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Erzbistum KölnEine Million Euro für überschuldeten Priester gezahlt

Lesezeit 5 Minuten
Woelki ausgebreitete Arme

Kardinal Rainer Woelki

Köln – Nach Millionen-Zahlungen für Missbrauchsgutachten und Krisen-PR sieht sich die Spitze des Erzbistums Köln erneut dem Verdacht eines rechtswidrigen Zugriffs auf ein bischöfliches Sondervermögen ausgesetzt. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus zuverlässiger Quelle erfuhr, geht es dabei um einen Betrag von 1,15 Millionen Euro.

Mit etwa der Hälfte dieser Summe stand das Erzbistum für Schulden eines Priesters ein, die unter anderem durch Glücksspiel entstanden sein sollen. Wie Beteiligte schildern, befand sich der Geistliche in einer außergewöhnlichen seelischen Notlage, in der das Bistum ihm habe helfen wollen.

Der Vorgang nahm seinen Ausgang noch in den letzten Jahren des früheren Erzbischofs Kardinal Joachim Meisner, wurde aber vom Nachfolger Rainer Woelki nach seinem Amtsantritt 2014 mitgetragen. Die Verbindlichkeiten des Geistlichen von 493.697,82 Euro seien von Juli 2015 bis Juni 2016 in fünf Tranchen getilgt worden, bestätigte das Erzbistum. Die Mittel seien „mit Rücksicht auf das Gemeindeleben“ bereitgestellt worden.

Nachzahlung der Lohnsteuer

Etwa drei Jahre später fiel in der Bistumsverwaltung auf, dass es sich bei den Zahlungen, mit denen das Erzbistum dem Priester ausgeholfen und den Gemeindefrieden bewahrt hatte, um eine lohnsteuerpflichtige Zuwendung handelte. Ob die Entrichtung der Lohnsteuer „erforderlich war, war den damaligen Verantwortungsträgern im Erzbischöflichen Generalvikariat zum Zeitpunkt der Zahlungen unklar“, so das Erzbistum heute.

Nach einer Selbstanzeige bei den Finanzbehörden wurden vom Erzbistum 650.000 Euro Lohnsteuer inklusive Zinsen nachgezahlt. Zu der Information, dass in dieser Summe auch eine Strafzahlung von 100.000 Euro zur Vermeidung eines Steuerverfahrens enthalten war, äußerte sich das Erzbistum auf Anfrage nicht.

Bistumsleitung in den Vorgang eingebunden

In die Abwicklung der Angelegenheit war nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ Woelkis scheidender Generalvikar Markus Hofmann ebenso eingebunden wie Finanzchef Gordon Sobbeck, die frühere Justiziarin und weitere führende Bistumsfunktionäre. Zusätzlich holte das Erzbistum den Rat einer Kölner Anwaltskanzlei und eines Steuerberaters ein.

Besondere Brisanz gewinnt der Fall durch die Tatsache, dass die Verbindlichkeiten des Geistlichen aus dem sogenannten BB-Fonds des Erzbischofs „für besondere Bedürfnisse“ bezahlt wurden. In diese Transaktion waren die Aufsichts- und Kontrollgremien des Erzbistums nicht eingebunden. Die nachgezahlte Lohnsteuer nebst Zinsen sei „im Rahmen des bestehenden Personalkostenbudgets“ dem Erzbistums Köln als Dienstgeber belastet worden, erklärte das Bistum*.

Bischöflicher Fonds im Jahr 1952 aufgelegt

Eine Umgehung der Zustimmungspflicht wäre ein Verstoß gegen Normen zur kirchlichen Vermögensverwaltung. Der BB-Fonds wurde 1952 von Kardinal Josef Frings aufgelegt und über Jahrzehnte aus Abgaben von Priestern zur freien Verfügung des Erzbischofs gespeist. Woelki hat den BB-Fonds für die Zahlungen an Missbrauchsopfer bestimmt, die bis Ende 2021 etwa 1,5 Millionen Euro betrugen.

Der Kardinal hat daraus aber auch die beiden von ihm in Auftrag gegebenen Missbrauchsgutachten bezahlt. Eine knappe Million Euro für externe Krisenkommunikationsberater wurde demselben Topf entnommen. In beiden Fällen steht seit Dezember der Vorwurf freihändigen Hantierens mit kirchlichem Vermögen vorbei an den Gremien im Raum.

Hinzu kommt ein Konflikt um Zahlungen von inzwischen mehr als drei Millionen Euro pro Jahr für die von Woelki protegierte „Kölner Hochschule für Katholische Theologie“ (KHKT). Das Projekt droht Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zufolge wegen erheblicher Finanzierungslücken zu einem Millionengrab für das Erzbistum zu werden.

„Eindeutig rechtswidrig“

Zum Fall der beglichenen Schulden des Priesters erklärte das Bistum, dass „hier keine Gremien beteiligt werden mussten“. Dem widerspricht der Münsteraner Kirchenrechtsprofessor Thomas Schüller. „Die Auskunft des Erzbistums zeigt eine erschreckende Unkenntnis oder Ignoranz der einschlägigen vermögensrechtlichen Bestimmungen.“ Das Beispiel, so Schüller, lasse befürchten, „dass im Erzbistum Köln das geltende Recht auch sonst bei Vermögensgeschäften weitgehend nicht beachtet wird“.

Eine Partikularnorm der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2002 bestimmt, dass das „Einstehen für fremde Verbindlichkeiten“ zu den „Akten der außerordentlichen Vermögensverwaltung“ gehört. Laut Schüller hätte damit auch die Finanzspritze für den in Nöte geratenen Priester – unabhängig von der Höhe der Summe – den Aufsichtsgremien vorgelegt werden müssen. In Köln sind dies der siebenköpfige Vermögensrat sowie das aus dem Domkapitel gebildete Konsultorenkollegium. „Das Agieren der Bistumsleitung in diesem Fall ist eindeutig rechtswidrig“, so Schüller.

Angaben des Erzbistums fragwürdig

Dies gilt nach Auskunft eines Kircheninsiders auch für den Umgang des Bistums mit der Steuernachzahlung.* Die offiziellen Aussagen des Bistums seien „natürlich zu hinterfragen“. Über die von den Finanzbehörden geforderten 650.000 Euro hätten die Gremien zwingend informiert werden müssen. Die Grenze, unter der die Bistumsleitung selbstständig entscheiden und Zahlungen anweisen kann, liegt bei 500.000 Euro.

Hinzu komme in diesem Fall eine – logischerweise – unvorhergesehene Abweichung vom Wirtschaftsplan des Erzbistums. Das hierfür vorgesehene formale Verfahren wurde nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ebenfalls nicht eingehalten. Wie aus gleicher, zuverlässiger Quelle verlautet, gibt es weitere Zahlungen in erheblicher Höhe, die ebenfalls nicht formgerecht behandelt wurden.

Überdies soll das Erzbistum im aktuellen Fall die 650.000 Euro als „Personalaufwand“ deklariert und damit nicht verursachergerecht verbucht haben, weil es sich tatsächlich eben um nachgezahlte Steuern und – nach vom Erzbistum unbestätigten Informationen – um Strafzahlungen handelte. „Somit war das auch nicht korrekt“, sagte ein Kenner der Materie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Das Erzbistum bat mit Blick auf die Osterfeiertage um Verständnis, dass es hierzu erst später Stellung nehmen könne.

Gutachten in römischen Schubladen verschwunden

Während Woelkis mehrmonatiger „Auszeit“ hatte Bistumsverwalter Rolf Steinhäuser mit Blick auf die Zustimmungspflicht der Gremien zu den Entnahmen aus dem BB-Fonds für Missbrauchsgutachten und Krisen-PR zwei Rechtsgutachten angefordert und nach Rom gesandt, wo sie in der Schublade verschwunden sind. Für die weitere Aufklärung sollte nach Vorgabe des Vatikans Woelkis Rückkehr abgewartet werden.

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Ein mit dem Vorgang rund um den überschuldeten Priester vertrauter Kirchenmann sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, er habe im Grundsatz Verständnis dafür, dass der Erzbischof dem Mitbruder unter die Arme gegriffen habe. Dieser habe „eine schlimme Zeit“ gehabt. „Das Bistum hat sich hier womöglich in der moralischen Verantwortung gesehen – und das zu Recht, aus mehreren Gründen.“ Hierfür den Fonds „für besondere Bedürfnisse“ anzuzapfen, gehe jedenfalls weit mehr in Ordnung als die Entnahmen für Woelkis Lieblingsprojekt, die KHKT.

*Diese und die folgenden Angaben wurde in einer aktualisierten Version dieses Beitrags ergänzt.