Ab Herbst bietet der Flughafen Köln/Bonn Interkontinentalflüge an, außerdem erklärt Thilo Schmid, warum der 24-Stunden-Betrieb so wichtig ist.
Flughafenchef im Interview„Köln/Bonn ohne Nachtflug ist für mich undenkbar“
Herr Schmid, insbesondere im Sommer 2022 gab es chaotische Verhältnisse vor den Sicherheitskontrollen in Köln/Bonn. Wie ist der Start in die Sommerferien gelaufen?
Thilo Schmid: Der Start in die Sommerferien 2024 ist am Flughafen Köln/Bonn sehr gut gelaufen. Wir hatten am Freitag und am Wochenende fast keine Wartezeiten vor den Sicherheitskontrollen, ich bin mit der Performance sehr zufrieden. Das war ein gelungener Ferienstart. Und das insbesondere, weil wir mehr Passagiere haben als 2023.
Wie viele Passagiere erwarten Sie denn?
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In den NRW-Sommerferien erwarten wir mehr als 1,7 Millionen Fluggäste. Die meisten fliegen zu klassischen touristischen Zielen, vor allem im Türkeigeschäft und Richtung Spanien sind wir stark. Interessant ist auch, wie sich die Spitzenzeiten verlagern. Im vorigen Jahr war nicht der Juli, sondern der Oktober der verkehrsreichste Monat in Köln/Bonn. Die Menschen nutzen zunehmend auch die Herbstferien, um in den Urlaub zu fliegen. Wir stehen also am Beginn einer sehr langen Hochsaison.
Dieses Jahr erwarten Sie den stärksten Tag nicht wie gewohnt am ersten Ferienwochenende, sondern in knapp zwei Wochen. Woran liegt das?
Ich würde es den EM-Effekt nennen. Viele nehmen die Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land gerne noch mit und verreisen erst danach. Das Finale ist am 14. Juli, entsprechend ist der Freitag, 19. Juli, voraussichtlich der stärkste Tag in diesen Sommerferien. Ich habe ja selbst drei Kinder und spüre auch, dass die Betreuungssituation für Familien oft leichter ist, wenn man Mitte der Ferien Urlaub macht, und nicht am Anfang oder am Ende.
Was sind die Gründe dafür, dass es in diesem Sommer bislang vergleichsweise gut läuft, was Schlangen an der Kontrolle und lange Wartezeiten angeht?
Wir haben viel in die Verbesserung der Prozesse am ganzen Airport investiert. Vor allem wurden die Abläufe vor den Sicherheitskontrollen optimiert, die Prozesse mit den Partnern verbessert. Auch die personellen Lücken in der Flugzeug- und Gepäckabfertigung wurden geschlossen. Jeder einzelne Baustein führt insgesamt zu einer besseren Performance. Das war bereits 2023 zu sehen und wiederholt sich nun auch dieses Jahr.
Sie haben ein Konstrukt mit der englischen Abkürzung AOCC errichtet. Was verbirgt sich dahinter?
AOCC steht für Airport Operations Control Center. Es ist einfach gesprochen die operative Steuerungszentrale. Dort sind rund um die Uhr Spezialisten aus allen operativen Bereichen des Flughafens, von Behörden und Dienstleistern vertreten und tauschen sich schnell und direkt aus. Die Idee dahinter: kürzeste Wege und maximale Reaktionsschnelligkeit. Denn Ausnahmesituationen an Flughäfen müssen häufig sehr unterschiedlich gemanagt werden. Es geht deshalb nicht nur um standardisierte Verfahren, sondern gemeinsam schnell zu einer jeweils maßgeschneiderten, neuen Lösung zu kommen.
Sie haben vor einiger Zeit in Aussicht gestellt, der Flughafen wolle die Sicherheitskontrollen selbst durchführen, was bislang noch die Bundespolizei beauftragt. Was ist aus den Plänen geworden?
Wir werden die Steuerung und Organisation der Sicherheitskontrollen ab 2025 selbst durchführen. Das heißt auch, dass wir eine komplett neue Kontroll-Infrastruktur schaffen werden. Das soll dann ab Sommer 2025 erfolgen und bereits im darauffolgenden Winter abgeschlossen werden.
Wie muss man sich eine neue Kontroll-Infrastruktur vorstellen?
Die jetzige Technik ist in die Jahre gekommen, wir kaufen neue Scanner und schaffen moderne, komplett neue Kontrollspuren, die alle dann über moderne CT-Technik verfügen. Das macht es möglich, dass Teile des Handgepäcks, etwa Flüssigkeiten oder technische Geräte wie Laptops, nicht mehr einzeln ausgepackt werden müssen. Statt drei oder vier Wannen füllen die Passagiere dann nur noch eine, die Schuhe bleiben an und der Gürtel auch an der Hose. Das macht die Kontrollen um ein Vielfaches schneller und ist besonders für Familien eine enorme Erleichterung.
Thilo Schmid ist seit März 2022 Chef des Flughafens Köln/Bonn und folgte damals auf Johan Vanneste. Der Diplom-Kaufmann war bis Ende Februar in leitender Position am Flughafen Düsseldorf tätig. Dort verantwortete er alle operativen und kommerziellen Geschäftsbereiche am Flughafen mit insgesamt rund 900 Beschäftigten. Der 48-Jährige hat seine Laufbahn im Luftverkehr im Lufthansa-Konzern begonnen, bevor er 2012 zum Flughafen Düsseldorf wechselte. Thilo Schmid bekleidete in beiden Konzernen verschiedene Führungspositionen unter anderem als Geschäftsführer und war sowohl im Cargo- als auch im Passagierbereich tätig.
Wer führt die Kontrollen am Airport künftig durch?
Das macht weiterhin der Sicherheitsdienstleister, er arbeitet dann nur in unserem Auftrag. Durch die neuen Geräte und die moderne Gestaltung der Spuren werden die Arbeitsplätze deutlich attraktiver. Und klar ist auch: Sicherheit hat oberste Priorität. Dazu braucht es moderne Technik und gut geschultes Personal. Und deshalb arbeiten wir in sehr enger Abstimmung mit der Bundespolizei.
Was sollen die Vorteile einer Kontrolle unter der Regie des Flughafens sein?
Unser Ziel sind optimale Abläufe im gesamten Flughafenbetrieb. Das geht am besten, wenn man wichtige Kernprozesse selber steuert. Außerdem können wir nun selbst zielgerichtet investieren. Für die neuen Kontrollspuren werden wir 15 Millionen Euro in die Hand nehmen. Das lohnt sich aber, denn wer entspannt durch die Kontrolle geht, kann in aller Ruhe unsere Gastronomie in Anspruch nehmen. Hier planen wir eine starke Aufwertung mit vielen neuen Restaurants, wir gehen damit noch stärker auf Gäste ein, die auch tatsächlich den Flughafen nutzen.
Verspätungen sind mit das größte Ärgernis für Flugreisende, hat es da insgesamt nach dem Stillstand in Corona-Zeiten Verbesserungen gegeben?
Bei der Luftfahrt ist es ja das Problem, dass 100 verschiedene Prozesse ineinandergreifen und jeder davon kann zu Verspätungen führen. Insgesamt ist die Pünktlichkeit besser geworden. Wir beobachten sogar, dass Maschinen mit Verspätung ankommen und Köln/Bonn danach wieder pünktlich verlassen, weil wir es schaffen, Zeit wieder aufzuholen.
Ist es möglich, dass Köln/Bonn wieder Interkontinentalflüge bekommt, wie in den 1990er Jahren?
Wir haben ab Herbst direkte Flüge der Eurowings nach Dubai und Dschidda. Potenzial für mehr Interkontinental-Flüge gibt es im Einzugsgebiet des Flughafens Köln/Bonn definitiv. In einem Umkreis von 150 Kilometern leben 16 Millionen Menschen. Beeinflusst wird das Ganze von den Flottenplänen der Airlines, aber auch den anhaltenden Lieferschwierigkeiten der Flugzeugbauer. Für mich ist es keine Frage, ob Köln/Bonn weitere Interkontinentalflüge bekommt, sondern eher wann.
Die Fracht ist Kölns zweites Standbein. Wie laufen die Geschäfte?
Die Expressfracht ist etwas rückläufig, nachdem wir in der Corona-Pandemie gewissermaßen eine Sonderkonjunktur erlebt haben. Cargo ist stets ein konjunktureller Frühindikator, und die Konjunktur schwächelt ja bekanntlich. Fracht ist und bleibt unser zweites wirtschaftlich wichtiges Standbein.
Ein großes Ärgernis der Anwohner rund um den Flughafen ist der Nachtflug. Wie geht es da weiter?
Wir arbeiten stetig daran, den Lärmschutz immer weiter voranzutreiben. Laute alte Maschinen wie die MD 11 fliegen Köln inzwischen nicht mehr an. Die Flotten werden immer neuer und damit deutlich leiser. Die Nachtflugerlaubnis ist mit Blick auf ihre Bedeutung für die Fracht insbesondere nach der Corona-Pandemie unabdingbar. Köln/Bonn ohne Nachtflug ist für mich undenkbar, wir brauchen den 24-Stunden-Betrieb.