AboAbonnieren

Künstliche IntelligenzWie Microsoft seine Suchmaschine Bing mit ChatGPT aufpeppt

Lesezeit 4 Minuten
Microsoft-CEO Satya Nadella bei der Ankündigung in Redmond im US-Bundesstaat Washington.

Microsoft-CEO Satya Nadella bei der Ankündigung in Redmond im US-Bundesstaat Washington.

In Windeseile nutzt Microsoft den Sensationserfolg des Chatbots. Ein epochaler Wandel für die Suche im Internet steht bevor.

Sie haben das Zeug dazu, die Art und Weise wie wir das Web nutzen, komplett zu verändern. Chatbots, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, werden in Suchmaschinen integriert. Microsoft hat damit begonnen. Der Rivale Google wird bald nachziehen. Wir erläutern, was das für Verbraucher und die Internet-Ökonomie bedeutet.

Warum sind Chatbots plötzlich so populär?

Die Startup-Firma OpenAI, hinter der unter anderem Tesla-Chef Elon Musk und Microsoft stehen, hat Ende November eine Vorversion eines Chatbots öffentlich zugänglich gemacht: ChatGPT. Der Erfolg war weltweit überwältigend. Die Zahl der Nutzer stieg schneller als beim Start von populären sozialen Netzwerken wie Instagram oder TikTok.

Der Grund dafür war vor allem, dass die sogenannte generative künstliche Intelligenz auf Kommando gut lesbare Texte zu beinahe beliebigen Themen verfassen kann. Der Nutzer kann am Bildschirm verfolgen, wie in wenigen Sekunden Wort für Wort zu sinnvollen Sätzen aneinandergefügt wird.

Was waren die Folgen des Sensationserfolgs?

Es wurde eine enorme Dynamik erzeugt. Microsoft hat zuerst OpenAI weitere zehn Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt, um ChatGPT und andere KI-Anwendungen weiter zu entwickeln. Zudem hat der Konzern gerade die Integration von ChatGPT in die eigene Suchmaschine Bing und den Internetbrowser Edge präsentiert.

Im Gegenzug hat die Google-Mutter Alphabet angekündigt, am Donnerstagabend (hiesiger Zeit) seine neuesten KI-Werkzeuge vorzustellen. Der Chatbot Bard dürfte dazu gehören. Auch der chinesische Suchmaschinen-Gigant Baidu will vom nächsten Monat an künstliche Intelligenz verstärkt nutzen.

Was wird für Nutzer nun anders?

Die neue Version von Bing hat ein größeres Eingabefeld. Damit soll signalisiert werden, dass der Nutzer auch vollständige längere Sätze eingeben kann. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Antworten umso spezifischer werden, je präziser die Fragen sind. Bing arbeitet nun mit zwei nebeneinander angeordneten Ergebnisblöcken.

Auf der linken Seite werden die Ergebnisse im klassischen Stil angeordnet – mit einer Auflistung von Webseiten. Auf der rechten Seite steht ein Textblock, wie er von ChatGPT erzeugt wird. Hier werden auch aktuelle Informationen aus dem Internet und Quellenangaben eingebaut, was mittels zusätzlicher KI-Software von Microsoft möglich wird.

Wie fallen die Ergebnisse aus?

Erste Tests zeigen, dass die klassischen Listen verlässliche Ergebnisse zeigen. Wer nach den nächsten Spielen von Eintracht Frankfurt fragt, bekommt als Erstes den Spielplan der Fußballbundesliga-Mannschaft angezeigt. Der Chat beantwortet einfache Fragen zuverlässig, aber nicht unbedingt originell. Etwa: Wie kann ich meine Fitness steigern? Bei der Antwort wird unter anderem auf die aus dem Turnunterricht in der Schule bekannten Liegestütz verwiesen.

Auch Zusammenfassungen längerer Texte funktionierten – sogar in Reimform. Bei komplexeren Fragen zeigte sich allerdings, dass die KI zum „Halluzinieren“ neigt. So wurden auf mehrfache Nachfrage des Handelsblatts über den Lebenslauf ihres Chefredakteurs Sebastian Matthes krasse Falschinformationen behauptet.

Wie bewerten Expertinnen und Experten das neue Bing?

Die Reaktionen reichen von skeptisch bis euphorisch. Die renommierte Tech-Analystin Carolina Milanesi betont: „Ich glaube wir haben den ersten Schritt zu einer anderen Art der Suche und des Konsums von Inhalten gemacht.“

Im Wettbewerb der KI-Anwendungen werde künftig entscheidend sein, dass die Fragen der Nutzer richtig verstanden werden. Das müsse noch verfeinert werden. Die Technologie biete aber viele Möglichkeiten. „Und ich hoffe, dass wir vom Bildungswesen bis zu den Arbeitgebern darüber nachdenken, wie wir lernen und sie verbessern können, anstatt sie zu stoppen“, so Milanesi auf Twitter.

Micrsoft-Managerin Sarah Mody stellt die neuen Funktionen in Bing Journalisten vor.

Micrsoft-Managerin Sarah Mody stellt die neuen Funktionen in Bing Journalisten vor.

Frederic Lardinois vom Fachdienst Techcrunch bezeichnete die neue Art der Suche als epochal. Er befürchtet aber negative Folgen für viele Betreiber von Internetseiten, die darauf angewiesen sind, dass ihnen über die Suchmaschinen Besucher der Websites zugeführt werden. Dies würde wegfallen, wenn der Inhalt direkt vom Chatbot angezeigt wird, etwa ein Kochrezept. Das könnte künftig auch für journalistische Inhalte oder Wikipedia gelten.

Experten fragen sich zudem, wie sich Werbung im Internet verändert. Wer sich auf geschriebene oder gesprochene Antworten verlässt, könnte die Reklame künftig schlicht ignorieren. Zugleich ist denkbar, dass die Werbung aber auch in die Antworten eingebettet wird, etwa indem behauptet wird, dass eine bestimmte Pastamarke sich besonders gut für Spaghetti mit Tomatensoße eignet.

Wie werden sich die KI-Bots die Internetnutzung verändern?

Microsoft-Chef Satya Nadella sagte: „Heute hat ein Wettlauf begonnen.“ Er meint damit einen Wettlauf gegen Google. Der Internet-Gigant hat weltweit einen Marktanteil bei der Suche von 90 Prozent, hierzulande ist der Anteil noch höher. Das Quasi-Monopol sichert dem Konzern hohe Werbeeinnahmen. Microsoft ist es hingegen in fast anderthalb Jahrzehnten nicht gelungen, den Marktanteil von Bing über die Zehn-Prozent-Marke zu hieven.

Jetzt hofft Nadella auf einen Schub, zumal viele andere Geschäftsfelder von Microsoft derzeit Schwächen zeigen. Das könnte Google in Bedrängnis bringen. Und Nardella geht auch davon aus, dass die KI-Anwendungen „so ziemlich jede Softwarekategorie umgestalten“ werden. So sollen sie auch in den Clouddienst Azure integriert werden, um etwa Protokolle von Teams-Besprechungen zu erstellen oder um automatisch Geschäftsberichte zu schreiben.