Köln – Warteschlangen vor dem Check-in und den Sicherheitskontrollen, Verspätungen, viele gestrichene Flüge: Mit dem Beginn des Sommers versanken einige Flughäfen in Nordrhein-Westfalen im Chaos. Grund dafür sind Personalengpässe, gerade bei den Sicherheitskontrollen und der Gepäckabfertigung. Die Bundesregierung will nun den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte erleichtern.
Welche Voraussetzungen schafft der Staat?
Die Bundesregierung erleichtert die Arbeitserlaubnis und Einreise: „Wir ermöglichen, dass die Unternehmen Hilfskräfte aus dem Ausland, vor allem aus der Türkei, einsetzen können“, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Nach Ansicht von Arbeitsminister Hubertus Heil bedeute dies keine „dauerhafte Einwanderung“, weshalb auch keine Sprachkenntnisse überprüft werden. Zudem sagt Faeser Unterstützung bei den Sicherheitskontrollen durch die Bundespolizei zu.
Wo werden die ausländischen Arbeitskräfte eingesetzt?
Die neuen Arbeitskräfte sollen hauptsächlich bei Bodendienstleistungen sowie der Be- und Entladung von Gepäck eingesetzt werden. Bei den Sicherheitskontrollen sollen sie nicht arbeiten.
Wieso kommen so viele Arbeitskräfte aus der Türkei nach Deutschland?
In der Türkei hätten wegen der Insolvenz zweier Fluglinien rund 2000 Menschen ihren Job verloren, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft für Beschäftigte im Luftfahrtsektor (Hava Sen), Seckin Kocak, der „Deutschen Presseagentur“ (dpa). Die meisten seien gut ausgebildet, erfahren und weiterhin auf der Suche nach Anstellungen. Er gehe davon aus, dass man aus dieser Personengruppe rekrutieren werde. Eine Anstellung in Deutschland, wenn auch nur kurzfristig, sei für viele eine attraktive Perspektive.
In welchem Anstellungsverhältnis stehen die Arbeiter?
Die ausländischen Arbeitskräfte werden nach Tarif bezahlt. Für die Unterbringung ist das Unternehmen zuständig. Als Leiharbeiter darf kein Personal angestellt werden. Für die Anstellung gelten Bedingungen, um Lohndumping auszuschließen, so Minister Heil.
Wann sind die zusätzlichen Arbeitskräfte im Einsatz?
Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), Ralph Beisel, sagte: „Wenn alle Rädchen so ineinandergreifen, wie uns das in Aussicht gestellt wurde, könnten die ersten Saisonarbeitskräfte in vier Wochen einsatzbereit sein.“ Er dankte der Bundesregierung, dass sie schnell und unbürokratisch den Weg freigeräumt habe. Dies sei ein wichtiger Schritt, damit Dienstleister und Flughäfen die Kräfte in operativen Bereichen beschäftigen könnten.
Wie lange sollen die ausländischen Arbeitskräfte in Deutschland bleiben?
Eine genaue Zeitspanne für die Neuregelung nennt die Bundesregierung nicht. Es gehe um eine befristete Maßnahme, keine Dauerlösung, sagte Heil und kritisiert die Fluggesellschaften: Der Staat habe Arlines und Flughafen in der Corona-Krise massiv unter die Arme gegriffen. „Es wäre Aufgabe der Unternehmen gewesen, in ausreichendem Maß Vorsorge zu treffen.“ Der Minister fordert die Branche auf, attraktive Arbeitsbedingungen mit anständigem Lohn zu schaffen.
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Wie bewerten der Flughafen Köln/Bonn die Vorgänge?
Der Flughafen Köln/Bonn begrüßt den Vorstoß. „Maßnahmen zur Stabilisierung der gesamten Luftverkehrsbranche sind hilfreich und willkommen. Auch für den Flughafen Köln/Bonn kann der Einsatz von Arbeitskräften aus dem Ausland ein geeigneter Schritt sein, um den Bodenverkehrsdienst vor allem in Verkehrsspitzen zusätzlich personell zu verstärken“, heißt es vom Airport. Der Flughafen prüfe diese Maßnahme aktuell intensiv. Derzeit funktionierten die Prozesse bei der Abfertigung der Flugzeuge und im Gepäckdienst gut. Die drängendste Aufgabe sei die Personalsituation an der Passagierkontrolle der Bundespolizei nachhaltig zu verbessern. „Für die Sicherheitskontrollen können die ausländischen Arbeitskräfte jedoch nicht eingesetzt werden“, erläutert ein Sprecher.
Wie bewertet der Flughafen Düsseldorf die neue Regelung?
Auch in Düsseldorf stößt die Initiative auf Anklang. „Der Flughafen Düsseldorf begrüßt diese bundespolitische Initiative und die Einrichtung einer Koordinierungsgruppe auf Staatssekretärsebene ausdrücklich“, sagte Thomas Schnalke, Vorsitzender der Geschäftsführung des Düsseldorfer Airports. Das Gremium soll mögliche kurzfristige Maßnahmen zu erarbeiten.Mit dem Engagement auf bundespolitischer Ebene verbinde der Airport die Hoffnung auf schnelle und praktikable Lösungen, insbesondere bei der Bewältigung der Personalengpässe an den Sicherheitskontrollstellen der Bundespolizei und bei der Unterstützung der Personalrekrutierung im Luftverkehr durch beschleunigte Zuverlässigkeitsüberprüfungen und eine erleichterte Beschäftigung von qualifizierten Arbeitnehmern aus Drittstaaten.
Was sind die Ergebnisse des Krisentelefonats zwischen Flughäfen und Bundespolizei?
Am Mittwoch hatten sich die Vertreter der großen deutschen Airports und die Bundespolizei zu einem Krisentelefonat zusammengeschaltet. Allerdings wollte man sich zum Verlauf und möglichen Ergebnissen nicht öffentlich äußern.
„Der heutige turnusmäßige, interne Austausch zwischen den Flughafenbetreibern und der Bundespolizei zur aktuellen Lage an den Flughäfen war wie immer vertrauensvoll und konstruktiv“, heißt es von der Bundespolizei auf Anfrage. Man bitte um Verständnis, dass man zu einem rein internen Austausch öffentlich keine Stellung beziehen werde.
Welche Kritik gibt es an den neuen Regelungen?
Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, kritisierte gegenüber der „Bild“-Zeitung: „Wir haben in Deutschland 2,2 Millionen Arbeitslose, die gerne arbeiten möchten. Die Ampel-Regierung sollte sich daher schnell um die Ausweitung der Kapazitäten der Ausbildung und Sicherheitsüberprüfung statt Anwerbeaktionen kümmern.“
Die Gewerkschaft Verdi kritisierte, dass keine Deutschkenntnisse als Voraussetzung für die ausländischen Helfer vorgesehen seien. „Das Luftfahrtbundesamt setzt Kenntnisse der deutschen Sprache voraus, um sich bei Tätigkeiten im Luftverkehr verständigen zu können“, sagte die Verdi-Vizevorsitzende Christine Behle der dpa. „Das ist wichtig, weil zum Beispiel unsachgemäße Beladung eines Flugzeugs zu einem Absturz führen kann.“ (mit dpa)