Köln – Die Zahl der Corona-Infektionen in der Delta-Welle war in Köln bis zu fünfmal höher als die offizielle Zahl erfasster Fälle. Das geht aus Studienergebnissen hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen. Untersucht hat die Uniklinik gemeinsam mit dem Gesundheitsamt und der Uni Köln, wie viele Kölnerinnen und Kölner in den vergangenen Monaten unbemerkt infiziert waren. Hierzu wurden 6000 Corona-Tests mit Anwendungshinweisen und der Bitte um Rücksendung an zufällig ausgewählte Personen im gesamten Stadtgebiet verschickt.
„Wir lagen wir mit einem Faktor 1,5 über den offiziellen Infektionszahlen“, sagt Studienleiter Martin Hellmich, Modellierer an der Uniklinik. Die Rohdaten musste Hellmich mit seinem Team jedoch bereinigen, weil die Rücklaufquote in Stadtteilen mit niedrigeren Inzidenzen höher war. „Unsere statistische Abschätzung hat ergeben, dass die Dunkelziffer bis zu fünfmal so hoch sein könnte“, sagt Hellmich.
Kein Widerspruch zu offiziellen Zahlen in Köln
Der Faktor fünf ist das obere Ende eines errechneten Spektrums, die größtmögliche Unterschätzung der Inzidenz. Er sehe in dem Ergebnis keinen Widerspruch zu den offiziellen Zahlen – dass asymptomatische Infektionen oft nicht erkannt werden, sei unstrittig. Im Gegenteil: „Was wir gefunden haben, ist ein Indiz dafür, dass die systematische Testung des Gesundheitsamtes zur Maßnahmenplanung ausreichen könnte.“ Auch sei die Differenz zwischen der in anderen Studien vermuteten Dunkelziffer und den Kölner Ergebnissen nicht groß.
Neue Kölner Corona-Studie läuft ab Montag
In einer Folgestudie will Hellmich mit seinem Team nun 10.000 Kölnerinnen und Kölner adressieren, die bislang nicht teilgenommen haben. „Wir testen in dieser dritten Runde nicht mehr, die Zielstellung ist diesmal eine etwas andere“, erklärt Hellmich. „Es geht um die Einstellung der Bevölkerung. Wie stehen Sie zu Maßnahmen, zur Impfung? Wie kommen Sie im Homeoffice klar?“
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Obwohl Corona-Tests kein Teil der neuen Untersuchung sind, sollen auch hier Hinweise auf die Entwicklung der Dunkelziffer gesammelt werden – etwa über die Abfrage unspezifischer Symptome wie Kopfschmerzen und Geschmacksverlust. Doch das Interesse ist kein rein medizinisches mehr, es ist auch ein soziologisches. „Wir stellen Fragen zum Gesundheitszustand, zum Testen, zur Vorbeugung. Wir wollen jetzt mehr wissen als in den ersten beiden Runden“, sagt Hellmich.
Die Fragebögen werden am heutigen Montag verschickt, das Ausfüllen dauert etwa eine Viertelstunde. Die Forscher hoffen auf möglichst viele Teilnehmende. Der Studienleiter ist sich sicher: „Wir treffen mit Aussendung der Briefe den Höhepunkt der Omikron-Welle, das ist für uns ein sehr günstiger Zeitpunkt.“
Martin Hellmich will eine Wächter-Kohorte als Dauerprojekt
Perspektivisch will Hellmich die bisherigen Studien zu einem Dauerprojekt weiterentwickeln. „Wenn Corona vorbei ist, haben wir vielleicht ein paar Jahrzehnte Ruhe vor pandemischen Erregern. Ich befürchte aber etwas anderes“, sagt der Modellierer. „Wir hoffen daher, eine Wächter-Kohorte etablieren zu können – als Frühwarnsystem für Viren in der Stadt.“
Bislang scheitert es an der Finanzierung. Während die ersten Studienrunden aus Fördermitteln des Bundes finanziert wurden, hat die Stadt Köln für die nun anlaufende Omikron-Studie Geld bereitgestellt. Einen Sponsor für die Etablierung der Wächter-Kohorte, die mit regelmäßigen Blutproben regelmäßig Auskunft über den Gesundheitszustand der Stadt geben könnte, muss das Team von Martin Hellmich noch finden.