Sportdezernent schlägt Umzug von 150 Sülzer Fußballkindern nach Mülheim vor, damit der FC sein neues Leistungszentrum baut.
Ausbau am Geißbockheim150 Fußballkinder suchen eine Heimat – Umzug nach Mülheim vorgeschlagen
Es ist ein Dilemma, denn viele im Verein mögen den 1. FC Köln, den großen Fußball-Nachbarn im Äußeren Grüngürtel, mit dessen Zweitligamannschaft Kinder und Eltern mitfiebern. Doch als der Rat der Stadt Köln mit dem FC einen Kompromiss in Sachen Bau des neuen Profi-Leistungszentrums schloss, geriet der ehrenamtlich geführte Sülzer Kinderfußball-Verein Ballfieber Colonia unverhofft zwischen die Fronten.
Nun ist die Stadtverwaltung bemüht, zu einer für alle Seiten tragbaren Umsetzung des Ratsbeschlusses zu kommen. Es ist jedoch ein Gordischer Knoten, den es da zu lösen gilt – entsprechend abenteuerlich geraten die Ideen. So berichten Hendrik Sämisch und Niko Ramljak, der erste Vorsitzende und der Gründer von Ballfieber Colonia, dass sie bei einem Treffen mit dem Kölner Sportdezernenten Robert Voigtsberger gefragt wurden, ob sie zum Training mit den knapp 150 Kindern des Klubs vom Äußeren Grüngürtel nach Mülheim oder Porz wechseln könnten.
Voigtsberger habe wissen lassen, dass er in seiner Jugend in Aachen auch weite Wege zum Sport habe zurücklegen müssen, erzählt Sämisch: „Wir mussten erklären, dass das im städtischen Umfeld undenkbar ist, die Familien würden sofort etwas Neues suchen für ihre Kinder.“ Er selbst könnte seinem neunjährigen Sohn auch nicht ermöglichen, zweimal in der Woche zu einem Fußballplatz auf der anderen Rheinseite zu gelangen. Abgesehen davon, dass alle Nachhaltigkeits-Ansprüche mit Füßen getreten würden, wenn 150 Kinder zweimal pro Woche von ihren Eltern mit dem Auto quer durch die Stadt gefahren werden.
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Stadt Köln auf Lösungssuche
„Die Stadt Köln führt vertrauensvolle Gespräche mit allen Beteiligten Vereinen, um Bedarfe und Handlungsoptionen in Einklang zu bringen“, teilte ein Sprecher der Stadt zu dem Thema mit: „Gemessen an den bestehenden Bedarfen der Vereine und den verfügbaren Flächen im Stadtgebiet ist es nicht darstellbar, die Vorstellungen aller Vereine auf einem einzelnen Platz umzusetzen.“ Ziel sei es aber, zu „einer für alle involvierten Vereine tragbaren und nachhaltigen Lösung zu kommen“.
Ballfieber Colonia wurde vor fünf Jahren gegründet und hat bislang keinen eigenen Platz. Der Verein nutzt im Sommer einen vom 1. FC Köln angemieteten Rasenplatz am Fort Deckstein, die so genannte „Kampfbahn“. Außerdem teilt sich der Klub mit Blau-Weiß Köln und der DJK Südwest den Ascheplatz am Fort. Der ist in einem schlechten Zustand und bräuchte ohnehin dringend eine Sanierung. Beide Spielstätten sind nun Teil des Kompromisses, den die Stadt Köln mit dem 1. FC Köln rund um dessen Ausbaupläne geschlossen hat.
Der Hintergrund: Seit Jahren möchte der FC sein Leistungszentrum vergrößern, am liebsten auf den Gleueler Wiesen. Und seit Jahren stellen sich Naturschützer dagegen. Zuletzt hat das aktuelle Mehrheitsbündnis im Kölner Stadtrat, bestehend aus Grünen, CDU und Volt, einem Neubau auf einem Kunstrasenplatz direkt neben dem Franz-Kremer-Stadion des FC zugestimmt, um im Gegenzug die Wiesen zu schützen.
Dort sind laut Bebauungsplan drei Trainingsplätze für den FC vorgesehen. Um dessen Gültigkeit läuft allerdings ein Gerichtsverfahren. Und die Stadt hat dem Klub bislang keinen Pachtvertrag und keine Baugenehmigung für die Flächen ausgestellt. Auf diese Plätze hat der FC im Kompromiss mit dem Ratsbündnis verzichtet – aber nur „vorerst“, wie Geschäftsführer Philipp Türoff immer wieder betont.
Da das neue Leistungszentrum auf „einem unserer am stärksten frequentierten Trainingsplätze“ gebaut werden müsse, sei man auf Kompensation angewiesen. Im Kompromiss ist von drei so genannten „Satellitenplätzen“ die Rede. Doch Fußballplätze sind im Kölner Stadtgebiet ein rares Gut. Die neuen Ansprüche des FC verschärfen die ohnehin bestehenden Nöte der umliegenden Klubs. „Natürlich haben die Vereine Sorgen“, sagt Türoff, „aber die haben sie nicht erst seit dem Kompromiss. Es wird nicht einfach werden, eine Lösung zu finden.“
„Kampfbahn“ für den FC nutzlos
Einen Platz in Hürth saniert der FC aktuell und wird ihn künftig gemeinsam mit dem örtlichen Verein bespielen. Sich bei den beiden Plätzen am Fort Deckstein zu einigen, dürfte deutlich schwieriger werden: Der Ascheplatz kann saniert werden, allerdings müsste der FC den drei aktuellen Nutzern ausreichend Trainingszeiten zur Verfügung stellen. Das wären dann vier Vereine mit Bedarfen in der Kernzeit zwischen 15 und 19 Uhr. Es braucht nicht viel Fantasie, um an der Machbarkeit zu zweifeln.
Für den „Kampfbahn“ genannten Rasenplatz ein Stück weiter gilt laut Ratsbeschluss: Er darf nicht „ertüchtigt“, also nicht mit Strom und Wasser oder gar Kunstrasen ausgestattet werden. Damit ist er für den FC nutzlos. Der Verein ist zwar Pächter, bespielt ihn aber nur, wenn auf den anderen Plätzen gerade Instandhaltungsarbeiten stattfinden. Bei Ballfieber Colonia dagegen wäre man glücklich, den Pachtvertrag des FC übernehmen und sich so eine eigene Heimat schaffen zu können.
„Wir legen zwar auch Wert auf eine gute Ausbildung unserer Fußballkinder“, sagt Sämisch: „Aber wir entwickeln keine Profisportler, wir wollen die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder fördern.“ Das gehe auch auf Rasen: „Wir brauchen keinen Hightech-Kunstrasen-Platz.“ Und Ramljak hätte sogar Ideen, wie man die Wiese darüber hinaus, etwa im offenen Ganztag der umliegenden Schulen, nutzen könnte. Er mag den Geruch nach Gras, Matsch und Schlamm und ist überzeugt: „Aus diesem Platz könnte man so viel machen.“
Türoff will in dieser Sache „nichts ausschließen“, würde die „Kampfbahn“ aber nicht ohne Kompensation abgeben. An den drei im Kompromiss zugesagten „Satellitenplätzen“ hält der Verein fest. Und Türoff betont: „Drei zusätzliche Fußballplätze auf der Gleueler Wiese würden auch den Breitensport erheblich entlasten.“ Der FC spielt dabei auch auf Zeit. Denn durch neue Mehrheiten im Stadtrat nach den Kommunalwahlen 2025 könnten die Karten neu gemischt werden.
Ballfieber-Gründer Niko Ramljak fühlt sich hilflos in dem Gerangel und sagt: „Ich habe gedacht, dass unsere Politiker uns schützen.“ Stattdessen fühle er sich durch den Kompromiss zwischen Stadt und FC verraten.