An den Karnevalstagen sind in NRW 62.000 Polizisten im Einsatz. NRW-Innenminister Hebert Reul (CDU) rät, Verdächtige der Polizei zu melden.
Reul zur Terror-Angst im Karneval„Anschlagsrisiko war nie so hoch wie heute“
Vor Weihnachten gab es Hinweise auf einen geplanten Angriff auf den Dom. Jetzt startet der Straßenkarneval. Haben Sie ein mulmiges Gefühl?
Das Risiko für Anschläge war selten so hoch wie heute - abstrakt gesehen. Das liegt an der internationalen Lage mit den Kriegen in Israel und der Ukraine. Die Konflikte stecken die Menschen auch bei uns an und motivieren mögliche Täter. Wenn es durch das aktuelle Geschehen elektrisierende Funken gibt, wie zum Beispiel die Tötung von Hamas-Führern oder andere Vorgänge, kochen die Emotionen hoch. Deswegen haben wir die Entwicklung genau im Blick.
Reul: „Zuletzt hatten wir es eher mit Einzeltätern zu tun“
In Paris haben Attentäter 2015 ein Blutbad im Konzertsaal Bataclan angerichtet und 90 Menschen getötet. Könnte jetzt auch der Straßenkarneval oder die Züge in den jecken Hochburgen ein Ziel von Extremisten werden?
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Denkbar ist leider alles. Bei Terrorangriffen hatten wir es aber zuletzt eher mit Einzeltätern zu tun, die zum Beispiel im Zug plötzlich ein Messer zücken und wahllos Menschen angreifen. Solche Täter schlagen meist zu, wenn keine Sicherheitskräfte in der Nähe sind. Wir wollen potenzielle Täter durch eine massive Polizeipräsenz in den Feierzonen abschrecken.
Wie ist der Einsatz geplant?
Wir werden an den Karnevalstagen im Land insgesamt an den Veranstaltungstagen zirka 62.000 Kräfte der Polizei einsetzen - regulär wären es in dieser Zeitspanne zirka 38.000. Damit sind wir auch auf unvorhersehbare Ereignisse eingestellt. Es geht ja nicht nur um Terrorgefahr, sondern auch darum, in Tumultlagen Sexualstraftaten zu verhindern. Deswegen werden Bereitschaftshundertschaften, Beweis- und Festnahmeeinheiten sowie Alarmzüge in größtmöglicher Verfügbarkeit auf den Beinen sein. In den Hochburgen treffen die Polizeibehörden zudem in Absprache mit den Kommunen eigene Maßnahmen. Da werden zum Beispiel Zufahrten mit Betonblöcken blockiert.
Würden Sie den Jecken raten, aus Sicherheitsgründen lieber zu Hause zu bleiben?
Nein. Es ist wichtig, dass man auch in schweren Zeiten vor die Tür geht und mal unbeschwert Karneval feiert. Das gehört zu unserer Kultur und das sollten wir uns nicht kaputtmachen lassen. Dennoch schadet es nicht, wachsam zu sein. Lieber der Polizei einen Hinweis zu viel geben als einen zu wenig.
Häufig sehr junge Täter, die keinen Argwohn auslösen
Was wäre denn ein verdächtiges Verhalten?
Man merkt ja schon oft, ob jemand wirklich dahin gehört, wo er ist oder nicht. Aber das Problem ist sicher, dass man zum Beispiel Islamisten nicht mehr an ihrem Erscheinungsbild erkennt, schon gar nicht im Karneval. Hinzu kommt, dass wir es ja neuerdings bei Anschlägen oft mit ganz jungen Tätern zu tun haben, die keinen Argwohn auslösen. Wenn die erst mit dem Messer in der Tasche unterwegs sind, ist es meist zu spät. Man muss sie vorher stoppen, durch eine kluge Präventionsarbeit.
Wenn sich junge Menschen im Internet radikalisieren, bekommt der Staat das aber meist nicht mit.
Das stimmt, vor allem zu Beginn der Radikalisierung. Deswegen ist ja extrem wichtig, dass das Umfeld aufmerksam ist. Eltern und Lehrer sollten reagieren, wenn sie Veränderungen sehen, die auf eine Radikalisierung hindeuten. Gleichzeitig müssen die Sicherheitsbehörden auch endlich die Instrumente bekommen, um Gefahren erkennen und abwehren zu können. Datenschutz darf nicht länger über allem stehen. Das muss sich aus meiner Sicht grundsätzlich ändern.
Hat sich die Zahl der islamistischen Gefährder in Nordrhein-Westfalen durch die internationalen Krisen erhöht?
Derzeit stufen wir 187 Personen als Gefährder ein, die Zahl ist in den vergangenen Jahren auf einem konstant hohen Niveau geblieben. Die haben wir genau im Blick.
Reicht das aus? Der Hinweis auf den geplanten Anschlag in Köln kam ja von einem ausländischen Dienst.
Ja, die ausländischen Dienste haben uns schon oft wertvolle Hinweise gegeben. Sie haben andere Möglichkeiten und daher ein klareres Bild von der Lage, als wir es haben können, vor allem im Netz. Die Zusammenarbeit wird vom Bund gesteuert und funktioniert gut. Wenn es Hinweise auf ein konkretes Bedrohungsszenario wie in Köln gibt, werde ich sofort informiert. Das kommt aber zum Glück nicht allzu oft vor.
Feiern Sie selbst Karneval?
Ja, am Donnerstag im Ministerium und am Wochenende in meiner Heimatstadt Leichlingen. Am Rosenmontag in Köln bin ich bei den Altstädtern mit dabei.