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Netz-DigitalisierungWie das Software-Start-up Envelio Kölns Stromnetz intelligent macht

Lesezeit 3 Minuten
Solarmodule für ein sogenanntes Balkonkraftwerk hängen an einem Balkon.

Balkonkraftwerke liegen im Trend. Doch durch Photovoltaikanlagen, Ladestationen und Wärmepumpen kommen Netzteilnehmer ins Stromnetz dazu, die in der Vergangenheit so nicht eingeplant wurden. (Symbolbild)

Um die Energiewende zu schaffen, müssen die Netzbetreiber ihre Stromnetze digitalisieren. Ein Kölner Jungunternehmen will dabei helfen.

Strom ist für uns selbstverständlich: Stecker rein, Licht an. Doch ganz so einfach ist es nicht, erst recht nicht, seitdem immer Menschen Solaranlagen, Elektroautos und Wärmepumpen ans Netz anschließen und womöglich selbst Strom einspeisen. Unsere Stromnetze sind historisch gewachsen, also Stück für Stück entstanden. Es wurde ausgebessert, nachgebessert, neu hinzugefügt. Die Infrastruktur war vor allem darauf ausgelegt, dass Stromproduzenten ins Netz einspeisen und Abnehmer den Strom verbrauchen.

„Durch Photovoltaikanlagen, Ladestationen und Wärmepumpen kommen Netzteilnehmer dazu, die in der Vergangenheit so nicht eingeplant wurden. Je nachdem, was in einem Straßenzug ans Netz angeschlossen ist, kann es schon eng werden“, sagt Simon Koopmann, Geschäftsführer des Kölner Energie-Start-ups Envelio. Koopmann hat Envelio im Jahr 2017 mit vier Studienfreunden der RWTH Aachen gegründet, inzwischen gehört das Unternehmen zum Energiekonzern Eon.

Rheinenergie investiert 900 Millionen Euro ins Stromnetz

Die Netzbetreiber stecken mitten in der digitalen Transformation. Sie müssen ihre Netzinfrastruktur und ihre internen Prozesse massiv umbauen. Der Kölner Energieversorger Rheinenergie beispielsweise will bis zum Jahr 2035 rund 900 Millionen Euro in seine Mittel- und Niederspannungsnetze investieren, um das Stromnetz einerseits auszubauen und andererseits weiter zu digitalisieren. Seit fünf Jahren arbeitet die Rheinenergie mit Envelio zusammen, aktuell läuft ein Pilotprojekt im Niederspannungsnetz.

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Envelio bietet nämlich eine Software an, die Stromnetze als digitalen Zwilling nachbildet und so etwa Zählerdaten und Daten von Netzstationen digital zusammenführt. Netzbetreiber sehen dann zum Beispiel, wie viele E-Autos gerade geladen werden, wie viel Strom Photovoltaikanlagen auf Hausdächern erzeugen und wie viel Energie Windräder ins Netz einspeisen. Die Netzbetreiber können die Einspeisungen hinauf und hinab regeln und dafür sorgen, dass das Netz stabil läuft.

Komplette Steuerung eher noch Zukunftsvision

„Eine Steuerung im Niederspannungsnetz ist aber heute eher noch eine Zukunftsvision“, sagt Envelio-CEO Koopmann. „In wenigen Teilen des Stromnetzes ist dies zwar schön möglich, aber die meisten Netzbetreiber stehen noch in einer deutlich früheren Digitalisierungsphase. Der dafür ebenfalls erforderliche Ausbau der Messinfrastruktur in den Netzen läuft allerdings vielerorts bereits auf Hochtouren.“

Die beiden Envelio-Geschäftsführer Fabian Potratz (links) und Simon Koopmann.

Die beiden Envelio-Geschäftsführer Fabian Potratz (links) und Simon Koopmann.

Je mehr Daten Netzbetreiber sammeln, desto besser können Firmen wie Envelio das Stromnetz digital abbilden. „Die Herausforderung ist, dass diese Daten in verschiedenen Daten-Silos stecken“, sagt Koopmann. Netzbetreiber haben ein Geoinformationssystem, also eine Art Landkarte, auf der verzeichnet ist, wo welches Kabel liegt und welche Trafostation steht. Hinzu kommen Daten von Kunden, die beispielsweise eine Photovoltaikanlage auf dem Dach oder eine Wallbox in der Garage für ihr Elektroauto installiert haben. Damit Envelio einen digitalen Zwilling bauen kann, müssen all diese Daten an einer Stelle gebündelt und aufbereitet werden.

Kunden warten mehrere Wochen auf Bescheid

Ist digital alles beisammen, können Netzbetreiber nicht nur das Netz steuern, sondern auch technische Abfragen schneller erledigen. „Wenn jemand eine PV-Anlage auf sein Dach setzen möchte, muss er das bei seinem Netzbetreiber anmelden. Der Netzbetreiber überprüft dann, ob das Netz an der Stelle des Netzanschlusses stark genug ist oder ob ein Netzausbau erforderlich wird, um diese PV-Anlage anzuschließen“, erklärt Envelio-Chef Koopmann. Mitunter warten Kunden Wochen bis Monate auf ein Feedback ihres Netzbetreibers. Die Software schafft diese technische Überprüfung innerhalb von Sekunden bis Minuten.

Rund 55 Netzbetreiber weltweit arbeiten mit Envelio zusammen, der größte Teil in Deutschland. Allein in Nordrhein-Westfalen sind es 21 Stück, unter anderem die Rheinenergie. „Wir sind dabei, das Netz im Kölner Stadtgebiet in unsere Plattform zu integrieren“, sagt Geschäftsführer Koopmann. Auch in den USA könnte die Software bald zum Einsatz kommen: Koopmann hat gerade eine Tochterfirma an der Ostküste gegründet und finalisiert aktuell die letzten Details mit seinem ersten Kunden in Übersee. Das Geschäft läuft für Envelio jedenfalls gut: Seit 2021 hat das Jungunternehmen seinen Umsatz eigenen Angaben zufolge jedes Jahr knapp verdoppelt.