seit 50 Jahren und wozu hat das geführt? Wir wissen, wovon wir sprechen, wenn es um den Erhalt und den Schutz unserer Gesundheit geht.
Ich kann als Ärztin natürlich auch jedem Patienten, der zu mir kommt, einfach ein Asthma-Spray verschreiben. Oder ich fordere von der Politik, dass sie einen Rahmen schafft, in dem mein Patient oder meine Patientin gar nicht erst Asthma bekommt. Klimaschutz ist immer auch Gesundheitsschutz des Einzelnen und der gesamten Bevölkerung.
Über Isabel Auer
Isabel Auer ist Ärztin und hat einen Master in Fach „Public Health“. Die Bonnerin arbeitet gerade in einem Forschungsprojekt zu Extremwetterereignissen und den Auswirkungen auf die psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sie engagiert sich außerdem in der Deutschen Allianz für Klimawandel und Gesundheit (KLUG), einem Zusammenschluss aus Medizinern, Pflegern und Forschungsinstituten aus dem Gesundheitsbereich.