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Deiters-Chef Geiss„Die Leute wollen endlich wieder feiern gehen“

Lesezeit 6 Minuten
Deiters-Chef Herbert Geiss

Deiters-Chef Herbert Geiss

  1. Den Karnevalsausstatter Deiters hat die Corona-Pandemie stark getroffen.
  2. Von den aktuellen Lieferschwierigkeiten ist das Geschäft nicht betroffen.
  3. Im Interview erklärt Herbert Geiss, warum er nicht glaubt, dass Karneval erneut ausfallen könnte.

Herr Geiss, wie ist Ihr Unternehmen durch die Corona-Pandemie gekommen?

Herbert Geiss: Wir sind wie fast keine andere Branche von den Lockdowns und ihren Folgen getroffen worden. In der Session 2020 sind wir noch mit einem blauen Auge davongekommen. Die ersten Fälle von Corona kamen ja erst nach Aschermittwoch an die Öffentlichkeit. Die Lockdowns kamen also nach der für uns so wichtigen Karnevalssession. Danach ist die Welt für uns zusammengebrochen. Die Geschäfte waren zunächst bis September 2020 geschlossen, der Umsatz in den Läden nahezu bei null. Da half auch der Online-Handel nicht groß weiter. Kostüme kauft man anlassbezogen und nicht auf Vorrat, und wenn kein Karneval, keine Halloweenparty oder andere Kostümpartys stattfinden können, kaufen die Menschen halt keine Kostüme. Auch nicht im Internet. Wozu auch.

Darauf folgten bekanntlich die zweite und dritte Welle. Größtenteils hatten unsere Filialen geschlossen. Als Einzelhandel hätten wir öffnen können, aber wozu? Als die baldige Öffnung in Aussicht stand, hat auch noch die Sommerflut zwei unserer Läden vernichtet, in Leverkusen-Opladen und in Eschweiler, dort ist eine ganze Schaufensterfront rausgeflogen. An den Standorten standen die Kostüme im Wasser.

Wann konnten Sie wieder öffnen? Wie läuft es?

Am 1. Oktober konnten wir unsere Läden wieder öffnen. Das war ein Tag der Befreiung für uns nach dem einmaligen und schrecklichen Stillstand. Ich bin froh, dass wir nun wieder schwimmen können.

Wie viele Mitarbeiter mussten gehen?

Keiner, und darauf sind wir sehr stolz. Unsere rund 250 Mitarbeiter waren in Kurzarbeit, bei vielen haben wir das Kurzarbeitergeld lange Zeit aufgestockt, damit sie überhaupt davon leben können. Allerdings haben wir in der Phase der Kurzarbeit einige Mitarbeiter verloren, aber nur einige. Von den Übergangshilfen konnten wir als Firma nur bedingt profitieren, weil wir meistens in unseren eigenen Immobilien arbeiten, also unser eigener Vermieter sind. Die Schäden muss man aber in ihrer Gesamtheit sehen. Wenn unsere Läden geschlossen sind, machen nicht nur wir keinen Umsatz, auch nicht unser Fensterputzer oder andere Dienstleister. Die Schäden sind enorm.

Wie läuft es nun seit der Wiederöffnung?

Wir freuen uns riesig, das können Sie sich denken. Und wir spüren die Freude der Kunden in unseren Filialen. Wenn wir 100 Prozent von dem umsetzen, was wir vor der Krise im Oktober eingenommen hätten, wäre das ein Traum nach dieser Durststrecke. Kurzfristig sieht es so aus, als würden wir schon annähernd Vor-Corona-Niveau erreichen.

Aber ich wage noch keine konkrete Prognose für die Karnevals-Session. Das hängt einfach in der aktuellen Zeit von einer Menge Faktoren ab, auf die wir keinen Einfluss haben. Am Ende unseres Wirtschaftsjahres (31.3.22) werden wir wohl bei so was wie 60, 70 oder vielleicht sogar 80 Prozent der Vorkrisenumsätze liegen, nachdem wir anderthalb Jahre über 90 % Umsatz verloren hatten. Insgesamt aber spüren wir einen Nachholbedarf was das Feiern und damit das Verkleiden angeht. Das hat mein Vater schon immer gesagt: In Krisen wächst bei den Menschen das Bedürfnis, abzuschalten, zu lachen und zu feiern.

Ihre Waren kommen aus China. Waren von dort sind für viele Firmen nicht lieferbar, ganze Industrien stehen trotz hoher Nachfrage still, etwa das Ford-Werk wegen Chipmangel. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Alle Kostüme für diese Saison haben wir vor rund eineinhalb Jahren gekauft. Daher kann ich befreit sagen: Wir sind von Lieferengpässen nicht betroffen und auch nicht von den explodierenden Frachtraten. Heute ist Luftfracht billiger als ein Schiff. Dieses frühe Einkaufen, das war für uns auch ein großes Risiko. Als wir die wenigsten Umsätze hatten, habe ich am meisten eingekauft auf Kosten der Liquidität. Das haben damals viele kritisiert. Jetzt wird das Risiko belohnt. Heute hätte man 50 statt 25 Tage Lieferzeit. Ein Container aus China kostet heute 16.000 statt 2500 Euro. Wir haben rechtzeitig bevorratet. Alle denkbaren Kostüme sind von uns lieferbar. Nach 18 Monaten Saure-Gurken-Zeit tut uns das gut.

Aktuell wird vieles rasant teurer. Wie sieht es mit Kostümen aus?

Wir müssten die Preise leicht anheben, das werden wir aber nicht tun. Die Preise bleiben stabil. Wir wollen den Leuten jetzt nicht den Spaß verderben. Gleichzeitig sind die Kunden auch sehr preissensibel. Würde ich die Kostüme in Deutschland produzieren lassen, würde das Supermann-Kostüm statt 30 Euro 70 Euro kosten. Das ist aber keiner bereit zu zahlen.

Hat sich Ihr Online-Geschäft verstärkt?

Definitiv! Da werden wir immer stärker. Aber nicht zulasten unseres Filialgeschäfts. Das liegt an der immer besser funktionierenden Markendurchdringung von Deiters als Marktführer. Etwa acht Prozent unseres Umsatzes ist online. Das ist durchschnittlich für die Bekleidungsbranche.

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Aber Kostüme leben eben gerade auch vom stationären Handel, vom Kauf vor Ort. Man will die Kostüme sehen, anfassen, anprobieren. Außerdem kaufen Kunden vor Ort zum Kostüm vielleicht noch eine Brille, Perücke und Handschellen. Im Internet würden sie eher nur gezielt ein Produkt bestellen.

Was ist mit der Konkurrenz, etwa Karstadt Kaufhof, andere Wettbewerber?

Den Kaufhof beliefern wir nicht mehr, die Umsätze waren zu schwach. Die Branche hat die Krise hart erwischt. Die meisten kleineren Wettbewerber in der Region haben sie nicht überstanden. Das könnte mich ja freuen, aber es tut mir auch leid für viele kleine Familienbetriebe. Man muss sich immer vor Augen halten: Das hätte auch uns passieren können. Der Schaden hätte noch größer sein können.

Wie wichtig ist das Geschäft vor Halloween?

Aktuell arbeiten wir alle auf Hochtouren, fast wie kurz vor Karneval. Halloween macht inzwischen 15 Prozent unseres Umsatzes aus. Anfangs sahen viele vor allem ältere Rheinländer den aus den USA rübergeschwappten Trend kritisch. Das wandelt sich langsam. Großeltern akzeptieren Halloween, weil sie es von ihren Enkeln kennenlernen.

Was ist der Trend zu Halloween 2021?

Ganz klar Figuren aus der südkoreanischen Serie Squid Game von Netflix, also konkret die Uniformen der Aufpasser, rote Kleidung, schwarze Masken. Daneben für Kinder natürlich Hexen, Dracula, Vampire und für Erwachsene natürlich Sexy Hexy.

Haben Sie Angst, dass Karneval noch einmal ausfallen könnte wegen steigender Corona-Zahlen?

Karneval findet statt! Ich habe keinerlei Sorge, dass er noch einmal ausfällt, auch angesichts der Tatsache, dass sich fast jeder Erwachsene, der Karneval feiern möchte, impfen lassen kann. Es mag einige geben, die Angst haben unter die Leute zu gehen. Aber im Gegensatz wird es mehr Leute geben, die sagen: Hey, ich habe eineinhalb Jahre meines Lebens verloren. Jetzt endlich will ich wieder feiern.

Was sind da die Trends?

Wir versuchen welche zu setzen, diese Session etwa mit Schokobons als Kostüm, dazu haben wir eine Partnerschaft mit Ferrero. Auch Kostüme in Form eines Gaffel-Kölsch-Glases sind begehrt.

Tragen die Menschen eine Session lang ein und dasselbe Kostüm?

Heute nicht mehr. Für den 11.11. gibt es meist eines, ein zweites schickeres für eine Sitzung und vielleicht noch eines für den Straßenkarneval. Den Feiern viele ja nicht nur am Rosenmontag, sondern an drei oder vier Tagen. Manche brauchen da auch zwei Kostüme, weil was im Trubel verschüttgeht. Insgesamt würde ich schätzen, dass echte Karnevalisten zwei bis drei Kostüme pro Session kaufen.