Das Chaos am Flughafen in Köln und Düsseldorf steckt vielen Urlaubern noch in den Knochen, da drohen auch die Herbstferien nicht besser zu werden.
Peter Berger findet, eine halbstaatliche Sicherheitsgesellschaft nach bayerischem Vorbild muss her, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Thorsten Breitkopf ist gegen eine Verstaatlichung und hat andere Lösungsvorschläge für einen entspannten Herbst.
Köln – Begreifen wir es endlich. Die Privatisierung der Sicherheitskontrollen an unseren Flughäfen ist gescheitert. Sie stammt aus der Hoch-Zeit der Billigflieger, als Geiz so richtig geil war und jeder, der sich diesem Zeitgeist widersetzte, als hoffnungslos rückständig galt, bloß weil er nicht glauben wollte, dass es sich auf Dauer rechnen wird, wenn die Taxifahrt zum Flughafen teurer ist als der Billigbomber nach Mallorca.
Jetzt stehen wir mit unserem Irrtum stundenlang in der Endlosschlange vor den Sicherheitschecks, zittern um jede Minute, die uns von den kostbaren Herbstferien auf den Balearen verlorengehen könnte, bloß weil die Sicherheitskräfte einfach nicht voranmachen und der Staat offensichtlich nicht einmal in der Lage ist, Passagiere samt Handgepäck in einer angemessenen Zeit zu ihren Flugzeugen zu schleusen.
Dass es dabei vor allem um unsere Sicherheit geht, haben wir längst vergessen. Wen interessieren schon die gestressten Mitarbeitenden der Luftaufsicht, die sich zwischen zwei Teilzeitschichten in den Sommerferien auf dem Flughafenparkplatz in ihren Autos ausgeruht haben, weil sie sich die Heimfahrt nicht leisten konnten? Auf unserem Weg in den Urlaub sind sie nicht mehr als ein lästiges Hindernis.
Der Beruf der Fachkraft für Luftaufsicht, die hochkonzentriert vor dem Bildschirm Handgepäckstücke nach verdächtigen Gegenständen durchforsten muss, hat durch die Privatisierung das Image eines Aushilfsjobs bekommen. Ein Job, den nach ein paar Wochen Einweisung anscheinend jeder machen kann, den aber schon allein wegen der miserablen Arbeitsbedingungen offensichtlich keiner mehr machen will. Um den Personalmangel zu kaschieren, dessen Ursache vor allem in der Corona-Pandemie liegt, rekrutieren die Sicherheitsunternehmen verstärkt angelernte Hilfskräfte, die während des Kontrollvorgangs die einzige Aufgabe übernehmen, die nicht sicherheitsrelevant ist: Rückführen der leeren Plastikwannen, in die wir unsere Rucksäcke legen.
Mit der Konsequenz, dass die Luftaufsichtskräfte in einer Schicht noch länger an der Passagierschleuse stehen oder auf den Bildschirm starren müssen, weil die einzige Aufgabe an ihrem Arbeitsplatz, bei der sie nicht hochkonzentriert agieren müssen, von Aushilfen erledigt wird. Das ist Arbeitsverdichtung in einer besonders krassen Form, die krank machen muss. Entsprechend hoch ist der Krankenstand.
Jetzt brennt der Baum
Die Flughafen-Betreiber haben das alles lange nicht als ihr Problem angesehen und stur auf die Bundespolizei verwiesen. Die habe dafür zu sorgen, dass der Sicherheitscheck reibungslos funktioniert. Schließlich sei das eine hoheitliche Aufgabe. Formal stimmt das. Doch spätestens seit dem Sommerchaos haben auch sie verstanden, dass man diese Feinheiten keinem Passagier mehr begreiflich kann. Jetzt brennt der Baum. Dabei wäre die Lösung einfach.
Wir brauchen halbstaatliche Sicherheitsgesellschaften nach bayrischem Vorbild, in denen Mitarbeitende mit festen Verträgen ausgestattet und wie im öffentlichen Dienst bezahlt werden. Um die technischen Ausrüstungen der Kontrollstellen und deren Optimierung können sich dann die Flughafenbetreiber immer noch kümmern.
Wenn der Bund das nicht auf Reihe kriegt, weil die Privatisierungspartei in der Ampelkoalition mal wieder nicht mitspielt, muss NRW das allein durchziehen und eine Landesgesellschaft gründen. Dann wird es an den Flughäfen in Düsseldorf und Köln/Bonn auch bald keine Warteschlangen mehr geben. Wie in München.
Peter Berger (62) ist Chefreporter und seit ein paar Jahren kein Kurzstreckenflieger mehr, weil er das Bahnreisen trotz aller Probleme zu schätzen weiß und hofft, dass der Nachtzug-Trend weiter anhalten wird.
Es ist ein sehr deutscher Reflex: Läuft etwas nicht so rund, dann ruft man nach dem Staat, der soll es dann richten. Die Mieten steigen in Berlin? Dann bitte Mietskasernen verstaatlichen. Die Deutschen essen zu viel Fleisch? Dann bitte einen staatlich verordneten Veggieday einführen. Am Flughafen gibt es Warteschlangen, weil alle Menschen zum genau gleichen Wochenende in den Urlaub fliegen müssen? Staatliche Kontrollen, bitte.
Der Staat ist kein guter Unternehmer, das steht fest. Aus diesem Grund wünscht sich auch kein Kunde den mürrischen Postbeamten am Schalter zurück. Es ist nicht die Aufgabe des Bundes, Unternehmen zu führen, auch keine für Sicherheitskontrollen. Das kann die Privatwirtschaft weitaus besser – Belege dafür gibt es weltweit. Deshalb hat sich der Bund auch von den Mehrheitsanteilen an Telekom oder Post getrennt. Die Bürger haben davon profitiert. Der milliardenschwere Aufbau des Daten-Netzes bei der Telekom beispielsweise wäre sonst letztlich am Steuerzahler hängengeblieben.
Es ist dabei nicht nur eine Frage der politischen Haltung, ob der Staat der bessere Sicherheitskontrolleur in Köln/Bonn oder Düsseldorf wäre, sondern eine ganz praktische. De facto gelingt es den privaten Firmen nicht, genug Personal für diese Tätigkeit zu finden, aus verschiedenen Gründen. Am Geld liegt es nicht. Sicherheitskontrolleure erhalten etwa 20 Euro Stundenlohn. Das ist fast das Doppelte des aktuellen Mindestlohns von 10,45 Euro. Ein Grund sind die ungewöhnlichen Arbeitszeiten in der Nacht, den frühen Morgenstunden, am Wochenende und in den Ferien. Daran würde sich nichts ändern, wenn die Kontrolleure bei einer staatlichen Gesellschaft arbeiten würden.
Verstärkt wird der Personalengpass dadurch, dass die Sicherheitsüberprüfungen der Kontrollmitarbeiter bis zu zwei Monaten dauern. Diese Überprüfungen wären aus Gründen der Luftsicherheit freilich auch bei öffentlichen Bediensteten erforderlich. Hier liegt einer der Engpässe, für die Überprüfungen ist die Bezirksregierung zuständig. Die ist schon staatlich und offensichtlich dennoch nicht besonders schnell in der Abwicklung dieser Aufgabe.
Mangel an Wettbewerb führt zu höheren Preisen
Bleiben die Kosten. Sicherheitsdienstleistungen werden ausgeschrieben. Den Zuschlag erhält der, der ein preiswertes Angebot macht und sein Unternehmen daher auf Effizienz trimmt. Diesen Anreiz hätte die viel beschworene halbstaatliche Kontrollinstanz nicht. Man muss nicht zwingend ein Neoliberaler sein, um zu erkennen, dass diese Effizienz-Anreize bei der Staats-Kontroll-Firma fehlen werden. Der Mangel an Wettbewerb wird früher oder später dazu führen, dass die Kosten für die Sicherheitskontrollen in öffentlicher Hand steigen werden.
Das bedeutet: Der Steuerzahler, der indirekt für das Gehalt der neuen staatlichen Kontrolleure aufkommt, übernimmt die Kosten der Airlines und letztlich jener Menschen, die sich eine Flugreise leisten können. Die Kosten von den Fluggesellschaften auf die Steuerzahler abzuwälzen, wäre ein Affront. Es gibt nur eine Lösung für das Problem mit den langen Warteschlangen: Den privaten Sicherheitsfirmen müssen geeignete Anreize gesetzt werden, solche Schlangen gar nicht erst entstehen zu lassen.
Thorsten Breitkopf (44) ist Wirtschaftschef des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und ein Freund des Fliegens. Er zweifelt stark daran, dass der Staat die Kontrollen besser durchführt, als ein gewinnorientiertes und privat geführtes Unternehmen.