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Gemeinschaftliches WohnenWie Baugruppen in Köln-Nippes ihre Traumhäuser verwirklichen

Lesezeit 5 Minuten

Das Haus der Wunschnachbarn in Nippes

Köln – Wenn er mal wieder Probleme beim Installieren eines Computerprogramms hat, geht Ossi Helling einfach ein Stockwerk tiefer. Da weiß der 69-Jährige, dass er Hilfe bekommt. Er könnte auch einen seiner zwei Söhne anrufen. „Aber so eine Gemeinschaft direkt hier im Haus zu haben, das ist ein sehr schöner Luxus“, sagt der Rentner.

Selbstverständlich bringen ihm die Nachbarn auch die Sprudelkisten mit dem E-Lastenrad vom Einkauf mit. Und er freut sich, wenn er die Kinder im Garten spielen sieht. Der ehemalige Verwaltungsmitarbeiter der Uni Köln hat zwar selbst sieben Enkel, aber die leben ja nicht bei ihm. Bei ihm lebt seine Frau – und vor allem leben bei ihm im Haus Nachbarn, die er sich gründlich ausgesucht hat.

Bewusste Gemeinschaft

„Eine Eigentumswohnung zu kaufen ist wie ein Glücksspiel, man weiß nicht, wen man als Nachbar bekommt.“ Das wollte Ossi Helling nicht. Deshalb hat er sich gemeinsam mit seiner Frau im Jahr 2015 entschieden, „eine bewusste Gemeinschaft“ einzugehen – mit gleichgesinnten Mitstreitern. Er hat sich der Baugruppe „Wunschnachbarn“ angeschlossen.

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Inzwischen ist aus der Baugruppe eine Wohneigentümergemeinschaft mit elf Wohnungen geworden – alle leben in einem Passivhaus mit Fassadenbegrünung, Bienen und Solarmodulen auf dem Dach und einem „Repair Café“ im Erdgeschoss, einer gemeinschaftlichen Werkstatt, die auch für Nachbarn offen ist. Die „Wunschnachbarn“ sind eine von zehn Baugruppen, die auf dem Gelände der ehemaligen Gummi Werke Clouth in Nippes ihren Traum vom gemeinsamen Bauen und Wohnen verwirklichen konnte.

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Einfach war das nicht. „Die Bautätigkeit war eine Prüfphase, man konnte prüfen, ob man zueinander passt“, sagt Helling. Dieses Prüfen beinhaltete „sehr lange Diskussionen“, wie er sich erinnert. Denn ein Prinzip der Baugruppe war und ist es, Entscheidungen im Wege des Konsenses herbeizuführen – „im Idealfall diskutiert man so lange, bis Einstimmigkeit erreicht ist“, so Helling. Einfache Abstimmungen gibt es nicht, stattdessen langwierige Annäherungen, die aber den Vorteil haben, „dass bei den Unterlegenen keine Frustgefühle aufkommen“. Gemeinsam hat man über Grundrisse (die für jede Wohnung sehr unterschiedlich sind), Gemeinschaftsräume, Dämmmaterial und die Tiefgarage, die mit drei anderen Baugruppen geteilt wird, diskutiert.

Prozess schweißt zusammen

So ein gemeinsamer Prozess des Planens „schweißt zusammen“ und sorgt dafür, dass man auch im weiteren nachbarschaftlichen Zusammenleben Probleme besser lösen kann. Das weiß Architektin Almut Skriver, die 2009 beim ersten Vergabeverfahren für Baugruppen in Köln dabei war, als auf dem ehemaligen Kinderheimgelände in Sülz sechs Projekte entstanden. Für die „1. Baugruppe Sülz“ hat sie geplant und dann das „Netzwerk gemeinschaftliches Bauen und Wohnen“ innerhalb des Hauses der Architektur Köln mitgegründet. Vehement setzt sie sich für diese Form des Bauens ein: „Üblicherweise legen Verkäufer fest, was gebaut wird, es gibt Standardgrundrisse, beim gemeinschaftlichen Bauen aber können die Nutzer selbst bestimmen, wie sie wohnen wollen.“

Allerdings, das räumt sie ein, muss man wissen, was auf einen dann zukommt – wer sich an einer Baugruppe beteiligt, muss das gemeinsame Entscheiden mögen und auch bereit sein, als Bauherr Risiken zu übernehmen. Denn bevor die Gruppe ihr Haus üblicherweise in eine Wohneigentümergemeinschaft aufteilt, wird als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geplant und gebaut – mit allen Konsequenzen der Haftung. Allerdings werden diese Gruppen längst professionell betreut – „ohne erfahrene Architekten und Projektsteuerer macht das niemand mehr“, sagt Skriver.

Kosten bleiben im Rahmen

Dies sorgt auch dafür, dass die Kosten im Rahmen bleiben und in der Regel unter denen liegen, die man üblicherweise für eine Wohnung bezahlen muss. „Aber diejenigen, die sich an solchen Gruppen beteiligen, haben ja nicht nur das Ziel eine günstige Wohnung zu bekommen, sie wollen mehr.“ Dieses „Mehr“ ist entscheidend für die Grundstücksvergabe.

Gemeinschaftliches Wohnen

Baugruppen planen und bauen gemeinsam – in der Regel als Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Mitglieder treten gemeinsam als Bauherren auf und haften gemeinsam. Nach dem Bau kann das Haus dann in einzelne Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Ein Beispiel sind die „Wunschnachbarn“.

Co-Housing bedeutet, dass man nur einen relativ kleinen Bereich mit Schlafzimmer und (Tee-)Küche für sich selbst hat und dafür gemeinsam einen größeren Wohn- und Küchenbereich nutzt. Co-Housing gibt es sowohl innerhalb von Baugruppen („Wunschnachbarn“) als auch in Form von Mieträumen – zum Beispiel bei dem bald startenden Projekt „Futur3“ der GAG in Köln Kalk, wo 47 Menschen zusammen in kleinen Wohnungen mit einer großen Wohnküche leben und regelmäßig gemeinsam kochen werden.

Mehrgenerationen-Wohnen kann auch in Mietwohnungen verwirklicht werden. Ein Beispiel ist neben dem Mehrgenerationenhaus der Genossenschaft „Die Ehrenfelder“ das Projekt des Vereins „Lebensräume in Balance“, der 2017 ein Mehrgenerationenhaus der GAG mit 34 Wohnungen in Köln-Ostheim bezog.

Auch auf dem Clouth-Gelände hat die Stadt die zehn Baugruppen-Grundstücke nach Konzepten vergeben – also nicht diejenigen haben sie bekommen, die am meisten oder schnellsten zahlten, sondern diejenigen, die interessante und für die Nachbarschaft gewinnbringende Ideen vorweisen konnten. Während die „Wunschnachbarn“ mit ihrem Ansatz des ökologischen Bauens und der offenen Werkstatt punkteten, haben andere auf teilbare Wohnungen gesetzt oder darauf, ihre Veranstaltungsräume für alle zu öffnen – mit Lesungen und Chorproben. „Solche Baugruppen beleben eine Nachbarschaft enorm, sie sind oft ein Anschubmoment für andere Bewohner“, erklärt Almut Skriver. Auch Stadtplaner schätzen diese soziale Funktion. Skriver wünscht sich deshalb viel, viel mehr Baugruppen.

Wenig Flächen für Baugruppen

Allerdings sind seit der Vergabe der Clouth-Grundstücke durch die Stadt keine weiteren Flächen an Baugruppen vergeben worden – das kritisiert Skriver. Denn auf dem freien Immobilienmarkt haben Gruppen so gut wie keine Chance. „Investoren können ein Grundstück sofort bezahlen, Gruppen, die gemeinsam bauen wollen, benötigen die Möglichkeit, das Grundstück für ein halbes oder ein Jahr reserviert zu bekommen, bis sie mit der Planung und Finanzierung so weit sind“, erklärt Skriver.

Deshalb wirbt das Netzwerk – auch mit dem Wohnprojektetag, den es am 26. Juni zum siebten Mal veranstaltet (https://baugemeinschaften.hda-koeln.de) - weiterhin darum, Baugruppen mehr Raum in der Stadt einzuräumen. Als gutes Beispiel wird bei dem Projektetag auch ein kurzer Film gezeigt – über die „Wunschnachbarn“.