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Abschied nach Jahrzehnten?Alles, was Sie zum möglichen Lufthansa-Wegzug aus Köln wissen müssen

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Männer blicken auf dem Flughafen durch ein Fenster auf eine abgestellte Lufthansa-Maschine.

Zwei Männer blicken auf dem Flughafen durch ein Fenster auf eine abgestellte Lufthansa-Maschine.

Die Deutsche Lufthansa AG stellt ihren juristischen Firmensitz in Köln auf den Prüfstand. Was ein Wegzug bedeuten würde.

Für den Wirtschaftsstandort Köln fing diese Woche schon denkbar schlecht an, als der Autobauer Ford einen massiven Stellenabbau im deutschen Stammwerk ankündigte. Nun nimmt die Woche allem Anschein nach auch ein schlechtes Ende. Denn wie am Freitag bekannt wurde, will die Fluggesellschaft Lufthansa offenbar ihren Unternehmenssitz in Köln an einen anderen Standort verlegen. Ein Sprecher des Konzerns bestätigte einen entsprechenden Bericht des Mediendienstes „The Pioneer“.

Juristisch ist die Deutsche Lufthansa AG in Köln gemeldet. Es gebe aber noch keine Vorentscheidung, die Überlegungen seien in einem sehr frühen Stadium, erklärte der Sprecher. Wo die Lufthansa als Aktiengesellschaft künftig ihren Sitz haben könnte, ist offen – die wichtigsten Fragen und Antworten.

Seit wann sitzt die Lufthansa in Köln?

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Den Sitz in Köln hat die Lufthansa nur aus historischen Gründen. Nach dem Zweiten Weltkrieg lösten die Alliierten die deutsche Nationalairline auf. Denn Lufthansa war tief in die Machenschaften der Nazis verstrickt gewesen. Die neue deutsche Regierung wollte den Luftverkehr aber frisch aufbauen. Im Jahr 1953 gründete sie zusammen mit dem jungen Bundesland Nordrhein-Westfalen in Köln die Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf, diese trug den Namen Luftag. Ein Jahr später kaufte die neue Fluglinie Namen, Markenzeichen und Firmenfarben aus der Liquidationsmasse. Die neue Lufthansa entstand. Am 1. April 1955 startete das Unternehmen seinen Flugbetrieb mit Firmensitz im Kölner Stadtteil Deutz.

Welche Bedeutung hat der Standort in der Konzernstruktur?

Köln hat für Europas größte Airline über die Jahre kontinuierlich an Bedeutung verloren. Das lässt sich auch an der Präsenz des Konzerns in der Stadt ablesen. Saß die Lufthansa einst direkt am Deutzer Rheinufer in einem repräsentativen Hochhaus, verlegte man sich später auf ein schmuckloses Areal gegenüber der Kölner Messe. Mittlerweile ist das Hauptquartier eher unscheinbar an der Kreuzung Innere Kanalstraße/Venloer Straße angesiedelt.

Ein Bürogebäude in Köln-Ehrenfeld, schräg gegenüber der Moschee.

Bürogebäude in Köln-Ehrenfeld, schräg gegenüber der Moschee.

Auf einem Firmenschild steht „Lufthansa Group“ am offiziellen Sitz der „Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft“ an der Venloer Str. 151-153 in Köln-Ehrenfeld.

Der offizielle Sitz der „Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft“ ist derzeit an der Venloer Str. 151-153 in Köln-Ehrenfeld.

Welche Bereiche sitzen noch in Köln und wie viele Mitarbeiter arbeiten dort?

Operativ gelenkt wird die Lufthansa-Gruppe schon seit vielen Jahren aus Frankfurt. 2006 bezog das Unternehmen dort die neue Zentrale, das „Lufthansa Aviation Center“ am Flughafen. Schon damals gab es Stimmen aus der Chefetage, dass es Überlegungen für einen neuen Konzernsitz gäbe. Dann geschah lange nichts. Eine rechtliche Verlegung sei zu kompliziert und zu teuer, hieß es damals hinter den Kulissen. In Köln passiert allerdings auch nicht mehr viel. Nur noch wenige Menschen arbeiten für die Kranich-Airline am Rhein. Zum genauen Umfang und der Zahl der Beschäftigten machte die Lufthansa am Freitag auf Anfrage keine Angaben.

Nach Informationen dieser Zeitung soll die Versicherungsgesellschaft der Lufthansa noch vor Ort sein mit einer kleinen, zweistelligen Zahl an Mitarbeitern. Im ehemaligen Lufthansa-Hochhaus sitzt nach einem umfangreichen Umbau heute der M-Dax-Konzern Lanxess.

Welche neuen Standorte für den Firmensitz sind im Gespräch?

Dem Vernehmen nach sind Frankfurt und München im Gespräch. Frankfurt als Firmensitz läge nahe, weil die Lufthansa dort ihr wichtigstes Drehkreuz hat und dort der Konzernvorstand sowie die gesamte operative Steuerung angesiedelt sind. Nach Informationen von „The Pioneer“ ist das Verhältnis zwischen der Flughafenbetreibergesellschaft Fraport und Lufthansa aber angespannt. Spohr hadere mit dem Frankfurter Airport seit Jahren, weil es immer wieder operative Probleme gegeben haben soll. Er halte den Flughafen für weithin dysfunktional, heißt es.

Ganz anders in München, wo Konzernchef Spohr auch seinen privaten Wohnsitz hat. Die bayerische Landeshauptstadt und ihr Franz-Josef-Strauß-Flughafen gelten als Favorit des Unternehmenschefs. Denn die Lufthansa und der Airport sollen eine enge Beziehung haben. Das 2003 eröffnete Terminal 2 haben Konzern und Flughafenbetreiber gemeinsam hochgezogen. Die Prozesse in München seien effizienter, das weitere Wachstum finde in München statt, heißt es.

Welche strategischen Ziele würde die Airline mit der Wahl Münchens verfolgen?

Die Lufthansa will in das südliche Europa expandieren. Mit dem Kauf der italienischen Airline ITA will der Konzern seine führende Position in Europa festigen. Mit dann 780 Flugzeugen – rund 70 mehr als heute – wäre die Lufthansa die einzige europäische Airline auf Weltliganiveau.

Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?

„Bei unserer kommenden Hauptversammlung am 9. Mai 2023 in München wird es dazu weder einen Tagesordnungspunkt noch eine Entscheidung geben“, sagte ein Lufthansa-Sprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Sehr gut denkbar ist aber, dass ein Umzug bei der Hauptversammlung 2024 beschlossen werden könnte.

Welche Bedeutung hätte der Wegzug für den Wirtschaftsstandort Köln?

Es wäre auf jeden Fall ein erneuter Prestige-Verlust und die symbolische und politische Wirkung nicht zu unterschätzen. Zwar flog die Lufthansa 2020 aus dem Dax und rangiert seitdem mit einer MDax-Notierung nicht mehr in der ersten deutschen Börsenliga. Aber da Köln im Vergleich zu anderen Städten ohnehin nicht mit einer Vielzahl von börsennotierten Unternehmen gesegnet ist, wäre der Wegzug bedauerlich. Die Zahl der Mitarbeiter scheint überschaubar, die die Stadt für ihren Arbeitgeber wechseln müssten. Und in welchem Umfang die Airline in Köln noch Steuern zahlt, ist unklar.