Gewerbegebiet Niehl-MerkenichRecycling, extremes Wetter und kühles Kölsch
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Köln – In der Serie „Arbeitswelten“ stellen wir zehn Kölner Gewerbegebiete vor. In dieser Folge: Das Gewerbegebiet Niehl-Merkenich.
Das Gewerbegebiet
Größe: 905 Hektar, davon 255 in Merkenich, 650 in NiehlEntstanden: 1920er JahreVertretende Branchen: Industrie, insbesondere Automobilbau, Chemie, Logistik, AbfallwirtschaftVerkehrsanbindung: A1 und B9, U-Bahn Köln Merkenich, mehrere Halte der Stadtbahnlinie 12, Häfen Niehl I und Niehl IIDas ist das Gebiet: Die Ansiedlung der Ford-Werke in Niehl, Ende der 1920er Jahre von Kölns damaligem Oberbürgermeister Konrad Adenauer protegiert, machte aus dem Fischerdorf Niehl das industrielle Zentrum Kölns. Das größte Gewerbegebiet der Stadt erweitert sich ständig. 2018 investierte beispielsweise Rewe 80 Millionen Euro in ein modernes Lager für den Online-Handel mit Lebensmitteln und Ford 70 Millionen in ein Hightech-Testzentrum. Im nördlichen Teil des Areals entsteht derzeit eine gigantische Logistik-Halle des Großküchen-Lieferanten Transgourmet auf 7,8 Hektar Fläche.
An manchen Tagen kann Julian Kamp schon auf dem Weg ins Merkenicher Büro riechen, dass die Kollegen bereits bei der Arbeit sind. „Wenn eingemaischt wird, zieht der Duft durch die Straßen, ich liebe das“, sagt er. Als Leiter der IT-Abteilung der Brauerei Früh arbeitet sein zehnköpfiges Team daran, dass Lagerverwaltung und Logistiksysteme reibungslos funktionieren. Aber auch die Kassen im Brauhaus am Dom und anderen Früh-Gasthäusern kommunizieren mit Küche, Buchhaltung und Warenwirtschaft.
Moderne Cloud-Lösungen, die den Früh-Angestellten das Arbeiten von zu Hause ermöglichen, vor allem aber das Teilen von Daten mit Kunden und Partnern, werden nach und nach etabliert. Im Traditionsbetrieb, der mittlerweile von der fünften Generation geführt wird, lässt der gebürtige Münsteraner Kamp Einwände wie „das haben wir immer schon so gemacht“ nicht gelten. Damit alle Systeme fehlerfrei laufen, muss Kamp auch schon mal am Wochenende ran. Schließlich soll jeder, der Durst hat, sein kühles Früh Kölsch bekommen.
Ford-Werke
Köln-Merkenich ist der einzige Ort in Westeuropa, an dem zuweilen Temperaturen von 55 Grad herrschen und eine Luftfeuchtigkeit von 95 Prozent. Und das auf Knopfdruck. Möglich machen es Klimakammern und Windkanäle des im Mai eröffneten Ford-Testzentrums. Die Wetter-Fabrik kann Starkregen und Sturm, Hurricanes und Frost simulieren. Der Kaltstart unter extremen Druckverhältnissen wie im Gebirge lässt sich ebenso testen, wie das Auftauen der Windschutzscheibe bei eisigen Temperaturen. Die 70 Millionen-Euro-Investition setzt das traditionsreiche Engagement der US-Amerikaner am Standort fort. Bereits seit 1931 laufen in Niehl Pkws von Ford vom Band.
18 500 Jobs stellt das Unternehmen derzeit im Gewerbegebiet, mehr als jeder andere private Arbeitgeber in Köln. „In den ebenfalls in Niehl angesiedelten Zulieferbetrieben kommen noch einmal 1600 Arbeitsplätze dazu“, erklärt Ford-Sprecher Marko Belser. Die meisten der rund 1400 Ford Fiesta, die hier Tag für Tag gefertigt werden, sind für das Ausland bestimmt. 86 Prozent der Produktion gehen in rund 60 Länder, etwas mehr als ein Viertel davon per Schiff. Der Niehler Güterhafen gehört damit bis heute zu den entscheidenden Standortfaktoren für die Ford-Fabriken.
Schwank
Oliver Schwank mag keine Heizpilze. „Die Effizient ist grottenschlecht“, sagt er. Dabei hat sein Großvater Günther die Technik erfunden. Als erster konstruierte er 1938 eine keramische Platte mit kleinen Löchern, durch die ein Gas-Luft-Gemisch nach außen dringt und sich entzündet – die Infrarotheizung. Das Prinzip, mit dem nicht nur Gastronomie-Gäste warmgehalten werden, sondern auch das Fleisch am Dönerspieß gegart wird, kann aber auch hochwirtschaftlich genutzt werden.
Statt große Hallen nutzlos komplett zu beheizen, ermöglichen es Schwank-Strahler, nur die Teile mit Wärme auszuleuchten, wo das nötig ist. Entlang der Förderbänder oder an Maschinen-Arbeitsplätzen etwa. Die Hitze entfaltet dort sofort ihre Kraft, langes Aufheizen wird überflüssig. Mehr als zwei Millionen Glühapparate hat die Firma verkauft. Sie wärmen die Fans in den Stadien von Real Madrid oder dem FC Chelsea, die Logistiklager von DHL und Amazon, Flughäfen und U-Boot-Werften, Waschstraßen, Gewächshäuser und Kirchen. „Wir sind der globale Marktführer bei der Hallenbeheizung“, sagt Geschäftsführer Oliver Schwank. Produziert wird mit 300 Mitarbeitern auf drei Kontinenten.
Remondis
Die Chancen stehen gut, dass das Papier der Zeitung, die Sie gerade in Händen halten, schon einmal durch die Papieraufbereitungsanlage in Niehl gegangen ist. „Die Hälfte des Altpapiers, das in Köln gesammelt wird, können wir so weit recyclen, dass daraus wieder Zeitungs- oder Kopierpapier wird“, sagt Thomas Römbke, Betriebsstättenleiter der Remondis-Fabrik. Der überwiegende Rest wird zu Kartonage. Nur ein Prozent der tonnenschweren Ladungen, die täglich in die Anlage gekippt werden, muss entsorgt werden.
Remondis mit seinem Hauptsitz im westfälischen Lünen steuert von Niehl aus auch den Containerservice der Stadt. „Wir bringen und holen die Container an Sammelstellen für die Anwohner, fahren aber auch Baustellen, Gewerbebetriebe oder Hotels an“, sagt Niederlassungsleiter Michael Lindner. Damit Fahrzeuge und Personal optimal eingesetzt werden, senden alle Lkws permanent Standort und Informationen über die Ladung an die Zentrale. „Wir arbeiten komplett digital. Bei uns gibt es schon lange keine handgeschriebenen Lieferscheine mehr“, so Lindner.