Trotz der Krise der Linke im Bund gewinnt die Kölner Partei mehr Mitglieder – doch das Bündnis Sahra Wagenknecht ist allgegenwärtig.
„Eine gefährliche Situation“Umbruch bei Kölner Linke-Fraktion – Wagenknecht-Bündnis kommt nach Köln
Die sechsköpfige Fraktion der Linke im Kölner Stadtrat steht vor einem Umbruch, weil vier Mitglieder bei der Kommunalwahl im Herbst 2025 nicht mehr kandidieren. Zudem könnte das neu gegründete Bündnis um die prominente frühere Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht (BSW) die Linke 2025 auch in Köln Stimmen kosten.
Noch hat das BSW in Köln keine Strukturen wie etwa einen Kreisverband, doch das soll sich laut Carolin Butterwegge (50) im nächsten Jahr ändern. Butterwegge war 2022 Spitzenkandidatin der Linke für die Landtagswahl in NRW, schaffte es aber nicht in das Parlament und ist nun Mitglied beim BSW. Schon bei der vergangenen Europawahl im Mai holte das BSW 4,2 Prozent der Stimmen in Köln, die Linke dagegen nur 4,0 Prozent – obwohl es in Köln laut Butterwegge momentan nur sechs BSW-Mitglieder gibt.
Gefährdet das BSW auch in Köln die Linke, zumal in einer Situation des Umbruchs? Seit 2020 ist die Linke die viertgrößte Fraktion hinter Grünen (26 Sitze), CDU (20) und SPD (19). Linke-Fraktionsgeschäftsführer Michael Weisenstein sagt: „Das ist natürlich eine gefährliche Situation. Aber ich bin verhalten optimistisch, dass die Krise, die wir haben, nicht in Existenzkrise mündet.“
Alles zum Thema Stadtrat Köln
- Baustopp seit 2015 Hangar auf Kalkberg soll fertiggestellt werden – Zwei Varianten zur Auswahl
- Ausbau am Geißbockheim 150 Fußballkinder suchen eine Heimat – Umzug nach Mülheim vorgeschlagen
- Sparpläne der Stadt Köln Bürgermeister sollen Dienstautos verlieren und Bus und Bahn nehmen
- Beschlüsse aus dem Rat Autonomes Zentrum zieht nach Kalk – Kölner Stadtordnung geht gegen Lachgas vor
- Nach tödlichem Unfall Niederkasseler Stadtrat vertagt Umbauplanungen für die Provinzialstraße
- Beschluss vom Stadtrat Straßenmalerei am Kölner Dom bald verboten
- Haushaltskrise Die Zeit der Visionen, Ideen und Masterpläne ist in Köln vorbei
Und Marius Vogel, Sprecher des Kreisverbandes, sagt: „Ich empfinde die Situation nicht als existenzbedrohlich, weil wir viele Neumitglieder gewinnen. Aber wir sind uns der Brisanz der Situation bewusst.“ Seit Oktober ist die Partei laut Vogel um 200 Mitglieder auf 1000 gewachsen, unter anderem wegen der großen Demos gegen Rassismus am Anfang des Jahres und wegen des Austritts von Wagenknecht.
Detjen macht Schluss
Unter den vier Fraktionsmitgliedern, die 2025 nicht mehr antreten, sind langjährige Ratsmitglieder, die in der Kölner Politik-Blase durchaus prominent sind: Beispielsweise gehört Jörg Detjen (70) dazu, der seit 1999 im Rat sitzt und 2020 Oberbürgermeister-Kandidat war. Für ihn war schon 2020 klar, dass es die letzte Runde für ihn ist, „irgendwann muss mal Schluss sein“.
Auch Fraktionssprecherin Güldane Tokyürek (51) zieht sich zurück, sie ist seit 2014 Mitglied im Rat. Sie arbeitet Vollzeit im Jobcenter in Mönchengladbach, und sagt: „Ich habe das Gefühl, ich kann der Arbeit nicht gerecht werden. Die Strukturen sind nicht geeignet für Menschen, die Vollzeit arbeiten. Es ist eine Zerreißprobe.“
Seit 2013 ist Weisenstein (55) im Rat dabei, er will mehr Zeit für sein Privatleben haben. Zudem tritt auch Gesundheitsexpertin Uschi Röhrig mit Verweis auf ihr Alter von 69 Jahren nicht mehr an (im Rat seit 2020).
Vogel vom Kreisverband sagt: „Das ist keine Situation, die uns mit Sorgen erfüllt. Ich hätte mir gewünscht, dass einige auch weitermachen, auf der anderen Seite sind einige auch schon lange dabei.“ Weisenstein sagt: „Wir sind durchschnittlich ein bisschen zu alt und es besteht die Chance, etwas jünger zu werden.“ Es gehe niemand im Streit.
Jüngstes Ratsmitglied überlegt noch
Gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt Heiner Kockerbeck (60), weitermachen zu wollen. Noch offen ist es bei Sarah Niknamtavin (25). Kockerbeck, seit 2014 im Rat, bildet mit Tokyürek die Doppelspitze der Fraktion, Niknamtavin ist das jüngste der 90 Ratsmitglieder. Sie ist seit 2020 dabei, hat sich aber noch nicht entschieden, ob sie weitermacht. „Stand jetzt würde ich das nicht ausschließen.“
Doch der Wechsel Butterwegges ist durchaus ein Thema, Vogel vom Kreisverband sagt dazu: „Es ist natürlich kein gutes Signal, wenn eine frühere Spitzenkandidatin auf NRW-Ebene das Lager wechselt. Aber mein Eindruck ist, dass sie schon länger mit den Positionen der Linke gefremdelt hat.“
Butterwegges Ehemann wollte Bundespräsident werden
Butterwege, Ende 2023 ausgetreten und BSW-Mitglied seit Januar, bestätigt das: „Ich bin aus der Linke ausgetreten, weil ich mich inhaltlich von der Partei entfremdet habe, das hat unter anderem mit dem Mitgliederentscheid zum bedingungslosen Grundeinkommen und der Frage der Kriegs- und Friedenspolitik zu tun. Ich halte es für dringend nötig, für Friedensverhandlungen mit Russland im Ukraine-Krieg eine Strategie zu entwickeln, statt mit immer neuen Waffenlieferungen den Krieg zu entgrenzen.“
Ihr Ehemann ist Christoph Butterwegge, emeritierter Sozialwissenschafts-Professor und Linke-Kandidat für die Bundespräsidentenwahl 2017. Damals gewann Frank-Walter Steinmeier (SPD). Laut seiner Ehefrau ist er kein BSW-Mitglied und parteipolitisch ungebunden.
Größe der Fraktion entscheidet über Einfluss
Sie sagt zu möglichen Stimmverlusten der Linke aufgrund des neuen BSW: „Im kommunalpolitischen Bereich sollte es mit der Linken keine so großen Differenzen geben. Auch wenn es bei Wahlen zu einer Aufteilung der Stimmen kommen kann, spricht das BSW eher andere Wählerschichten an, auch solche, die zuletzt nicht mehr wählen gingen.“
Bei Kommunalwahlen gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde. Doch wie groß eine Fraktion ist, hat unter anderem Einfluss darauf, ob sie in Ausschüssen stimmberechtigt ist oder nicht. Von einer Fraktion spricht man ab mindestens drei Mitgliedern.
Wer für die Linke nächstes Jahr antritt oder ob die Partei einen OB-Kandidaten oder eine Kandidatin aufstellt, ist laut Vogel noch unklar. Er sagt: „Ich fände es gut, wenn einige aktuelle Fraktionsmitglieder weiter als sachkundige Bürger oder Einwohner erhalten blieben.“ Unter anderem Weisenstein kann sich das vorstellen, noch sind das aber seiner Aussage nach „ungelegte Eier“.