Heute sind Elektroantrieb und Brennstoffzelle in aller Munde, doch ohne eine Erfindung aus Köln sähe die Welt der Mobilität vollständig anders aus. Und: Es würde einer der bedeutendsten Arbeitgeber Kölns fehlen - die Deutz AG.
Kölner Marken-SerieWie Deutz vor 160 Jahren die Autos von heute revolutionierte
Ob VW-Golf, Traktor oder Bagger, ja auch Leopard-Panzer oder Rasenmäher: Ohne einen sogenannten Otto-Motor wären diese Fahrzeuge nutzlos. Dass sie vom Fleck kommen, verdanken wir dem aus dem Taunus stammenden Tüftler Nikolaus Otto: Er experimentierte in Köln, wie er einen Gasmotor so optimieren kann, dass der in ein Fahrzeug passt. Es war eine Zeit, in der viele Erfinder an ersten Verbrennungsmotoren schraubten, die meisten mit mäßigem Erfolg.
Vier Takte auf dem Weg zur Mobilität
Es ist Anfang der 1860er Jahre, Otto ist als Handelsreisender viel unterwegs. Eine motorisierte Kutsche wäre für ihn äußerst hilfreich. Der Franzose Étienne Lenoirs hat einen Leuchtgas-Verbrennungsmotor entwickelt, der Ottos Neugier weckt. Nun reift in ihm der Gedanke, selbst eine Kraftmaschine zu konstruieren, die zur „Fortbewegung von Gefährten auf Landstraßen leicht und nützlich verwendet, sowie auch der kleinen Industrie von erheblichem Nutzen werden könne“. So schreibt Otto im Jahr 1861 in seinem ersten Patentantrag an das Königlich Preußische Handelsministerium. Das Patent auf einen Spiritusvergaser, der die Unabhängigkeit des Motors vom öffentlichen Gasnetz versprach, wird ihm zwar verweigert, doch Otto konzentriert sich weiter auf die Welt der Motoren.
Ein Kölner Mechaniker baut ihm ein Modell der Lenoir-Maschine. Otto experimentiert, sieht mit eigenen Augen, wie sich ein komprimiertes Gas-Luft-Gemisch auswirkt. Prompt beginnt er mit Versuchen an einem selbst konstruierten Viertaktmotor. Das Prinzip der vier Takte - Ansaugen, Verdichten, Verbrennen und Ausstoßen - erscheint ebenso genial wie revolutionär.
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Der Kölner Zucker-Industrielle Langen investiert in die Idee
Doch der Entwickler bekommt die heftigen Zündungen in seinem Vierzylinder nicht in den Griff. Nach kurzer Laufzeit ist der Motor nur noch ein Trümmerhaufen. Otto geht deshalb neue Wege, baut und erprobt 1863 seine erste „atmosphärische Gaskraftmaschine“. Der Weg stimmt, doch ihm geht das Geld aus. Aber es gibt jemanden, der sich für die Gaskraftmaschine interessiert: Eugen Langen, ein Ingenieur aus der Kölner Zuckerindustrie, investiert in Ottos Ideen und Fähigkeiten. Dessen Firma heißt heute Pfeifer & Langen, sitzt in Köln und ist einer der größten Zuckerhersteller Deutschlands.
Am 31. März 1864 gründen Otto und Langen die Firma N.A. Otto & Cie. Der eine bringt das Know-how mit, der andere Geld und vor allem unternehmerische Erfahrung. Otto steckt 2500 Taler in die Firma, Langen 10.000 Taler und trägt so im Grunde entscheidend das unternehmerische Risiko. So entsteht die „erste Motorenfabrik der Welt“ - die Keimzelle der heutigen Deutz AG. In ihrer Werkstatt an der Servasgasse, im Schatten des Doms, beginnt eine einzigartige Kölner Unternehmensgeschichte.
Drei Jahre nach der Gründung kommt der erste Flugkolbenmotor auf den Markt, auf der Weltausstellung in Paris 1867 wird er präsentiert. Die Maschine wiegt 700 Kilogramm und leistet 0,5 PS. Sie ist zwar ein Koloss, doch der Gasverbrauch ist viel niedriger als der von Lenoirs Motor. Die stationäre Maschine wird ein Verkaufsschlager, geht nach Russland und in die USA.
1869 wird es am Dom zu eng. Das frisch gegründete Unternehmen kaufte drei Morgen Ackerland an der Deutz-Mülheimer Chaussee für 15.000 Taler. Deutz ist damals noch eine selbstständige Stadt und wird dem Unternehmen einen neuen Namen geben.
Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach als Mitarbeiter
In der Mitarbeiterliste der frühen Jahre tauchen berühmte Namen auf. Für die technische Direktion kommt Gottlieb Daimler als Fachmann aus Süddeutschland nach Deutz. Sein enger Mitarbeiter Wilhelm Maybach folgt ihm und steigt im Januar 1873 zum Chefkonstrukteur auf. Beide verantworten nun federführend die technische Fertigung, bis sie die Motorenfabrik 1882 verlassen.
Bis zum 25. Firmengeburtstag 1889 werden knapp 30.000 Motoren am Rhein und von den Tochterfirmen und Lizenznehmern produziert. 1906 startet der Versuch der Serienfertigung eines Automobils. Grundlage ist eine Konstruktion von Bugatti. Ab 1919 steigt Deutz mit dem „Deutz Trecker“ (40 PS) in den Traktorenbau ein, was lange Zeit das bekannteste Produkt der Kölner Firma bleiben wird.
Im Jahr 1938 schließt man sich mit einer Duisburger Firma zur Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD) zusammen, ein Name, der bis 1997 erhalten bleibt. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs beschäftigt Deutz auch Zwangsarbeiter. Im Krieg werden schließlich große Teile des Werks zerstört.
Nach Kriegsende wächst Deutz vor allem durch die rasante Maschinisierung der Landwirtschaft mit kleinen, luftgekühlten Traktoren. Bis 1970 baut das Unternehmen auch Lokomotiven. Die in Ulm ansässige Tochter Magirus-Deutz konzentriert sich auf Lkw, die Sparte wird 1975 in die Fiat-Tochter Iveco integriert. KHD ist zunächst Juniorpartner, steigt später ganz aus. In den 1990er Jahren trennt sich Deutz auch vom Traktorengeschäft und verkauft es an Same. Deutz-Traktoren werden noch gebaut, haben aber mit der Deutz AG nichts zu tun.
Heute ist die Deutz AG ein reiner Hersteller von Motoren. Zum 160. Geburtstag im Frühjahr feierte auch Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) mit. Aktuelles Prestigeprojekt sind Wasserstoffmotoren - die wurden zwar nicht in Köln erfunden, aber haben ähnlich revolutionäres Potenzial wie der Otto-Motor.