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Erstes Kölner Corona-OpferKurz vor ihrem Tod tröstete Frau Bystron ihren Sohn

Lesezeit 4 Minuten
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Marianne Bystron mit ihren Enkeln Rosa und Carlos

Köln – Als Dieter Bystron seine Mutter am 14. März 2020 zum letzten Mal sieht, tröstet sie ihn. „Sei nicht traurig, falls wir uns nicht mehr sehen sollten. Ich hatte ein so gutes Leben, wir haben so gut zusammengehalten, ich bin dankbar für alles.“ Die Ärztin sagt, die nächsten 24 Stunden würden entscheiden. Zwölf Stunden später ist Marianne Bystron (84) tot. Sie ist die erste Kölnerin, die an Covid 19 stirbt.

Fast zeitgleich erkrankt Mariannes jüngere Schwester an Corona –und bleibt fast symptomfrei. Zwei Wochen später wird Dieter Bystron positiv getestet. Er wird wie seine Mutter ins Kalker Krankenhaus eingeliefert, erhält einige Tage Sauerstoff. „Ich war so krank wie nie zuvor. Zwischenzeitlich hatte ich Angst, das Krankenhaus nicht mehr auf zwei Beinen zu verlassen.“ Als die Familie, die sich in Quarantäne befindet, nach vier Wochen die Wohnung wieder verlassen darf, findet sie die Stadt im Ausnahmezustand vor.

Trauerfeier im Familienkreis statt mit einer Person

Zur Trauerfeier von Marianne Bystron darf in der ersten Welle der Pandemie nur eine Person kommen – das ist undenkbar, die Familie ist groß und eng verbunden. Sie schaffen es, die Bestattung zu verschieben. Am 6. Mai darf zumindest der engste Familienkreis persönlich Abschied nehmen.

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Marianne Bystron mit Enkelin Rosa

Marianne Weißenberg wächst als ältestes von fünf Geschwistern in Buchforst auf. Ihre Kindheit skizziert sie als glücklich, trotz Kriegs und vieler Entbehrungen. Nach der „Nacht der 1000 Bomber“ flieht die Familie nach Odenthal, um für einige Jahre auf dem Gelände von Schloss Strauweiler zu leben, eine Verwandte arbeitet dort als Magd. Sein Opa habe in dem Schloss zwischenzeitlich auch zwei Juden versteckt und sei von der SA gesucht worden, erinnert sich Dieter Bystron. „Meine Mutter kam aus einer katholischen, sehr aufrechten Familie, die mit den Nazis nichts zu tun haben wollte.“

Zurück in Buchforst, erhält Marianne zu Weihnachten ein Paar Rollschuhe – das sie sich mit ihren vier Geschwistern teilen muss. Mit 15 macht sie eine Ausbildung zur Metzgereifachverkäuferin. 50 Jahre wird sie in ihrem Beruf arbeiten, am Ende in einem Feinkostgeschäft. Fleisch isst sie, seit ihre Enkelkinder auf der Welt sind, nur noch selten. Sie liebt die Jugend und bewundert sie für ihre Neugier und Achtsamkeit. Regelmäßig geht sie bei den Demonstrationen von Fridays for Future mit.

Urlaube mit den Enkelkindern

Zu ihren Enkelkindern Carlos und Rosa hat Marianne Bystron ein inniges Verhältnis. Die Eltern arbeiten nach der Geburt der Kinder schnell wieder, die Großmutter übernimmt viel. „Sie war sehr weltoffen und bescheiden. Es ging immer um uns, nie um sie“, sagt Carlos. „Wenn ich Streit hatte, riet sie mir, immer ganz freundlich zu bleiben, das könnte die anderen irritieren – und da hatte sie Recht“, sagt Rosa. „Sie war großzügig und immer optimistisch.“

Die Oma fährt mit Carlos und Rosa allein in Urlaub, nach Griechenland, Holland, Mallorca. Zu Dritt gehen sie in die Stadt, in den Zoo, ins Kino. Sie spielen zusammen, backen, machen Hausaufgaben, reden über Träume und Ängste, den Klimawandel, das Erstarken der AfD. „Diese Partei hat sie wütend gemacht. Als sie einen AfD-Politiker im Kölner Straßenwahlkampf traf, hat sie ihn mit der fremdenfeindlichen Haltung der Partei und mit der deutschen Geschichte konfrontiert“, sagt Carlos.

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Marianne Bystron mit Sohn Dieter

Marianne Bystron hat keine Berührungsängste mit Menschen. Mindestens einmal in der Woche fährt sie in die Stadt – um den Dom zu sehen und mit Fremden ins Gespräch zu kommen. „Sie hat danach jedes Mal erzählt, wen sie wieder kennengelernt hatte“, sagt Dieter Bystron. In Buchforst trifft sie regelmäßig einen blinden Mann, den fast jeder im Viertel kennt. „Sie hat ihm beim Einkaufen geholfen und ist mit ihm Kaffee trinken gegangen, er hat im Gegenzug ihre Tasche nach Hause getragen“, sagt Rosa.

Mitte 60 ist sie, als sie bei einer Prügelei in der Innenstadt dazwischen geht und die Streithähne trennt. „Sie war sehr resolut und konnte ihren Willen durchsetzen. Das war gut, konnte für einen Sohn aber auch schonmal anstrengend sein“, erinnert sich Dieter Bystron. Selbstbestimmt will sie leben, das zeigt sich auch darin, dass sie noch mit weit über 80 jeden Einkauf mit dem Rad erledigt und bei Reisen viele Länder die Welt erkundet.

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Als sie im Mai 2019 auf der Treppe stürzt, erholt sie sich nicht mehr völlig. Die letzten sechs Wochen lebt Marianne Bystron in einem Pflegeheim. In dieser Zeit infiziert sie sich auch mit dem Coronavirus. Dank ihres Gottvertrauens („An den Herrgott glaube ich, an die Kirche nicht“) bleibt sie bis zum letzten Tage dankbar und zuversichtlich.