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Bistum übernahm Priester-Schulden„Ein verstörender und beschämender Vorgang”

Lesezeit 4 Minuten
Woelki Hände ausgebreitet dpa

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki im Dom (Archivbild)

Köln – Ausgaben des Erzbistums Köln von mehr als einer Million Euro für die Schulden eines Priesters sowie Steuernachzahlungen stoßen auf Unverständnis und Empörung, insbesondere bei Opfern sexuellen Missbrauchs.

Diese werden im Erzbistum Köln aus dem sogenannten BB-Fonds entschädigt, einem kirchlichen Sondervermögen zur Verfügung des Erzbischofs „für besondere Bedürfnisse". Das Geld für die Unterstützung des überschuldeten Priesters wurde in der Verantwortung von Kardinal Rainer Woelki dem gleichen Topf entnommen.

„Verstörender und beschämender Vorgang”

Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz, sprach von einem „verstörenden und beschämenden“ Vorgang. Opfer sexualisierter Gewalt in der Kirche kämpften seit Jahren für eine wirkliche Anerkennung ihres Leids, sagte Norpoth dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. In einem überarbeiteten Anerkennungssystem, das Beträge bis zu 50.000 Euro vorsieht, erhielten 60 Prozent der Antragstellenden weniger als 20.000 Euro.

„Opfer von Sexualstraftaten – teilweise ohne gesicherte Einnahmen, wie ein Priester sie hat – werden mit einem Betrag abgespeist, der weniger als zwei Prozent von dem ausmacht, was die Kirche als Ausgleich für die selbstverschuldete finanzielle Schieflage eines Priesters zu zahlen bereit war“, kritisierte Norpoth. „Erinnert man sich dann noch der Begründung, dass dies mit Rücksicht auf das Gemeindeleben geschehen sei, bleibt nur noch auszurufen: Schämt euch in Grund und Boden!“

Gesamtkosten: 1,15 Millionen Euro

Die Gesamtkosten für das Erzbistum im Fall des überschuldeten Priesters, dessen Verbindlichkeiten unter anderem durch Glücksspiel zustande kamen, belaufen sich auf 1,15 Millionen Euro. 650.000 Euro davon sind Nachzahlungen an das Finanzamt. Zur Information des „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass in dem von den Finanzbehörden geforderten Betrag auch 100.000 Euro als Strafzahlung zur Vermeidung eines Steuerverfahrens enthalten waren, nahm das Erzbistum nicht Stellung.

Für den Siegburger Gefängnisseelsorger Patrick Bauer, früher Co-Sprecher des Kölner Betroffenenbeirats, macht der vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ offen gelegte Fall „überdeutlich, dass es gewissen Personenkreisen im Erzbistum immer in erster Linie darum geht, den Ruf der Kirche und der Kleriker zu schützen. Dafür wird sogar das Kirchenrecht umgangen.“

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Die Sprecherin der Reform-Initiative Maria 2.0 Rheinland, Maria Mesrian, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, das „verantwortungslose Finanzgebaren“ zeige „den tiefen Fall Kardinal Woelkis und seiner Führungsriege“. Betroffene sexuellen Missbrauchs würden „mit lächerlichen Summen abgespeist, während Millionen für eine überflüssige Hochschule oder eben für die privaten Spielschulden eines Priesters verschleudert werden“. Eine unabhängige öffentliche Untersuchungskommission sei „die einzige Möglichkeit, für Transparenz zu sorgen“, so Mesrian.

Die stellvertretende Vorsitzende des Diözesanrats im Erzbistum, Bettina Heinrichs-Müller, meldete im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ Beratungsbedarf an. Über den gesamten Umgang mit dem BB-Fonds und die daraus finanzierten Aufwendungen – unter anderem mehrere Millionen Euro pro Jahr für die von Woelki protegierte „Kölner Hochschule für Katholische Theologie“ (KHKT) – müsse „unbedingt gesprochen werden“, sagte Heinrichs-Müller dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„Ein solcher Fall kann heute so nicht mehr auftreten”

Bistumssprecher Jürgen Kleikamp unterstrich das Bemühen des Erzbistums, in Not geratene Priester „im Rahmen der Fürsorgepflicht zu unterstützen“. Zum konkreten Vorgang der Schuldentilgung „gehen wir davon aus, dass ein solcher Fall heute so nicht mehr auftreten kann, da wir aus dem Fall gelernt haben und der Kontakt zwischen der Personalabteilung und den Geistlichen heute intensiver und besser geordnet ist“.

Norpoth monierte, die Verantwortlichen seien offenbar „von sehr wenig Sachkenntnis getrübt gewesen“. Mit der Übernahme der Schulden sei Bistumsvermögen „durch die sich ergebende Steuerpflicht zusätzlich und massiv geschädigt worden“. Der Umgang mit treuhänderisch zu verwaltendem Kirchenvermögen sei verstörend. Grundsätze eines sensiblen, verantwortungsvollen und vermögensschonenden Handelns „scheinen auch in diesem Vorgang in völlige Vergessenheit geraten zu sein“ – und dies „womöglich mit Entscheidungen an Gremien und Organen der kirchlichen Aufsicht vorbei“.

Bauer sagte, er kenne aus seiner Arbeit im Justizvollzug Menschen, die nicht bezahlte Schulden von wenigen Tausend Euro im Gefängnis absitzen müssten. Hilfsangebote aller Art an Menschen mit Suchtverhalten seien richtig und unbedingt begrüßenswert. „Aber es ist grundfalsch, den entstandenen Schaden aus einer Sucht einfach zu begleichen, aus welchen Mitteln auch immer.“

„Das sind Kirchensteuermittel”

Die vom Bistum behauptete Entnahme der vom Finanzamt festgesetzten Nachzahlungen von 650.000 Euro aus dem Personaletat „fuchst mich wirklich“, sagte Bauer. „Das sind Kirchensteuermittel – in einer Höhe, von der man einen Gemeindereferenten wie mich viele, viele Berufsjahre bezahlen könnte.“

Während das Erzbistum argumentiert, die finanziellen Transaktionen hätten nicht der Zustimmung der Aufsichtsgremien bedurft, spricht der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller von einem eindeutigen Bruch kirchenrechtlicher Normen zur Vermögensverwaltung.