Die Zentrale der Kammer ist wieder Streit-Thema der Vollversammlung. Ein Neubau im Gerling-Quartier könnte noch deutlich teurer ausfallen.
IHKSanierung des Kammergebäudes kostet mindestens 100 Millionen Euro
Der Prozess über die Zukunft des Sitzes der Industrie- und Handelskammer Köln geht in die entscheidende Phase. Am kommenden Donnerstag muss die Vollversammlung abstimmen, ob das bestehende Gebäude saniert wird oder die IHK in einen Neubau zieht. Die Kammerführung unter Präsidentin Nicole Grünewald und Hauptgeschäftsführer Uwe Vetterlein wird den Mitgliedern zwei Varianten präsentieren. Die wichtigsten Punkte im Überblick.
Variante Sanierung
Eine Option ist die Sanierung des maroden Gebäudes aus den 1950er Jahren „Unter Sachsenhausen“. Die aktuellen Entwürfe dazu gehen auf die des Kölner Architekturbüros Schilling zurück, die bereits vor rund zehn Jahren entstanden. Demnach soll unter anderem das Erdgeschoss ebenerdig werden und Höhen auch im Dachgeschoss angeglichen werden. Dieses Modell würde nach Berechnungen der Kammerführung inklusive einem Ausweichquartier rund 100 Millionen Euro kosten. Als die Vollversammlung im Frühjahr für die Prüfung der Variante Sanierung stimmte, war noch die Rede von rund 90 Millionen Euro.
Variante Neubau
Die Alternative ist der Kauf eines Neubaus im Gerling-Quartier. Auf dem luxuriösen Areal soll bis 2025 der Abschnitt Gerling Garden gebaut werden. Die Kosten für den Bürokomplex belaufen sich auf 120 Millionen Euro. Bei der Vollversammlung im Frühjahr wurde dieser Wert noch auf zwischen 75 bis 85 Millionen beziffert.
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Die Vorgeschichte
Seit nunmehr fast 15 Jahren wird in der IHK über den Sitz und die Zukunft des Gebäudes diskutiert und oftmals auch heftig gestritten. Aufwendige Planungen wurden erstellt und wieder verworfen. Dass der Kammersitz marode ist, ist unstrittig. Asbestbelastung, Mängel beim Brandschutz und Schutz vor Starkregen sind einige der größten baulichen Herausforderungen. 2019 stimmte die Vollversammlung gegen die Sanierung für 57 Millionen Euro, weil sie den selbstgesetzten Kostendeckel von 40 Millionen deutlich überschritt. Deshalb entschied man sich für den Kauf des Bürokomplexes Lofthaus in Köln-Mühlheim für rund 39 Millionen. Nach der Wahl der Vollversammlung und eines neuen Präsidiums unter Nicole Grünewald wurde der Prozess neu aufgerollt und der Kauf des Lofthauses gegen zwei Millionen Euro rückabgewickelt. Erneut wurde geprüft und evaluiert. Im März dieses Jahres stimmte die Vollversammlung für die Prüfung der beiden oben beschriebenen Varianten.
Welche Variante ist der Favorit?
Es gilt als offensichtlich, dass die Kammerführung die Variante Sanierung präferiert. Kritiker aus der Vollversammlung bezeichnen die Alternative Neubau als „Schluckhilfe“. Durch die noch höheren Kosten soll eine Zustimmung zur (billigeren) Sanierung erleichtert werden.
Finanzierung offen
Laut Schilderungen von Mitgliedern der Vollversammlung gibt es bislang kein Finanzierungskonzept. Insgesamt 33 Millionen hat die Kammer in der Rücklage. Bei einer Summe von derzeit kalkulierten 100 oder 120 Millionen Euro sind hohe Kredite sind also unvermeidlich – und das in einem deutlich steigenden Zinsumfeld. Am Kreditmarkt sind derzeit Zinsen von 3,5 Prozent üblich. Bei einem Eigenkapitalanteil von einem Drittel müssten also bei der billigsten Variante fast 70 Millionen Euro aufgenommen werden, was bei diesen Konditionen Zinskosten von fast 2,5 Millionen Euro allein im ersten Jahr verursachen würde. Würde mit zwei Prozent getilgt, kämen 1,4 Millionen Euro im Jahr hinzu. Eine Kammer kann zwar laut früheren Aussagen von Hauptgeschäftsführer Vetterlein nicht Pleite gehen. Im schlimmsten Fall müsste das Land einspringen oder im Vorfeld die Pflichtmitgliedsbeiträge deutlich erhöht werden.
Die Risiken
Die Variante Sanierung birgt nach Einschätzung von Beobachtern große bauliche Risiken. Erschwerend hinzu kommen explodierende Baukosten, Material- und Lieferengpässe. Vor dem Hintergrund der Kölner Erfahrungen mit der Sanierung von Bestandsbauten stellt sich die Frage, inwieweit die 100 Millionen ausreichen werden. Mehrere Mitglieder der Vollversammlung, die nicht genannt werden wollen, gehen von deutlich steigenden Baukosten aus, außerdem fürchten sie angesichts von Rezession und Inflation sinkende Beitragseinnahmen der Kammer in den kommenden Jahren.
Kritik gibt es auch an der Größe des Baus. Für 300 Mitarbeiter sind mehr als 250 Arbeitsplätze vorgesehen. Angesichts von Home- und Mobile Office sei diese Zahl viel zu hoch und verteuere das Projekt. Viele Firmen bieten in Neubauten oft nur für jeden zweiten Mitarbeiter einen Arbeitsplatz, auch um die Kosten zu senken und den neuen Arbeitsgewohnheiten gerecht zu werden. Nicht genutzte Flächen könnte die IHK aber auch untervermieten und so zusätzliche Einnahmen generieren. Dennoch sprechen die Kritiker in der Vollversammlung von einem überdimensionierten „Prachtpalast“.