Mehr Jungunternehmen, mehr Investitionen: In der Kölner Start-up-Szene läuft es gut – zumindest für die vier Unternehmen, die den Großteil des Kapitals eingesammelt haben.
Mehr Investitionen als im VorjahrDiese Kölner Start-ups haben 2024 am meisten Geld eingesammelt
Die Kölner Start-up-Landschaft ist im Jahr 2024 deutlich gewachsen. Mit insgesamt knapp 800 Jungunternehmen stehen gut neun Prozent mehr Neugründungen zu Buche als im Vorjahr, teilt die Kölner Wirtschaftsförderung Köln-Business mit. Auch die Investitionen sind stark gestiegen: 381 Millionen Euro wurden 2024 in Kölner Jungunternehmen investiert, ein Plus von 71 Prozent.
Deepl: 272 Millionen Euro
Millionen Menschen lassen sich mittlerweile von Deepl kostenlos Texte übersetzen. Der Kölner Technologiespezialist bietet neben einem kostenlosen Angebot für kurze Textübersetzungen auch eine kostenpflichtige Lösung für Unternehmen und Organisationen an, die viel übersetzen müssen und dabei ihre Daten schützen wollen. Mehr als 100.000 Unternehmen und Behörden weltweit nutzen Deepl zufolge dessen Übersetzungs- und Schreiblösungen, darunter die Deutsche Bahn. Damit finanziert sich das Unternehmen, denn die Firmenkunden zahlen für die Profi-Version des Übersetzers. Dafür können sie unter anderem unternehmenseigene Wörterbücher hinterlegen, um die Übersetzungsqualität zu steigern.
In der Kölner Start-up-Landschaft spielt Deepl in einer eigenen Liga, die Firma ist das wertvollste KI-Start-up Deutschlands. 2024 gab es 272 Millionen Euro frisches Kapital – das sind rund 70 Prozent der Kölner Start-up-Investitionen.
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Das Geld konnte Deepl gut gebrauchen, denn 2024 war einiges los. Die Firma hat eine neue Generation seines Sprachmodells auf den Markt gebracht, mit dem sie die Qualität ihrer maschinellen Übersetzungen erhöhen will. Zudem hat der Technologiespezialist in die USA expandiert. Im März hatte die Firma ein Büro im texanischen Austin in Nähe zu Techgiganten wie Apple, Amazon und Google eröffnet. Im Herbst folgte der zweite Streich in New York City. Im November hat die Firma ihre neue Funktion „Voice“ angekündigt, die virtuelle Meetings in mehreren Sprachen und auch persönliche Konversationen simultan übersetzt. Deepl-Voice ist der erste Vorstoß des Unternehmens in die Sprachübersetzungssparte.
Bezahl.de: 22 Millionen Euro
Lasse Diener und Ulrich Schmidt sind 2018 angetreten, um Zahlungsprozesse im Automobilsektor zu digitalisieren. Sie gründeten das Finanz-Start-up Bezahl.de mit Sitz am Hohenzollernring – und sind damit eigenen Angaben zufolge in mehr als tausend Autohäusern hierzulande im Einsatz. Die Zahlungsplattform lässt sich in die bestehenden Systeme der Händler integrieren und wickelt alle Prozesse ab, die rund um Autokauf und Werkstadtreparaturen anfallen.
Statt Rechnungsdetails händisch einzugeben, am Monatsende Außenstände aus dem System zu filtern oder Mahnungen zu schreiben, wickelt Bezahl.de diese Prozesse automatisch ab. Das soll nicht nur dazu führen, dass Autohäuser schneller ihr Geld erhalten, sondern auch ein „modernes Bezahlerlebnis“ für Endkunden schaffen, sagt die Firma.
Bezahl.de hat vergangenes Jahr Kapital in Höhe von 22 Millionen Euro eingesammelt, unter anderem von Paypal Ventures, der Wagniskapital-Sparte des US-Bezahldienstes. Die Firma hinter der Plattform heißt inzwischen Aufinity Group (vorher: NX Technologies). Während Bezahl.de den deutschsprachigen Markt bedient, tritt die Zahlungsplattform international unter der Marke Aufinity auf. Das frische Kapital ist unter anderem für die Auslandsexpansion gedacht: Erste Kooperationspartner in Spanien und Italien gibt es bereits.
Disco Pharmaceuticals: 20 Millionen Euro
„Unsere Technologie ist wie Google Earth. Nur dass wir keine Städte kartieren, sondern die Oberfläche von Krebszellen.“ In einfachen Worten erklärt Roman Thomas eine Technologie, die so komplex ist, dass man Mühe hat zu verstehen, was hier gerade Revolutionäres entwickelt wird. Mit seinem Start-up Disco Pharmaceuticals entwickelt Thomas seit zwei Jahren eine Antikörpertherapie, die kleinzelligen Lungenkrebs und Dickdarmkrebs therapieren soll.
Während eine klassische Chemotherapie alle schnell wachsenden Zellen im Körper angreift, richtet sich eine Therapie mit Antikörpern gezielt gegen ein bestimmtes Merkmal der Tumorzellen. Die Antikörper werden im Labor hergestellt und greifen gewisse Eiweiße auf der Oberfläche der Krebszelle an. „Diese Therapie gibt es schon länger und in vielen Varianten. Das Problem war bislang, dass wir wenig über die Zelloberfläche wussten“, sagt Thomas.
Das soll die Technologie von Disco Pharmaceuticals ändern – und zwar im großen Stil. „Wir haben eine Technologie, die an der ETH Zürich entwickelt wurde, übernommen und zu einem industrialisierten Verfahren weiterentwickelt“, sagt Thomas. „Wir können nicht nur sagen, was auf der Zelloberfläche so lebt, sondern auch, wie die Nachbarschaftsbeziehungen zwischen Eiweißen auf der Zelloberfläche sind.“
Thomas hat an der Universität Köln Medizin studiert, an den US-Elitehochschulen MIT und Harvard geforscht und leitet als Professor die Abteilung Translationale Genomik an der Universität Köln. Bei Disco Pharmaceuticals arbeitet Thomas daran, mit seinem 13-köpfigen Team in Köln die Technologie in ein Medikament zu übersetzen – eine Infusion mit Antikörpern soll es werden. Im nächsten Schritt stehen klinische Tests an. Das Geld für die Entwicklungsphase, 20 Millionen Euro kamen 2024 zusammen, stammt von Wagniskapitalgeber aus den USA, Frankreich, den Niederlanden und Italien.
Dass der Medizinprofessor auch Unternehmertum kann, hat er schon bewiesen: Im Jahr 2012 hat Thomas eine Technologie entwickelt, die Erbgutveränderungen von Krebszellen erkennt – und die Firma vier Jahre später an Siemens Healthineers verkauft. 2019 ging er mit einer weiteren Krebstechnologie-Firma an den Start, die ein Jahr später vom Biotechnologieunternehmen Centessa übernommen wurde.
Spot my Energy: 10,5 Millionen Euro
Jochen Schwill kennt sich mit Strom aus. Vor 15 Jahren hat er Next Kraftwerke gegründet, eines der größten virtuellen Kraftwerke Europas. Der Shell-Konzern hat das Unternehmen im Jahr 2021 gekauft, Berichten zufolge hat Shell dafür 100 Millionen Euro hingelegt. Schwill stieg kurz danach aus seiner Firma aus und setzt seit 2023 seine nächste Idee um: Er will unsere Häuser smart machen.
Sein Start-up Spot my Energy bietet ein Paket an aus Smart Meter, also intelligenten Stromzählern, Energiemanagementsystem und dynamischen Stromtarifen, die das Unternehmen selbst anbietet. So sollen sich etwa Wallboxen, Wärmepumpen oder PV-Anlagen smart steuern lassen und der Energieverbrauch optimiert werden. Eine App zeichnet auf, wann welches Gerät wie viel Strom verbraucht und wie viel Strom erzeugt wird. Der Energiemanager sorgt dann dafür, dass die Geräte vor allem mit selbst erzeugten Strom gespeist werden und der Reststrom günstig an der Strombörse eingekauft wird.
Baut ein Installateur in der Garage eine Wallbox ein oder installiert Solarzellen auf dem Dach, soll er die Technologie von Schwill direkt mitverkaufen. Spot my Energy arbeitet hierzulande mit 150 Installateuren zusammen. 2025 hat Schwill viel vor. Seine 30 Mitarbeitenden in Köln-Mülheim will er auf 54 aufstocken. Und die bislang 1000 Endkunden, die seine Systeme nutzen, sollen 15.000 werden – in nur zwölf Monaten. „Dafür haben wir das Geld eingesammelt. Wir investieren es in Vertrieb und ins Partnernetzwerk“, sagt Schwill. 10,5 Millionen Euro gab es von Wagniskapitalgebern wie dem schwedischen Fonds Norrsken und Vorwerk.