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NRW schwächelt beim WindkraftausbauIndustrie lechzt nach billigem Ökostrom

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Jackerath: Windräder stehen am Braunkohletagebau Garzweiler, im Hintergrund ist das Braunkohlekraftwerk Neurath zu sehen mit seinen dampfenden Türmen.

Windräder stehen am Braunkohletagebau Garzweiler, im Hintergrund das Braunkohlekraftwerk Neurath. Die NRW-Industrie verlangt immer mehr Ökostrom.

Legt NRW beim Ausbau der Windkraft nicht an Tempo zu, kann die Landesregierung 1000 Megawatt plus pro Jahr vergessen, sagen Experten.

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine und der damit einhergehenden Energiekrise könnte Steffen Lackmann Windräder ohne Ende vermarkten. Das Missverhältnis zwischen dem schleppenden Ausbau und dem Bedarf an erneuerbaren Energien werde immer krasser, sagt der Projektmanager der Westfalen-Wind GmbH.

„Es sind eben nicht mehr nur die Haushalte, die zunehmend nach günstigem und sauberem Strom fragen. Uns rufen fast wöchentlich Industriebetriebe an, die am liebsten den Strom direkt aus unseren Windparks beziehen möchten“, sagt Lackmann.

„Die aktuellen Energiepreise sind längst zu einem zentralen Standortfaktor geworden.“ Das sei der Beweis, „dass die erneuerbaren Energien die regional günstigste und zuverlässigste Energieform darstellen.“

2022 gingen in NRW nur 98 Windräder in Betrieb

Das Problem ist nur: Beim Ausbau der Windenergieanlagen kommt Nordrhein-Westfalen einfach nicht voran. Im vergangenen Jahr sind nach Angaben des Landesverbands Erneuerbarer Energien (LEE) 98 Windräder mit einer Leistung von 421 Megawatt neu in Betrieb gegangen. Das ist zwar eine Steigerung von mehr als 25 Prozent, so die Fachagentur Windenergie an Land, aber weil natürlich auch alte Anlagen vom Netz genommen wurden, liegt der Nettozuwachs bei gerade mal 392 Megawatt. Die größten Hindernisse: die 1000-Meter-Abstandsregel, fehlende Flächen und langwierige Genehmigungsverfahren.

„Der Ausbau tritt auf der Stelle“, sagt Christian Mildenberger, Geschäftsführer von LEE NRW, am Montag in Düsseldorf. Auch unter der Regie der schwarz-grünen Landesregierung, die seit Mai 2021 im Amt ist, seien im zweiten Halbjahr nur 51 neue Anlagen mit einer Leistung von 233 Megawatt entstanden. „Wenn wir so weitermachen, werden wir das selbstgesteckte Ziel von 1000 Megawatt jährlich bis zum Ende der Legislaturperiode um Längen verfehlen.“

Sieben Jahre von der Idee bis zur Inbetriebnahme

Der Zeitraum von der Idee über Planung, Genehmigung und Bau bis zur Inbetriebnahme einer Windkraftanlage liege immer noch bei sieben Jahren. „Was wir heute nicht bauen, werden wir übermorgen kompensieren müssen“, so Mildenberger. Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven sei innerhalb von 194 Tagen geplant, genehmigt und gebaut worden. „Diese neue Deutschland-Geschwindigkeit brauchen wir dringend für die Windkraft.“

Beim Brutto-Zubau liegt NRW im Ländervergleich, mit 421 Megawatt hinter Schleswig-Holstein (554 MW), Niedersachsen (458 MW) und Brandenburg (428 MW) immerhin auf Platz vier, bei den 2022 neu genehmigten Anlagen mit 865 MW hinter Niedersachsen sogar auf Rang zwei, doch das, so Mildenberger, seien alles nur statistische Momentaufnahmen. „Was wirklich zählt: NRW wird nach dem beschlossenen Ende der Braunkohleförderung nur dann Industrieland bleiben, wenn es auch weiterhin ein führendes Energieland bleibt. Das ist nur mit einem ganz schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien möglich, allen voran der Windenergie.“

Größere Windparks mit mehr als zehn Anlagen sind im vergangenen Jahr nicht ans Netz gegangen - was sich aber 2023 ändern wird: Die Westfalen-Wind GmbH plant im Wittgensteiner Land ein Projekt mit 59 Anlagen und rund 390 MW installierte Leistung. Das Genehmigungsverfahren hat unlängst begonnen.

4000 Einwendungen gegen neuen Windpark in Warstein

Noch vor Ostern erwartet das Paderborner Unternehmen grünes Licht für einen Windpark mit zwölf Anlagen und 46,8 MW installierte Leistung in Warstein im Kreis Soest. „Russlands verbrecherischer Angriffskrieg gegen die Ukraine hat im hiesigen Stadtrat zu einem Umdenken geführt, nachdem das Vorhaben jahrelang verzögert worden ist“, sagt Projektmanager Steffen Lackmann. 4000 Einwendungen habe es gegen „unsere Planungen“ gegeben.

Der Bau der Windräder im Arnsberger Wald hing aber am seidenen Faden, die Abstimmung fiel Anfang November mit 19:16-Stimmen denkbar knapp aus. Für Warsteins Bürgermeister Thomas Schöne ist am 24. Februar mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, auch was die Windkraft angeht, „eine Zeitenwende eingetreten. Ich habe meine Haltung geändert, nachdem ich acht Jahre gegen Windkraft im Wald gekämpft habe“, sagte er in einer sehr persönlichen Stellungnahme.

Der Druck des größten Arbeitgebers war immens. Infineon produziert in Warstein Leistungshalbleiter und spielt damit in der Liga von Unternehmen, denen der NRW-Ministerpräsident persönlich seine Aufwartung macht. Infineon, sagte Hendrik Wüst (CDU) bei seinem Besuch vier Wochen nach der Ratsentscheidung, sei „das Flaggschiff der Energiewende“.

Am 8. Februar wird sich der Landtag in einer Anhörung mit der Reform der 1000-Meter-Abstandsregelung befassen. Die SPD-Opposition will sie ganz abschaffen. Die Landesregierung will die neue Regelung nur für das Repowering gelten lassen, also für den Austausch alter Windräder durch neue, die auch mehr Strom produzieren können. „Der Koalitionsvertrag von CDU und Grünen steht seit Ende Juni. Wir haben schon wieder ein halbes Jahr verloren.“