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Krise in ZahlenWie der Corona-Horror die Wirtschaft getroffen hat

Lesezeit 4 Minuten
Coronavirus Symbolbild

Das öffentliche Leben ist durch die Coronavirus-Krise weiter eingeschränkt.

  1. Kaum etwas deutet Anfang des Jahres auf den Horror hin, der die Wirtschaft Wochen später treffen wird. Unser Autor hat das Geschehen in Zahlen rekonstruiert.
  2. Eindrucksvolle Statistiken beweisen, wie nachdrücklich Unternehmen und Arbeitnehmer die Krise getroffen hat.
  3. Dabei machen die Zahlen auch sehr deutlich: Die Pandemie ist eine Zäsur, die andauert.

Köln – Anfang des Jahres herrscht Aufbruchstimmung: Auf in ein neues Jahrzehnt, in verheißungsvolle 20er Jahre. Die 20er des vorigen Jahrhunderts endeten zwar mit der Weltwirtschaftskrise, doch eine Zeit lang dominierte der Aufschwung. Schwere Handelskonflikte belasten im Januar 2020 die Märkte, aber Entspannung zwischen den USA und China sowie den USA und der EU ist in Sicht. Klar – die Konjunktur ist ein wenig abgekühlt, wächst nur noch langsam, aber sie wächst immerhin. Die Stimmung ist nach dem Boom der 2010er Jahre vielleicht etwas eingetrübt, mehr aber auch nicht. Kaum etwas deutet auf den Horror hin, der die globale Ökonomie Wochen später überkommt.

Dass die Weltgesundheitsorganisation am 6. Januar in China den Ausbruch eines unbekannten Virus beobachtet, ist eine Nachricht unter vielen. Wenig später kommen Meldungen – ganz gleich ob politischer, wirtschaftlicher, sportlicher oder gesellschaftlicher Natur – nur selten ohne Verweis auf das Coronavirus aus.

Weltweit gehen die Grenzen hoch

Nach zunächst regionalen Reisesperren ziehen Länder weltweit die Grenzen hoch. Auch wenn der Warenverkehr zwischen den Ländern aufrechterhalten werden soll, drücken die internationalen Maßnahmen die Exporte ins Minus. Das wird vor allem im April deutlich: Die Warenausfuhren brechen gegenüber dem Vorjahresmonat um 31,1 Prozent ein. Das Statistische Bundesamt spricht vom größten Rückgang seit Beginn der Außenhandelsstatistik im Jahr 1950. Während das Minus bei Ausfuhren in den Ausbruchsherd China mit 12,6 Prozent vergleichsweise moderat ausfällt, macht es sich vor allem bei von der Pandemie besonders stark betroffenen Staaten wie Frankreich (minus 48,3 Prozent), Italien (minus 40,1 Prozent) und den USA (minus 35,8 Prozent) deutlicher bemerkbar.

Corona-Grafik Exporte

Weil schlagartig die weltweite Nachfrage nach Autos einbricht, schließt auch der größte Kölner Arbeitgeber Ford seine Produktion: Die Effekte auf die Mitarbeiter, Händler und Kunden, ja, die europäische Gesellschaft als Ganzes seien ohne Beispiel, sagt Ford-Europa-Chef Stuart Rowley. Neben Ford ist ein weiteres Kölner Traditionsunternehmen betroffen: Der Motorenbauer Deutz schließt temporär weltweit einen Großteil seiner Fabriken. Wann das Vor-Corona-Produktionsniveau wieder erreicht wird, weiß auch Deutz nicht, viele Mitarbeiter befinden sich weiter in Kurzarbeit.

Corona-Grafik Arbeitslosigkeit

Damit sind sie nicht alleine: Dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge war im Mai etwa jeder Fünfte sozialversicherungspflichtige Erwerbstätige von Kurzarbeit betroffen – davon knapp die Hälfte mit einem Arbeitszeitausfall von mehr als 50 Prozent. Trotz des Kurzarbeitergeldes verlieren viele Menschen ihre Jobs. Denn Kurzarbeit ist bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie eine der wichtigsten Maßnahmen, um Arbeitsplätze zu erhalten, aber nicht immer gelingt es. So verzeichnet die Bundesrepublik im Mai gut 2,8 Millionen Arbeitslose, knapp 500.000 mehr als zwei Monate zuvor. Die Gehaltseinbußen durch Arbeitsausfall oder gar der komplette Verlust des geregelten Einkommens wirken sich zwangsläufig auch auf die Kaufkraft der Betroffenen aus.

100.000 Menschen an normalen Tagen – jetzt 6000

Das wiederum trifft den Einzelhandel, der seit März sowieso schon schwer angeschlagen ist: Dann nämlich schließen in ganz Deutschland die Geschäfte, um die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Nur solche Geschäfte, die der Daseinsfürsorge dienen – darunter Apotheken und Lebensmittelhändler – bleiben geöffnet. Die Wucht dieser Entscheidung trifft Kleinstbetriebe ebenso wie große Filialisten. Prominentestes Beispiel: Galeria Karstadt Kaufhof. Der zuvor schon angeschlagene Warenhauskonzern muss sich in ein Schutzschirmverfahren und so vor dem Zugriff der Gläubiger retten. Später beschließt er, 62 Filialen dauerhaft zu schließen, rund 6000 Menschen werden ihren Job verlieren.

Corona-Grafik Einzelhandelsumsatz

Die Passantenfrequenzmessungen durch das Unternehmen Hystreet werden zu eindrucksvollen Belegen der Innenstadtleere. Beispiel Schildergasse: Wo sich an manchen Tagen zwischen Neumarkt und Kreuzgasse mehr als 100.000 Menschen durch die Fußgängerzone schieben, schlendern am 21. März nicht einmal 6000 Personen durch die ausgestorben wirkende Shoppingmeile im Kölner Zentrum. Nach der Wiederöffnung aller Geschäfte am 23. Mai hält die neue Normalität endgültig Einzug in die Innenstädte – mit Maskenpflicht, Desinfektionsmittelspendern und Abstandsmarkierungen.

Corona-Grafik Schildergasse

Ein Gedränge, wie es an Aktionstagen wie dem Black Friday im Herbst oder an den Wochenenden vor Heilig Abend üblicherweise herrscht, ist weiterhin nur schwer vorstellbar. Für die Existenzsicherung der großen Handelsmarken aber wäre es überlebenswichtig. In den Veedeln halten sich viele Einzelhändler mit 9000 Euro Zuschuss aus den viele Milliarden schweren Rettungsprogrammen in den Corona-Monaten über Wasser. Andere profitieren von Solidaritätsaktionen, bei denen sie online Gutscheine verkaufen, die nach überstandener Pandemie eingelöst werden können. In der Krise ist Zusammenhalt gefragt.

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Wo Anfang des Jahres Aufbruchstimmung herrschte, hat sich Schockstarre breit gemacht. So groß der Wunsch nach einem Vor-Corona-Alltag auch sein mag – die Krise ist eine Zäsur, die andauert und sich in vielerlei Formen präsentiert: Während sich die Pandemie manchen nur als schlecht sitzende Gesichtsmaske im Supermarkt bemerkbar macht, fürchten andere weiter um ihre Existenzgrundlage.