Der Arbeitgeberpräsident mahnt für den Wirtschaftsstandort mehr Tempo an. Ein Panel debattiert über Wohl und Wehe der fünf EM-Spiele in Köln.
Arbeitgebertag KölnUnternehmer beklagen Standortnachteile und freuen sich auf EM 2024
Ob Deutschland inzwischen der kranke Mann Europas ist, lautet eine der vorherrschenden Fragen der vergangenen Monate, die beim 19. Kölner Arbeitgebertag diese Woche im Hotel Pullman gestellt wurde. Gunnar Herrmann, Vorstandsvorsitzender von Arbeitgeber sprach hingegen eher vom „trägen Mann Europas“ – träge und erschöpft durch die multiplen Krisen der vergangenen Jahre, attestierte weiten Teilen der Gesellschaft aber auch eine gewisse selbst geschaffene Antriebslosigkeit.
„Aus dieser Trägheit müssen wir uns unbedingt befreien“, sagte Herrmann vor rund 200 Vertretern, vornehmlich Unternehmern, aber auch anderen Akteuren. Zu den Gästen gehörte etwa Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Wirtschaftsdezernent Andree Haack, Stadtdirektorin Andrea Blome, Michael Grütering (Unternehmerschaft Düsseldorf) oder Messechef Gerald Böse.
„Gesellschaft, Politik und Wirtschaft müssen wieder Dynamik entwickeln. Hier haben alle gesellschaftlichen Gruppen eine Verantwortung“, so der Verbandschef, der viele Jahre die Kölner Ford-Werke leitete.
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Mehr Dynamik forderte er vor allem bei den Themen demographischer Wandel, Digitalisierung, Dekarbonisierung, Deglobalisierung und Deindustrialisierung. „Wir sollten uns immer wieder hinterfragen und in die ökologische und digitale Transformation investieren, denn wir hinken bei wichtigen Zukunftstechnologien – bei digitalen Plattformen ebenso wie bei künstlicher Intelligenz und grünen Technologien – im globalen Wettbewerb hinterher“, sagte Herrmann.
„Insbesondere Ziele beim Ausbau der digitalen Infrastruktur oder des Bildungssystems werden verfehlt – und wenig passiert, um den Kurs zu korrigieren. Die heute schon beachtliche Fachkräftelücke wird sich vergrößern und die Existenz vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen gefährden.“
Bürokratie als Investitionsbremse
Die Politik müsse die Rahmenbedingungen dafür schaffen, forderte Herrmann. Eine überbordende Bürokratie, Unsicherheit bei der Regulierung und eine unzureichende Infrastruktur seien eine erhebliche Bremse für die Zukunftsplanungen von Unternehmen. Die Signale aus Berlin zur Beschleunigung halte er für vielversprechend – allein an einer ebenso schnellen Umsetzung habe er Zweifel. Er forderte, beherzt und schnell zu handeln.
„Für ein mittelgroßes Unternehmen gelten bereits 375 Regelungen auf Bundesebene – da sind die EU-Regelungen noch nicht eingerechnet“, kritisierte Ford-Aufsichtsratsmitglied Herrmann.
Keynote Speaker Hubertus Bardt, Professor am Institut der deutschen Wirtschaft, stimmte dem zu: „Wir stecken in einer strukturellen Krise, alle Beteiligten müssen hart arbeiten, damit wir da wieder herauskommen.“
Per Videoschalte aus dem Bundestag war Abgeordnete Julia Klöckner (frühere Bundesministerin und wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion). Die Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Leonie Gebers (SPD), stellte Lösungsvorschläge für den dramatischen Fach- und Arbeitskräftemangel in Deutschland vor.
Ob die Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land für den langersehnten Stimmungsumschwung in Wirtschaft und Gesellschaft sorgen kann, diskutierten Jürgen Amann, Geschäftsführer KölnTourismus, Patrick Rothkopf, Präsident des Gaststättenverbandes Dehoga NRW und Thorsten Breitkopf, Ressortleiter Wirtschaft beim „Kölner Stadt-Anzeiger“. Fazit: Für die regionale Wirtschaft sind insbesondere die fünf EM-Spiele in Köln eine Chance, sie tragen ein gutes Bild Kölns auf den ganzen Kontinent.