Der Immobilien-Experte Matthias Wirtz spricht im Interview über die Folgen der verheerenden Flutkatastrophe in der Region.
Außerdem ordnet er ein, was das Hochwasser für den Immobilienmarkt bedeutet. Er erklärt, ob der extreme Boom sich nun abkühlen könnte – und wie sich die betroffenen Gebiete wohl entwickeln werden.
Herr Wirtz, Sie sind Immobilienexperte der KSK-Immobilien. Wie haben Sie die Flutkatastrophe erlebt?
Viele Kolleginnen und Kollegen auch unserer Muttergesellschaft Kreissparkasse Köln haben am eigenen Leib erfahren, was da für eine Naturkatastrophe über uns hineingebrochen ist. Sie hatten selbst Wasser im Haus, haben zum Teil um ihr Leben fürchten müssen. Daher war es für uns erst einmal wichtig, dass es allen gut geht. Bemerkenswert war dabei, dass viele Mitarbeitende trotz eigener Betroffenheit zugleich in den Filialen, die aufgrund von Hochwasserschäden nicht öffnen konnten, kräftig mit angepackt haben.
Dennoch hat Sie das Hochwasser auch wirtschaftlich getroffen. Neben Ihren Geschäftsstellen auch Ihre Immobilien…
Die aktuell von uns betreuten Neubauprojekte sind zum Glück nicht betroffen, dafür aber eine ganze Reihe Bestandsimmobilien, die wir derzeit vermitteln. Hier stehen wir in engem Kontakt mit den Eigentümern und Kaufinteressenten, um einen Überblick über die Schäden zu bekommen. Dabei tauchen viele Fragen auf: Wenn jemand eine Immobilie verkaufen möchte, die jetzt einen Wasserschaden hat – welche Folgen hat das für den Verkaufsprozess? Wie schnell kann eine Versicherung sich dazu äußern? Wir haben hier allerdings bislang sehr faire Gespräche zwischen Verkäufern und Käufern erlebt.
Eine ungünstige Hochwasserlage dürfte dabei auch Auswirkungen auf den Wert einer Immobilie haben.
Häufig handelt es sich hier um subjektives Empfinden der Bedrohung, aber ja: Natürlich kann eine solche Lage auch konkrete Auswirkungen auf den Wert haben. Wenn beispielsweise ein Hochwasserschaden entstanden ist, wird er durch einen Gutachter klar beziffert und damit bepreist. Unklar ist allerdings noch, welche Maßnahmen jetzt ergriffen werden müssen, um künftige Schäden zu vermeiden.
Dabei ist zu unterscheiden zwischen Immobilien, die unmittelbar vom Hochwasser betroffen waren und solchen mit indirekten Schäden, beispielsweise wenn durch den Rückstau von Grund- oder Abwasser Keller vollgelaufen sind. Poröse Bodenplatten sind zum Beispiel bei älteren Immobilien keine Seltenheit. In der Regel werden sie nicht zum Problem – beim Hochwasser waren sie es zuletzt doch. Muss man sie deshalb neu versiegeln? Diese Frage werden Hauseigentümer in den nächsten Monaten mit Handwerkern und Gutachtern diskutieren.
Zur Person und zum Unternehmen
Matthias Wirtz ist Leiter Research und Unternehmenskommunikation bei KSK-Immobilien, dem Immobilienmakler der Kreissparkasse Köln.
Die Kreissparkasse Köln hat nach der Flutkatastrophe ein Maßnahmenpaket für die Menschen und Unternehmen in der Region gestartet. Dazu zählt zum Beispiel ein Sonderkreditprogramm für Privat- und Firmenkunden in Höhe von 100 Millionen bzw. 25 Millionen Euro. Dabei können zinsfreie Sofortkredite zwischen 5000 und 80.000 Euro für die Beseitigung von Schäden beantragt werden. Außerdem spendete das Unternehmen eine Million Euro und schickte seine mobilien Filialen verstärkt in betroffene Regionen. (elb)
Über welche Preisspannen sprechen wir hier – sowohl bei Schutzmaßnahmen als auch bei Wertverlusten?
Beim Hochwasserschutz kann es schnell um bauliche Veränderungen in einer Preisklasse gehen, in der sich die Frage stellt, inwiefern sie überhaupt noch wirtschaftlich sinnvoll sind. Hier sind jetzt Baugutachter gefragt. In den meisten Fällen droht den Immobilien aber zum Glück nicht dieser massive Wassereinbruch, wie wir ihn an der Ahr und in Teilen des Rhein-Erft-Kreises erlebt haben, sodass wir über bauliche Maßnahmen wie beispielsweise eine neue Versiegelung der Bodenplatte in noch überschaubaren Umfang reden. Aber auch dies sind schnell Kosten in Höhe mehrerer zehntausend Euro, die bisher bei den Wertermittlungen nur selten berücksichtigt wurden. Entsprechend ist aktuell bei allen Marktteilnehmern eine gewisse Unsicherheit spürbar.
Sind die betroffenen Regionen bei Ihnen derzeit weniger gefragt?
Der erste Effekt ist tatsächlich genau gegenteilig: Das Interesse ist weiterhin extrem hoch – auch und gerade, weil viele der Betroffenen Ausweichmöglichkeiten suchen. Und das an dem ohnehin schon sehr engen Wohnungsmarkt. Mittlerweile kann man selbst Baucontainer als kurzfristige Übergangslösung mieten. Daraus möchte ich allerdings noch keinen Trend ableiten.
Wagen Sie trotzdem eine Prognose?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die betroffenen Regionen künftig grundsätzlich weniger gefragt sein werden, denn es handelt sich nach wie vor um attraktive Wohngegenden. In Städten wie Ahrweiler oder Bad Münstereifel, wo die Flüsse eine unfassbare Dimension angenommen hatten, wird die öffentliche Hand außerdem viele Ressourcen in den Hochwasserschutz investieren. Das gleiche wird für die Orte wie Rheinbach oder Swisttal unterhalb der Steinbachtalsperre gelten. Von daher, nein wir werden keine Flucht aus der gesamten jetzt betroffenen Region erleben und daher auch weiterhin erstmal einen Nachfrageüberhang an den Wohnungsmärkten beobachten.
Es gibt hierzu zwei Thesen: Die eine lautet, dass der Glaube an die Sicherheit des Betongoldes erschüttert wurde. Vor diesem Hintergrund könnte sich die Dynamik der vergangenen Jahre abschwächen. Bislang haben die hohe Verfügbarkeit liquider Mittel, die günstigen Finanzierungsbedingungen und der Wunsch, in der Region zu bleiben, die Preise immer weiter nach oben getrieben – jetzt könnte es sein, dass die Menschen ihre Zahlungsbereitschaft zumindest hinterfragen.
Und die zweite These?
Aktuell gibt es einen sehr großen Nachfrageüberhang. Nicht nur Kapitalanleger, sondern auch Privatkunden überbieten sich immer wieder, um eine Wohnung oder ein Haus zu bekommen. Auf jede unserer Immobilien kommen so viele Kaufinteressenten, dass ich mir eine spürbare Abschwächung dieser Dynamik derzeit nicht vorstellen kann.
Zumal die Hochwasserkatastrophe die Neubauvorhaben in der Region bremsen und die aktuelle Rohstoffknappheit sowie der damit verbundene erhebliche Anstieg der Neubaukosten die Lage teils noch verschärfen werden. Insofern ist es aus unserer Sicht wahrscheinlicher, dass die Dynamik - trotz anhaltendem Bauchgrummeln mancher Marktakteure und Interessenten - weiter anhält.
Ist es denkbar, dass dabei neue Gebiete in den Fokus rücken, weil hochwassergefährdete Standorte gemieden werden?
Nicht wirklich. Nehmen wir als Beispiel einmal das Bergische Land. Durchaus auch eine gefragte Region mit erheblicher Preisdynamik, aber auch aus verschiedenen Gründen bislang hinter der Entwicklung des Kölner Westens zurückgeblieben. Es gab dort zwar keine so massiven Überschwemmungen wie anderswo, aber gleichwohl auch eine spürbare Betroffenheit beispielsweise durch vollgelaufene Keller.
Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass das Hochwasser hier einen grundsätzlichen Präferenzwandel einläutet. Am Ende läuft es aber immer wieder darauf hinaus, dass eine hohe Nachfrage auf ein zu kleines Angebot trifft. Wenn manche Hochwasser-Betroffene jetzt verständlicherweise umziehen möchten, dann können sie das im Zweifel gar nicht umsetzen, weil die Alternativen fehlen.